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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0219
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Vrobatum est.

Der lebeusüberdrüffige Lord Huddlestone hat schon die verschiedensten Selbst-
mordversuche gemacht, doch jedesmal ohne den gewünschten Erfolg. Einmal ist das
Gift zu schwach, ein anderes Mal zieht ihn ein Dienstmann aus dem Wasser. Eines
Tages klagt er einem Freunde, Lord Fuddlestone, sein Leid und fragt ihn, ob er
eine sichere Selbstmordart wüßte. Lakonisch erwidert dieser:

„Well! Fahren Sie nach Berlin und treten Sie dort Leutnant auf den Fuß!"

„Jacob" in der Kaserne.

Das ganze Bataillon war im Kasernenhof
vereinigt und die Soldaten gaben sich dort auf
Befehl ihrer Vorgesetzten allerlei nützlichen Be-
schäftigungen hin — sie warfen z. B. die Beine
vor sich in die Luft und stampften sodann mit
Wucht den Erdboden, um die zur Vertheidigung
des Vaterlandes so nothwendige Fertigkeit des
„Knie-Durchdrückens" zu erlernen; oder sie
kauerten reihenweise auf der Erde und schnellten
dann auf Befehl des Korporals in die Höhe, wie
Frösche, die Fliegen fangen wollen, oder sie liefen
auch einzeln hinter einander mit schnellen Schritten
herum und trugen die Flinten bald auf der
Achsel, bald an den Leib gepreßt und bald mit
zwei Händen, je nachdem der Korporal es wünschte.

Draußen an der Straße vor dem Lattenzaun
hatte sich ein Zuschauerpublikum versammelt,
welches der militärischen „Tanzstunde", wie ein
frivoler Spötter das Exerzitium nannte, mit
Interesse zuschaute.

Inzwischen ging aber, ohne daß die „tanzen-
den" Soldaten es ahnten, in der Kaserne selbst
eine wichtige Staatsaktion vor sich.

Mehrere Korporale und ein Offizier gingen
von Stube zu Stube und öffneten die Behälter,
in denen die Soldaten ihr Privateigenthum ver-
wahrten, um zu prüfen, ob etwa Einer sozial-
demokratische Schriften in die Kaserne einge-
schleppt habe.

Denn vom Kriegsministeriuin war strenger
Befehl gekommen, es sei die Einschleppung des
sozialistischen Giftes in die Kasernen durch
strengste Wachsamkeit zu verhüten.

Man fand hie und da einen Wurstzipfel,
einen Brief von der Grethel, Spielkarten, auch
wohl ein Zeitungspapier — aber gänzlich ohne
sozialistisches Gift.

Man glaubte schon, der Staat sei außer
Gefahr, da schrie plötzlich ein Korporal vor
Schreck fast subordinationswidrig laut auf, denn
seine Augen hatten etwas Entsetzliches erblickt....
frei auf dem Tische eines Mannschaftszimmcrs
lag eine Nummer des „Wahren Jacob", in welcher
obendrein durch ein buntes Bild der Militarismus
ganz respektswidrig verhöhnt wurde!

„Wer hat die sozialdemokratische Zeitung in
die Kaserne gebracht?" Diese Frage war in den
nächsten Stunden die Grundlage einer überaus
peinlichen Untersuchung. Das ganze Bataillon
mußte stramm stehen und in Vertretung des
Obersten, der momentan abwesend war, hielt der
älteste Offizier eine fulminante Strafpredigt an
die gottvergessene, sozialdemokratische Schriften
lesende Truppe, und schloß mit der Aufforderung,
der Verbrecher, der das Blatt eingeschleppt habe,
solle sich reuig selbst zur Bestrafung melden.

Es meldete sich aber Niemand.

Blieb die Herkunft des verdächtigen Blattes
vorläufig dunkel, so ergab die Untersuchung über
seine Verbreitung in der Kaserne um so über-
raschendere Resultate. In jedem Stockwerk, in
jedem Flügel der Kaserne hatte man seit gestern
die bunte Zeitungsnummer gesehen, aber doch
wollte sie Niemand weitergegeben haben. Es
war, als ob der „Wahre Jacob" persönlich trepp-
auf treppab gewandelt wäre, um die braven
Vaterlandsvertheidiger in ihren Zellen heimzu-
suchen.

Die Korporale fluchten; die Offiziere stellten
in Aussicht, das ganze Bataillon werde Kasernen-
arrest bekommen, so lange, bis man den Thäter
ermittelt habe, und der Feldwebel war so un-
vorsichtig, seine ganze Autorität für die kühne
Behauptung einzusetzen, er werde den Kerl,
der diesen Streich verübt habe, eigenhändig
frikassiren.

Es ertönte Hufschlag; ein Reiter sprengte in
den Kaserneuhof. Es war der Herr Oberst selbst.

Dieser ließ sich nun zunächst das in der
Kaserne gefundene und konfiszirte Blatt vor-
legen. Er stutzte und besah den „Wahren Jacob"
von allen Seiten. „Die Zeitung kenn' ich doch!"
murmelte er. Dann ließ er seinen Burschen
herbeirufen.

„Hast Du aus meiner Tasche etwas heraus-
genommen?"

„Zu Befehl, Herr Oberst", antwortete der
Bursche verblüfft.

„War es vielleicht dieses Blatt?"

„Zu Befehl, Herr Oberst."

„Und was hast Du damit gemacht?"

„Gelesen Hab' ich's, Herr Oberst."

„Und dann?"

„Hat es der Koch den Leute:: in der Küche
vorgelesen, Herr Oberst."

„Und was geschah weiter damit?"

„Jeniand hat es in die Mannschaftszimmer
geschleppt; ich Hab' es nicht mehr gesehen, Herr
Oberst."

„Also war ich selbst der Schuldige", sagte
der Oberst ganz zerknirscht zu seinem Adjutanten.
„Kaufe da kürzlich Abends in der Restauration
ein illustrirtes Blatt und werde in der Lektüre
gestört. Ich stecke das Blatt ein und das Weitere
haben wir eben gehört."

Der Verbrecher, der den „Jacob" in die
Kaserne gebracht hatte, war also entdeckt, es war
der Oberst selbst. Unter solchen Uiuständen wurde
die Untersuchung niedergeschlagen, die Arreststube
blieb leer, der Feldwebel srikassirte Niemanden,
und der Ausgang nach der Stadt wurde den
Soldaten am nächsten Sonntag nicht gewehrt.

Natürlich benützten denselben Viele, uni sich
schleunigst in den Besitz des so heftig verfolgten
Blattes zu setzen und es eifrig zu lesen, m. k.
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