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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung: Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0185
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UirtwhaMmgs-VelLagr

-es wahren Jacob

Äugust Jacobey.

In der ersten Stunde des 30. August ist der
Sozialdemokratie durch die Gemalt des Todes ein
Genosse entrissen worden, der seine rastlose Thätig-
kcit, sein unermüdliches Streben seit langen Jahren
in der uneigennützigsten Weise in den Dienst des
kämpfenden Proletariats gestellt hat.

August Jacobey wurde am 21. März 1854
zu Frankfurt a. O. als Sohn armer Eltern ge-
boren. Er besuchte die Volksschule und erlernte
dann in seiner Vaterstadt das Töpferhandwerk.
Nach vollendeter Lehrzeit ging der junge Töpfer-
geselle auf die Wanderschaft. Er arbeitete kurze
Zeit in Mecklenburg, Holstein und Ham-
burg und kam im Jahre 1871 nach Berlin,
wo er als Werkstubenarbeiter in einer
großen Ofenfabrik Beschäftigung fand.

Der geistig regsame junge Mann nahin
begreiflicher Weise lebhaften Antheil an
der Arbeiterbewegung. Er trat dem All-
gemeinen Deutschen Arbeiterverein bei,
dem er bis zur Auflösung desselben als
eifriges Mitglied angehörte. Auch in der
Folgezeit war Jacobey stets dabei, wenn
es galt, agitatorisch und organisatorisch für
die Arbeiterbewegung thätig zu sein.

Im Jahre 1876 schloß Jacobey eine
Ehe, aus der vier Kinder hervorgegangen
sind. Wenn auch die Sorge um die Exi-
stenz der Familie die Arbeitskraft des
Mannes in hohem Grade in Anspruch
nahin, so fand Jacobey doch noch Zeit und
Kraft, an den politischen und gewerk-
schaftlichen Bestrebungen der Arbeiterklasse
nicht nur Antheil zu nehmen, sondern in
hervorragendem Maße thätig mitzuwirken.

Unter der Herrschaft des Sozialisten-
gesetzes, wo jede öffentliche Bethätigung
sozialdemokratischer Bestrebungen zur Un-
möglichkeit geworden war, und die Partei-
genossen nur im Geheinten zusammcn-
kommen konnten, um die im Interesse der
Partei erforderlichen Maßnahmen zu be-
rathen, da war Jacobey einer derjenigen,
die mit Umsicht und Energie für die
Sozialdemokratie ihre ganze Kraft einsetzten. Seine
ruhige Entschlossenheit und Geistesgegenwart be-
fähigten ihn ganz besonders dazu. Von jeher im
hohen Norden Berlins, im sechsten Reichstags-
wahlkreise wohnend, kannte Jacobey, der ein
Freund von Spaziergängen im Freien war, wie
kein anderer in der Jungfern- und Tegeler Heide
diejenigen Stellen, wo man unbeobachtet durch
Polizeispitzel über Parteiangelegenheiten sprechen
konnte.

Neben seiner unermüdlichen und gefahrvollen
politischen Wirksamkeit war Jacobey auch in der
gewerkschaftlichen Bewegung seines Berufs rast-
los thätig. Wir finden ihn in den Jahren 1884
und 1885 als eifrigen Förderer der damals ge-
gründeten Zentral-Kranken- und Sterüekasse der
Töpfer, sowie der Zentral-Rcisenntcrstützungs-
kasse der Töpfer, welche den ersten Anfang einer
einheitlichen Organisation im Töpferberuf zu bilden
bestimmt war, die aber alsbald an den Klippen
der Gesetzesauslegung zu Grunde ging. Im
Jahre 1886 tagte in Berlin ein deutscher Töpfer-
kongreß unter dem Vorsitz Jacobeys. Dieser
Kongreß setzte eine Kontrollkommission der Töpfer

Deutschlands ein, welcher Jacobey gleichfalls an-
gehörte.

Vom Jahre 1887 an führte Jacobey, mit einer
einzigen Ausnahme, auf allen Kongressen der
Töpfer den Vorsitz und sein Name ist feitdem mit
der Geschichte der deutschen Töpferbewegung eng
verwachsen. Jacobey war einer der entschiedensten
Verfechter des Gedankens der gewerkschaftlichen
Zentralorganisation, und er ist auch, seit im
Jahre 1893 der Zentralverband der Töpfer Deutsch-
lands gegründet wurde, unausgesetzt in dieser
Organisation hervorragend thätig gewesen. Als
entschiedener Zentralist hatte Jacobey heftige
Kämpfe mit den Vertretern der lokalen Richtung
durchzufechten.

