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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0190
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3088 • -

-s« Dem Parlament der

Ae! uns gegrüssl, Du Parlament der Hrbeit,

Das beut’ Zusammentritt zur ernsten Cagung!

6s gebt die Strömung tiefster Hntbeilnabme
Dureb die Gemütber und im Leiste weilen
Millionen Menschen tauschend in dem Raum,

In dem die Gründe mit den Gründen ringen
Und die Besonnenheit und Ueberlegung
Der heissen Leidenschaft Gesetze giebt.

6s richten heute nach der Glelfenstadt
Hm Leineufer alle Blicke sich;

Und in den Massen lebt und webt die Hoffnung,
Huch diese Cagung werde sich vollziehen
In imposanter Haltung und sie werde
Zu Schanden machen unsrer Gegnerschaft
Geheimes Hoffen auf gereizten Zwist
Um nebensächliches, der nur verwirrt.

Die Massen hoffen, dass man das betont,

Glas Hlle eint, das Drängen nach Befreiung.

6s kann nicht HHes da am Schnürchen gehn

Arbeit in Hannover. °Z-

Programmgemäss. — Doch werden Meinungsfragen
Dicht überschätzt, so führt der Cag uns näher
Zu dem von Hllen heiss ersehnten Ziel,

Zu Glück und Freiheit, zu der endlichen
Grlösung der enterbten von dem Druck
Der Doch und Crübsal. —

Giner Gleit in Glaffen,
Die feindlich uns dabei entgegentritt,

Ist dieses hohe Ziel nur Schritt um Schritt
In stetem Kampfe mühsam abzuringen.

Das Uolk hat keine Zeit um Doktorfragen
Sich zu erhitzen! —

Möge dieser Geist

In Hllen walten, die in diesen Lagen
Man ausgesandt und möge auch Hannover
In spätem Zeiten als Gtappe gelten
Des Siegeszugs der kämpfenden Partei.

Der Griffel Klios soll auch diesmal buchen:

Test und geschlossen, eine Phalanx, stand
Der Hrbeit Uolk, ein Tels im Meer der Zeit.

Der wahre Jacob.

Inhalt der Unterhaltung« -Beilage.

Der Parteitag in Hannover. Zwei Illustrationen. —
Das Testament des Boccaccio. Von Hans Wagemuth. Jllustrirt.
— Kraft und List. Gedicht nebst Illustration. — Gedanken-
balken. — Der Leichenbummler. Jllustrirt. — Modernes Schick-
sal. — Schluß des Dreyfus-Prozesses in Nennes. Illu-
stration. — Typen aus dem Verschwörer-Prozeß in Paris.
Illustration. — Briefkasten. — Literarische Anzeigen.

Blilzdraßt Meldungen.

Berlin. Der Abgeordnete Lieber dementirt die Nachricht,
daß er angeblich nach Kiautschau reisen wollte. Der Herr Ab-
geordnete fügt hinzu, wenn er in Berlin inmitten seiner Fraktion
säße, so habe er genügend Gelegenheit, die Chinesen zu studiren.

— Jetzt hat man den siebenhunderteinundsiebzigsten Fall
für die Denkschrift zur Zuchthausvorlage entdeckt. Im Finanz-
ministerium ist das Treppengeländer seit lange wackelig ge-
worden, so daß Herr Johannes v. Miquel, wenn er Abends
nach 12 Uhr nach Hause kommt, sehr leicht die Treppe hinunter
fallen kann. Da ein solcher Fall recht ernste Folgen zeitigen
könnte, so hat Herr v. Posadowsky ihn seiner Mappe ein-
verleibt zum Beleg für die Böswilligkeit der Arbeitsunwilligen.

— Freiherr von Zedlitz, der bekannte Kanalgegner,
Börsianer, Landtagsabgeordneter, Redakteur der „Post", Zucht-
hausfreund, Präsident der Seehandlung und intimer Freund
v. Miquels erhebt ein schauderhaftes Getöse über die Ent-
hüllungen des „Vorwärts", daß er — Zedlitz — zu seinen
sonstigen Einnahmen noch ca. 10 000 Mk. Trinkgelder jährlich
aus der „Post" beziehe. — „Er sei ein arbeitswilliger
Mann", sagt Herr v. Zedlitz, „und als Arbeitswilliger
sei er dem Staat und dem Herrn v. Stumm eben außerordentlich
theuer. Billiger könne er seine Gesinnung überhaupt nicht ver-
kaufen, was seine hohen Chefs einzusehen geruht haben."

— In Ueckermünde wurde ein Arbeitsunwilliger, der
sich gegen zwei Arbeitswillige gewehrt hatte, freigesprochen,
nachdem er fünf Monate lang in Untersuchungshaft gesessen
hatte. — Als das Urlheil bekannt wurde, sagte die Fischfrau
auf dem dortigen Hauptmarkt: „Na, dem Mann haben sie wie
dem lieben Gott die Tage gestohlen". Für diese Aeußerung,
die als grober Unfug aufgefaßt wurde, erhielt sie acht Tage Haft.

