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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0019
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— 3161

„Mit Vorbedacht!"

Es rast der Nordwind durch den Wald
Und rauschend fallen dürre Blätter;

Rauh, melancholisch, trüb und kalt
Ist heut' das tolle Winterwetter!

Der Himmel sieht so düster drein.

Die Wolken hüllen schwarz ihn ein-

Die Windsbraut spielt den grausen Neigen
Und seltsam rauscht es in den Zweigen.

Durch die Lüste saust der eisige Nordiviud
und jagt im tollen Wirbel draußen den Schnee
über die Felder!

Es war ein Wintertag von der allerbesten
Art, der Horizont sah schwarz und düster aus
wie ein Bild der Verzweiflung! — Die Men-
Wert, denen ein Strahl des Erbarmens ins
Herz gelegt mar, lockten den Hund in das warme
Zimmer, denn die empörte Natur war in ihren:
vollen Elemente.

Auf der offenen, öden Landstraße wandert
ein junges Weib hinfällig und erschöpft auf dem
schneebedeckten Wege. Sie kann ungefähr zwanzig
Jahre zählen; ihre Schultern sind mit einem
wollenen Tuche bedeckt und in diesem Tuche trägt
sie ein Kind im Alter von zwei bis drei Monaten,
welches nur in wenige Lumpen gehüllt ist und
so den ersten Auftritt in der Tragödie dieses
Lebens beginnt.

Die matten und glanzlosen Augen des jungen
Weibes blicken suchend in die Ferne; — tiefe
Furchen des Elends sind in ihre Gesichtszüge
gezogen. — Diese Züge sind nicht häßlich,
aber jener kranke, schmerzliche Zug, der sich
über sie ausbrcitct wie ein Abbild der Sorge,
des Grams und des Weltschmerzes, zeigt uns,
daß der Sturm des Lebens sie tief ersaßt
haben muß.

Wohin führt dich dein Weg? Du weißt, wo-
her du kommst, aber du weißt nicht, wohin du
gehst! — Du kommst aus deinem Heimathsort
— — und das Vaterhaus hat dich in liebloser
Härle von sich gestoßen, denn du bist eine —
„Gefallene!"

Und nun liegt vor deinen zagenden Blicken
die öde, weite Welt, bedeckt mit einem uner-
meßlichen Leichentuch.

Todtenstille ringsum!-Das erschöpfte

Mädchen ist einer Ohnmacht nahe. Am Rande
der Straße bietet der Tannenwald etwas Schutz.
Sie setzt sich auf einen gestürzte» Baum und
beginnt heißhungrig ein Stückchen Brot zu ver-
zehren.

Das Kind im Tuche fängt an zu schreien!
Sie legt's an ihre Brust, aber diese Mutterbrust
ist kalt und starr und die kleinen Lippen des
Knaben sind blau und haben keine Kraft mehr:
es ist ein namenloses und unbeschreibliches mensch-
liches Elend! ,

Das Mädchen bricht m Wehklagen aus, aber
kein menschliches Ohr verninnift diesen Jammer!
Sie muß sehen, wie ihr Kind verkümmert und
verdirbt, sie verzweifelt an Gott und an der
ganzen Menschheit — ~ cin entsetzlicher Ge-
danke erfaßt sic: sie muß sich ihreo Kindes

entledigen! . .

- — Es ist über sie gekommen m den
Schaiiern des Wahnsinns, denn ihre Dmne
sind erkrankt im Fieber und sie kann nicht mehr
klar ihr Schicksal übersehen.

Am Waldrand liegt ein Hansen zerschlagener
Steine. Sie entfernt eine Anzahl derselben >n
der Weise, daß eine Vertiefnirg entsteht. In dics-
legt sie das noch lebende Kind, und obgleich ev
schreiend der Mutter die blaugefrorenen Aermchen
entgegenstreckt: es muß den Mord über sich er-
gehen lassen. Dann deckt sic wieder mit fiebernder
Hast die Steine über das kleine Grab und bald
-ja bald wird es still unter dem eisig-

Einige häßliche, schwarze Schneeraben um-
kreisen den Tannenwald und krächzen heiser das
Sterbelied!

Wie von Furien gepeitscht verläßt das Mäd-
chen die Stätte der That! War sie eben fast noch
ohnmächtig, so eilt sie jetzt wie von Dämonen
verfolgt über die Landstraße und gelangt bis
in das nächste Dorf. — Hier wird sie in Folge
ihrer wirren Reden anfgegriffen und in das
Armenspital gebracht, wo sie ein schweres, ner-

vöses Fieber zu überstehen hat. Als sie nach
langer Krankheit genesen ist, wandert sie an der
Seite eines Gendarmen zur Stadt, um in das
Gefängniß abgeliesert zu werden, da die That
inzwischen entdeckt worden ist.

Einige Wochen später lesen ivir iin Lokal-
anzeiger der Stadt, daß die ledige Marie N. N.
wegen eines mit Vorbedacht und Ueberlegung
ausgeführten Kindesmordes zu einer vierjährigen
Zuchthausstrafe verurtheilt worden ist! n.

^ Aus Pultkamerun,

Stück? — Unsinn!

Der Junker:

tzufeisen muß der Nensch haben.

kalten Gestein!
 
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