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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0162
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3060 —

Utteiuen £)ut nahm ich vom Nagcl,
packte meine Reisetasche;

Und es trug inich in die Ferne
Bald das Eiscnroß, das rasche.

Fuhr hinein ins Land Italien —
Ach! der Teufel soll es holen:

Auf der dritten Station schon
war mein Portemonnaie gestohlen.

Zwar erwischte ich den Gauner,
Aber, Gott soll mich bewahren!
Dieser Uerl war ein Minister
Und ich ließ ihn schleunig fahren.

Europäische Munöreise.

Hat mir sonst recht gut gefallen,
ward auch freundlich ausgenommen,
Nur daß ich bei meinem Abschied
Beinah' Prügel noch bekommen.

Zu der Newa stolzem Strande
Hat mich dann die Bahn entführet,
wo der große Friedenskaiser
Sein getreues.Volk regieret.

Ja, der große Friedenskaiser,

Allezeit will er das Gute,

will fein ganzes Volk beglücken —

wer's nicht glaubt, bekommt die Unute.

Niemals steckt er beispielsweise
(Auch im Aeußern stets vollkommen)
Seine Bände in die Taschen —

Iremde Taschen ausgenommen.

weiter führte mich die Reise
Ueber den Kanal la Manche
Nach Paris, der Hauptstadt Frankreichs,
In die Heimath der Revanche.

Gott fei Dank! Sie halten Ruhe,
Müssen in Geduld sich fassen,

Bis ihr Gcneralstab wieder
Aus dem Zuchthaus ist entlassen.

Nach dem schönen Oesterreiche
Thät ich nun per Dampfroß fliegen,
wo die Völker und die Bölklein
Stets sich in den haaren liegen.

Auch beim Vetter an der Themse
war ich, beim korrekten Briten,
Der ein Ausbund ist an Tugend
Und ein Muster guter Sitten.

Doch nun bin ich längst zu Banfe,
In der Heimath, in der alten,

In dem Lande, wo den Menschen
Es geziemt das Maul zu halten.

wo die Sittsamkeit gedeihet
Und die Treue und der Glaube,
Der Gerechte friedlich wohnet
In dem Schutz der Pickelhaube.

Theures Land, dich will ich Preisen

Und es soll mein Lied erschallen

Dir zum Ruhm, dem Staatsanwälte

Zu besonderm Wohlgefallen. Ig"-«»-.

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Johann Wolfgang Goethe. Von Franz Mehring.
Mit zwei Porträts und einer Abbildung des Goethe-Denkmals
in Berlin. — Aus Goethes Dichtungen. Sprüche in
Neimen. — Der Gott und die Bajadere. — Die erste Wal-
purgisnacht. — Prometheus.

Vlitzdraht -Meldungen.

Pirna. Hier wurde kürzlich eine Wählerversammlung
verboten mit der Begründung, daß der Saal viel zu groß
sei und der Redner daher Gefahr laufe, sich zu überschreien,
waS seiner Gesundheit gewiß nicht förderlich sein würde.

— DaS Gleiche geschah einer Volksversammlung, die
unter freiem Himmel tagen sollte. Der Himmel war
nämlich bedeckt. Der Einberufer wurde von der Polizei
wegen Irreführung der Behörden in Haft genommen.

Dresden. Die von der „Times" gebrachte sensationelle
Äeldung, daß der Zar abdanken wolle, weil er es satt habe,
weiter zu regieren, ist dahin richtig zu stellen, daß nur das
russische Volk seiner Negierung satt sei.

— Nach einer sorgfältigen Untersuchung hat sich heraus-
gestellt, daß unter den viertausend Sachsen, die Karl der
Große seiner Zeit enthaupten ließ, die Ahnen der heutigen
Amtsvorstünde sich nicht befunden haben.

— Graf Posadowsky ist zum Ehrenbürger von Pegau
ernannt worden.

Rastatt. Gegen den badischen Ministerpräsidenten v. Eisen-
lohr wurde eine Untersuchung eingeleitet wegen Verhinderung
Arbeitswilliger an der Arbeit beim Denkmalsaufbau in Rastatt.

^ Frankreich.

fluch für den Blinden werden sonnenklar
Des Generalstabs mannigfache Sünden.

Sich einem Lump in Jolio zu verbünden,
wog federleicht bei der korrupten Schaar.
Jedwedes Mittel diente ihrem Ziel;

Sie gingen drauf und drein wie die verrückten,
Sie fälschten, logen, stahlen, unterdrückten
Und sahn im Meineid nur ein Kinderspiel.