Trotz seiner weitgehenden gewerkschaftlichen
Thätigkeit vernachlässigte Jacobey die Mitarbeit
auf politischem Gebiet keinen Augenblick. Nach
wie vor war er einer der unernüidlichsten Ge-
nossen des sechsten Berliner Reichstagswahlkrcises.
Als nach Aufhebung des Sozialistengesetzes unfere
Partei im Jahre 1890 in Halle wieder ihren
ersten Parteitag auf deutschem Boden abhalten
konnte, da wurde Jacobey auf Vorschlag der Ber-
liner Genossen als Parteikontrolleur gewählt,
ivelches Amt ihm auch auf den Parteitagen zu
Erfurt und Berlin wieder übertragen wurde.
Ende 1894 übernahm Jacobey die Expedition
des damals gegründeten Wochenblattes „Der
Sozialdemokrat", welches er auch, nachdem die
Redakteure Zachau und Schippcl zu mchrmonat-
lichen Gefängnißstrafen verurtheilt worden waren,
verantwortlich zeichnete.

Ain Schluß des Jahres 1896 ging der „Sozial-
demokrat" ein und Jacobey trat in die Redaktion
des „Vorwärts" über. Es ivar in der Aera
Brausewcttcr. Nicht weniger als vier Redakteure
des Zentralorgans saßen int Gefängniß und ein
fünfter wurde bald darauf in Folge einer ganz

harmlosen Notiz wegen Majestätsbeleidigung be-
langt und später verurtheilt. In dieser für den
„Vorwärts" äußerst kritischen Zeit erklärte sich
Jacobey sofort bereit, das Blatt verantwortlich
zu zeichnen. Er hat dieses Amt ausgeübt bis er
Anfang August dieses Jahres in die Ferien ging.

Von 1894 bis 1896 fungirte Jacobey als Bei-
sitzer am Berliner Gewerbegericht, 1895 wurde er
im 42. Kommunal-Wahlbezirk zunt Stadtverord-
neten gewählt. Im Jahre 1896 betraute ihn der
Zenrralverband der Töpfer Deutschlands mit dem
Posten des ersten Vorsitzenden und zwar wählte
man Jacobey deshalb, weil zu jener Zeit in der
Verwaltung des Verbandes unliebsame Verhältnisse
herrschten, deren Regelung nicht nur eine ver-
trauenswürdige Person, sondern die Um-
sicht und Thatkraft eines ganzen Mannes
erforderten. Jacobey hat die ihin zuge-
wiesene Aufgabe zur vollen Zufriedenheit
seiner Verbandskollegen erfüllt.

Als Verantwortlicher am „Vorwärts"
leitete Jacobey das Blatt nach dem Grund-
satz, daß bei strengster Wahrung des
Prinzips die bestehenden Gesetze keine
Handhabe zum Einschreiten gegen die
Redaktion bieten könnten. Trotz der kon-
sequenten Durchführung dieses Grund-
satzes ging es doch nicht ohne verschiedene
Anklagen und Bestrafungen Jacobeys ab.
Außer einer tut Jahre 1896 verhängten
Strafe von vier Wochen Haft kam Jacobey
mit mehr oder minder hohen Geldstrafen
davon, bis ihn am 29. Juni d. I. das
Schöffengericht zu Dresden niit Hilfe des
fliegenden Gerichtsstandes der Presse zu
einer Gefängnißstrafe von zwei Monaten
verurtheilte, die jedoch in Folge des Todes
des Verurtheilten nicht mehr „verbüßt"
werden kann.

So war August Jacobey rastlos thätig:
als Stadtverordneter für das öffentliche
Wohl, als Parteigenosse und Redakteur
des „Vorwärts" für die sozialdemokratische
Partei und als Gewerkschafter für die
Interessen seiner früheren Berufskollegen.
Im öffentlichen Leben ein Mann von großer
Energie, der es verstand, in schlagfertiger
Rede, dabei ohne Feindseligkeit, ja mit einem
gewifscu gutmüthigen Humor den Gegner ab-
zufertigen, war Jacobey in der Familie ein
liebevoller Gatte und Vater, an dem die Seinen
mit treuer Verehrung hingen. Die Ferienzeit
pflegte er in seiner Gebnrtsstadt Frankfurt a. O.
zu verbringen. Auch in diesem Jahre brachte er
seine freie Zeit wieder in seiner Heimath zu.

Am Abend des 29. August trat der unermüd-
liche Genosse die Rückreise nach Berlin an, um
am folgenden Tage seine Thätigkeit ani „Vor-
wärts" ivieder aufznnehmen. Schon einige Tage
vorher hatte sich bei ihm ein altes Magcnleiden
mit erneuter Heftigkeit bemerkbar gentacht. Als
Jacobey um Mitternacht auf dein Schlesischen
Bahnhof in Berlin ankam, befiel ihn ein plötz-
liches Unwohlsein, und nach kurzer Zeit machte
ein Herzschlag dem an Arbeit, Mühen und Kämpfen
so reichen Leben ein unvcrmuthetes Ende.

Mit August Jacobey hat nicht nur seine Familie
einen treuen Gatten und liebenden Vater verloren
— auch die deutsche Sozialdemokratie betrattert
in ihm einen alten erprobten Kampfgenossen.

Ehre seinem Andenken!

Beilage zum „wahren Iacob" Ar. 344 so, J899.
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