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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0242
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3140

☆ ApVENT. * r*r ☆

von Karl Düker.

£in Mann saß in einsamer Kammer und
schrieb. Lr schrieb ein Buch, und aus dem
Buche loderten Klammen auf und dufteten
Blumen. Ls war ein Kluch und ein Gebet,
es verurtheilte und sprach los. Das Buch
ging hinaus in die Welt und erregte Schrecken
und Bewunderung, „wisset ihr nicht" — so
hieß es in dem Buche — „ihr vornehmen und
Gewaltigen dieser Welt, daß an den Mil-
lionen. die ihr in toller Lust verpraßt, der
Schweiß und das Blut eurer Brüder klebt, die
für euch im Krohndieuft arbeiten? Ihr macht
Gesetze, um das Volk zu knechten, das nach
Brot schreit, und eure Richter sprechen Blut-
sentenzen über arme Schächer, während der
vornehme Zünder frei ausgeht. In euern
Kirchen lästert ihr den Herrn, der den Frieden
verkündigte auf Erden, denn eure Gedanken
sind Mord und Blutvergießen, wisset ihr nicht,
daß schon die Axt au der Wurzel des Baumes
liegt, daß schon der Schnitter, die Lense wetzt
zur Lrnte? Steine gebt ihr dem Volke statt
Brot, statt Gerechtigkeit Willkür, statt der
Kreiheit das Zuchthaus. Aber die Lntrech-
teien werden ihr Erbe zurückfordern, das
nie verjährt, und eure Herrlichkeit wird wie
Spreu zerflattern vor dem Sturmhauch der
Kreiheit!"

Lolches und noch mehr hatte der Mann
geschrieben. Sein Buch war ein Lreiguiß. Ls
wurde in den Zeitungen gelobt als ein litera-
risches Meisterwerk, wenn auch die Tendenz
nicht zu billigen sei. wer zu den Gebildeten
zählen wollte, mußte das Buch gelesen haben.
In den Salons der vornehmen Welt bildete
es das Tagesgespräch. Die Damen waren
entzückt über den geistreichen Schriftsteller, die
Herren begeisterten sich für den kühnen Po-
lemiker. der „den Anderen" so energisch die
Wahrheit sagte. Man stritt sich, wie man das
Werk nennen solle; ist es eine Satire, ein
Roman, eine Streitschrift? Lin geistvoller
Journalist meinte, es sei ein geharnischtes
Idyll, und dies Wort machte die Runde;
der Verfasser war ein berühmter Mann ge-
worden.

Vb er das gewollt hatte? Line heilige
üiiffion sollte sein Buch erfüllen, statt dessen
— fand man es schön! Ueber der Form ver-
gaß man den Inhalt, über die bittersten Wahr-
heiten ging man mit süßlichen Redensarten
hinweg. Am den Armen im Geiste zu helfen,
hatte er sein Buch geschrieben und nun ergötzten
sich „geistreiche" Lassen daran, die das Schreiben
als Geschäft betrachteten.

In trübes Sinnen verloren ging der Mann
durch die Straßen. Heute war Weihnachts-
abend. Das Fest der Liebe, für ungezählte
Tausende ein Fest der Bitterkeit und Bekümmer-
niß. Immer weiter ging er. und immer weiter
spann er sich ein in das Retz zorniger und
schmerzvoller Gedanken. Da blitzten neben ihm
zwei hellerleuchtete Ken st er auf, er mußte un-
willkürlich Hinschauen. Da sah er ein Ghrist-
bäumchen hinter den Kenstern leuchten und zwei
Kinder schauten strahlend empor zu der Pracht.
Die Litern standen lächelnd daneben; beide
hatten tiefgefurchte Gesichter, aber ihre Augen
blickten so treu und fest, daß es dem Lauscher
hier außen warm ums Herz wurde. And jetzt
trat ein anderer Mann herein, jünger als die
beiden, eine herkulische Gestalt. Lr trug ein
dampfendes Gefäß in der Hand und setzte es
anf den Tisch. Dann brachte er Gläser aus
der Lcke hervor, die er aus dem Gefäß füllte.

Weiter war nichts zu sehen, denn die Vorhänge
wurden zugezogen; man hatte drinnen viel-
leicht unseren Kreund bemerkt. Der blieb noch
eine weile in tiefem Sinnen, er hörte die
Gläser leise aneinanderklingen und plötzlich tönte
es feierlich und markig an sein Vhr:

„wohlauf, wer Recht und Wahrheit achtet,

Zu uns'rer Kahne steht zu Häuf!
wenn auch die Lüg' uns noch umnachtet.

Bald steigt der Morgen hell herauf!

Lin schwerer Aampf ist's, den wir wagen.
Zahllos ist unsrer Keinde Schaar,

Doch ob wie Klammen die Hefahr
Mög' über uns zusammenschlagen,

Richt zählen wir den Keind,

Nicht die Gefahren all'.

Der Bahn, der kühnen, folgen wir.

Die uns geführt Lassall'."

Da schritt der Linsame weiter und sein
Herz ward froh. Lr wußte, das Volk der
Arbeit kannte sein Ziel, es kannte auch den
weg. Heute feiert es Weihnachten nach seiner
weise, es wird auch dermaleinst ein fröhliches
Vstern feiern.

Der neueste preußische Waisenknabe. -&***-

(Aach Ablehnung der Zuchthausvorlage.)

Monolog vor dem Reichstag.

Der ungeschützte Arbeitswillige: wat mach' ick nu? Aus der Aulturdeftille haben sie mir rausjeschmissen,
posadowsky is'n Ieizkrageu un jiebt nischt mehr, bleiben nur noch Mirbach, Alinckowström, Stumm un det
preußische Herrenhaus, die halten feile zu mir, — also auf nach dem Dö'nhofsplatz!
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