Längst ward entlarvt der rothbehoste Schwarm
Mit Gründlichkeit aufs Bündigste und Beste;
wann aber holt sieb einzeln aus dem Neste
Die nebeln Schufte des Gesetzes flrm?
wann werden sie verdienter Schmach geweiht?
wann schickt die IDercier, Gonse und Boisdeffre
In jene Lande man, wo nur der Pfeffer
Und neben ihm das lieber noch gedeiht?

Die Kriegsminister kommen und sie gehn.

Doch Keiner wagt’s, die Schuldigen zu fassen
Und kurzer Rand die Ordre zu erlassen,

Der wir seit Monden schon entgegensehn.

Ist es ein Wunder, wenn empört, erregt
jetzt Lausende aus einem Munde sprechen:
„Was muss wohl so ein Jederbuscb verbrechen,
Damit ihm das Gesetz das Bandwerk legt?“

Meine Künstlerlaufbahn.

von unserem eigenen Mark Twain.

Man hafte mir oft erzählt, baß nach dem
militärischen Beruf auch der Künstlerberuf ein
gewisses Ansehen genieße und baß ein Künstler
unter Unrstänben sogar Geld verdienen könne.

Wie ich nun eines Tages gerade nichts Besseres
zu thun hatte, beschloß ich, ein berühmter Künstler
zu werden.

Ich orientirte niich über meine neue Beschäf-
tigung und fand, daß der Künstlerberuf in ver-
schiedene Zweige zerfällt — man kann Maler,
Bildhauer, Dichter, Musiker werden; am besten
ist es aber, man beherrscht alle diese Fächer zu-
gleich und etablirt sich als Universalgenie.

Letzteres erschien mir sehr verlockend und ich
erwarb mir durch mehrtägige fleißige Studien die
dazu nöthigen Fähigkeiten.

Der Vorsicht halber beschloß ich, meinen
Künstlerberuf in einenr roilbcit Lande auszuübeu,
wo es noch nicht so viele Universalgenies giebt,
wie bei uns, und wo man seinen Ruhm nicht
ewig mit den älteren Klassikerir, mit Goethe, Rem-
brandt, Mozart nnd Konsorten theilen inuß.

Ich ging also nach Afghanistan.

Hier fand ich für meine künstlerische Thätig-
keit den richtigen Boden. Es kommt nämlich in
Afghanistan weniger darauf an, wie, sondern
was man malt oder dichtet; das Sujet muß nur
national und polizeifromm sein. Wer hier eine
vaterlandslose Venus malen würde, sei sie auch
in künstlerischer Vollendung herrlich dargestellt,

der würde höchstens als Gesetzes- und Feigenblatt-
verräther mit den Gendarmen in Konflikt kommen,
welche in der Hauptstadt Kabul nebenbei das
Kunstrichteramt ausüben. Wer dagegen einen
Khan oder einen Emir malt, wird immer An-
erkennung finden.

Malen wir also einen Emir, dachte ich, und
schritt zu meiner ersten Künstlerthat.

Ich nahm ein altes Ocldruckbild, das den
regierenden Emir porträtähnlich darstellte. Es
war ein schwarzer Mann mit wulstigen, bart-
losen Sippen, aufgestülpter Nase, wolligem Haupt-
haar und ftnfterem Gesichtsausdruck. Dieses Bild
befestigte ich auf meiner Staffelei und griff zur
Palette. Zunächst beseitigte ich die häßliche
schwarze Gesichtsfarbe des asiatischen Herrschers
und malte ihm einen hellen, nur etwas bräun-
lichen Teint mit gesunder Wangenröthe. Dann
verschwanden die dicken Lippen und es kam unter
meinem Pinsel ein fein geschnittener Mund zum
Vorschein. Die Oberlippe zierte ich mit einem
starken Schnurrbart, dem ich noch einen impo-
nirenden Vollbart hinzufügte. In die Augen
legte ich Feuer und Energie, die Rase formte ich
griechisch, das wollige Haar wurde zum eleganten
Scheitel mit trotziger Stirnlocke, die Gewandung
bildete ein schön drapirter purpurner Herrscher-
mantel.

Ich schrieb mit goldeiren Lettern den Namen
des Emirs unter das Bild und stellte es aus.

Der Erfolg war großartig. Die ganze vor-
nehme Welt von Kabul kam und bewunderte das
Bild; die Höflinge und Beamten rühmten die
von keinem anderen Künstler bisher erreichte
Aehnlichkeit des Porträts.^ Der Premierminister
selbst ließ sich in goldener Sänfte zu dem Konterfei
seines Herrn tragen unb fand es wohlgetroffen.

Ich erhielt drei Orden, sieben Beutel mit Gold
und wurde zum Professor der Malerei an der
Kunstakademie von Kabul ernannt.

Einen einzigen Menschen gab es in der Haupt-
| stadt, der sich gegen meinen Erfolg auflehnte.
I Das war der Kunstkritiker des sozialdemokratischen
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