Bremen. Bei dem hiesigen Tonnenabfuhrwesen (zur Be-
seitigung der Fäkalien) streikten die Arbeiter. Die Polizei
erließ hierauf an die Bürgerschaft eine Mahnung, daß es eine
patriotische Pflicht sei, die Benützung der Tonnen thunlichst
einzuschränken. Also geschah es. — Die Aerzte haben jetzt
ihre liebe Noth, die eingetretene Verstopfung der Bremer
Einwohnerschaft wieder zu beseitigen.

Paris. Am Hause Guörins in der Rue Chabrol in Paris
soll eine Gedenktafel angebracht werden mit folgendem Inhalt:
„Hier hat sich Frankreich übergeben!"

Belgrad. In dem Hochverrathsprozeß plaidirte der Ver-
theidiger des Attentäters für Freisprechung. Wenn der Letztere
eine Strafe verdient haben sollte, so höchstens dafür, daß er
so schlecht gezielt habe.

Die letzte Rettung.

Von Was Negel.

Ha Ifjuf in Preußens Landwirkhsbund
Gleich wir bei Prolrkariern
Die Unzufriedenheit sich kund
Bei Junkern und Agrariern.

Besonders in der nru'sten Zeit
Lind sie in Wulh gerathen,

Sie künden der Legierung Streik:

„Wir werden Sozialdemokraten!"

Es Hai den ganzen Adelsstand
Ergriffen die Bewegung,

Leibst bei Ministern oftmals fand
Man leisen Unmulhs Regung.

Und bringt lukanus Lchreck und Graus
In ihre Kemenaten,

Ruft schließlich selbst der Miguel aus:
„Wir werden Sozialdemokraten!"

Auch hat man Wolken aus der Ltirn
Des Königs Ltumm gesehen —

Es wollen nicht nach seinem Hirn
Dir Dinge immer gehen.

Glaubt, wenn die Zuchthausvorlag' fällt,
Dann künden dir rabiaten
Ltumm, Krupp und Lühnrmann der Well:
„Wir werden Sozialdemokraten!"

Die „Post" folgt ihrem Chef sodann,

Daß er sie ferner halte,

Es folgt das Tauserschr Organ
Und Tante Voß, dir alte.

Der „Nrichsanzeigrr" sieht das Heil
Nun auf denselben Pfaden,

Und er verkündet im amtlichen Thril:
„Wir werden Sozialdemokraten!"

Und Jeden, der nicht frisch und frei
Den kühnen Sprung will wagen,

Den nimmt die Hohr Polizei
Ganz sicherlich beim Kragen,

Sperrt wegen groben Unfugs rin
Den bösen Inkulpalrn,

Vis er auch sich beeilt, zu fchrri'n:
„Wir werden Sozialdemokraten!"

Fabeln aus der Großstadt.

i.

An einer Straßenecke stand ein armer magerer
Droschkengaul und spitzte die Ohren. Denn er
hörte, wie eben ein Fahrgast seinem Herrn ein
ungewöhnlich hohes Trinkgeld in die Hand klingen
ließ. Aha, dachte der elende Klepper, der sich
stundenlang in der glühenden Sonnenhitze ab-
gerackert hatte, nun wird mir mein Herr wohl
von seinem reichen Gewinn mehr Heu und
Hafer zu fressen geben...!

Aber was geschah?

Der Kutscher trank sich einen Rausch an und
gab dem ermüdeten Gaul — mehr Prügel!

ii.

In dem ersten Gasthof der Residenz war ein
hoher Aristokrat abgestiegen. Er selbst schlief natür-
lich im vornehmsten Saale, während sein Diener
im Vorzimmer übernachtete. Dessen ungeachtet
war es einer jungen strebsamen Wanze gelungen,
bis zu dem Bette des Aristokraten oorzudringen.

Als sie dann zu ihren Brüdern zurückkam, gc-
berdete sie sich ungemein hochmüthig. „Ich bin besser
als Ihr — denn ich besitze jetzt blaues Blut!"

ui.

Ein Papagei hörte einmal zufällig, wie sein
Herr eine Majestätsbeleidigung ausstieß. Er hatte
nun nichts Eiligeres zu thun, als sie auswendig
zu lernen und sie einem vorübergehenden Schutz-
mann in die Ohren zu schreien. Natürlich wurde
der Herr sofort verhaftet.

„Nun werde ich den Lohn für meine Anzeige
bekommen", frohlockte der Papagei. Er wartete
und wartete — aber es kam Niemand, sein Herr
blieb monatelang in Untersuchungshaft — der
Papagei mußte elendiglich verhungern.
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