3176
-*• AuK den schwarzen Diamanten-Gruven. °^-
Und sie stiegen herauf aus dem gähnenden Schacht,
Ans der ewigen, schwadengeschwängerten Macht,
Lum Grauen der Schinder und Dränger,
And sie hielten die rußigen Fäuste dicht
Den allmächtigen Herrn vor das Weiche Gesicht
And sie knirschten: „Wir rragens nicht länger!"
Man meinte da oben, sie wären dumm,
Entnervt und gekrochen, dieweil sie stumm -
Sie würden in Ewigkeit dulden,
Es fehle zum Wagen, zum Bitten der Muth,
Man dürfe der zitternden Sklaven Blut
Verwandeln in klingende Gulden.
Mun wohl, sie schienen ergeben und stumpf,
Doch in den Tiefen, da gährte es dumpf,
Da gefror der Haß in den Mienen,
Da hämmerte sagender Herzen Schlag
Die Frage, die furchtbare, Macht und Tag:
„Sind Menschen wir oder Maschinen^"
And wie mit des schlagenden Wetters Stoß
Bricht es urplötzlich erschütternd los
Im Bohmerland und in Mähren:
„Euch ist das Leben ein Nausch, ein Genuß -
Sa gebt uns so viel von dem Aeberfluß,
Am die hungernde Brut zu ernähren!"
And wären sie noch so blasirt und kühl,
Aufreißen müßte vom Daunenpfühl
Des Machts sie der Tausende Stöhnen;
Es müßte durch Tafelmusik und Thor
Wie rollender, grollender Donner ins Ghr
Der Fluch der Verzweifelnden dröhnen.
M den Hütten der Armuth fehlt schon das Brat,
Allstündlich wächst die erdrosselnde Math,
Die Kein Mitleid kennt und kein Schonen;
Es fallen die blutigen Thränen dicht,
Sie fallen auf's Haupt mit des Vlei's Gewicht
Den schlemmenden Kohlenbaronen.
Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.
Der rothe Schmied. Gedicht. (Jllustrirt.) — Die Un-
verbesserlichen. Gedicht. — Das Kostümfest. — Die vorüber-
gehende Erscheinung. — Weltpolitische Abenteuer im Jahre 1910.
Von unserm eigenen Münchhausen. — Zur Affaire Neutze. —
St. Christoforus. (Illustration.) — „Majestät gruselt es" und
„Majestät ist wieder fidel". (Jllustrirt.) — Politische Aphoris-
men. — Die Göttin der Geschichte. — Gut übersetzt.
Blihdraht - Meldungen.
Berlin. Das Dienstpersonal des ReichStagSgebäudeS ist
zu verdoppelter Wachsamkeit ermahnt worden, weil verlautet,
daß die Konservativen den Regierungstisch und sämmtliche
Ministersessel stehlen wollen.
— Die „Goldene Hundertzehn" hat sich erboten, dem
Reichsmarineamt die für die Flottenvermehrung nöthigen
Uniformen auf Pump zu liefern. Man hofft, daß diese
patriotische That alle Flottengegner entwaffnet.
Dresden. Man geht mit dem Plane um, die Heraus-
gabe vonZeitungen auf Grund des Groben-Unfug-Paragraphen
zu verbieten, weil durch Zeitungen häufig Aergerniß er-
regt wird.
Wien. Das Hosjournal verbreitet sich des Längeren
über den kaiserlichen Ausspruch, daß „die Intelligenz an
Allem schuld sei". Da der Kohlengrubenstreik nun zu den
intelligentesten Handlungen der böhmischen Arbeiter zu zählen
ist, so wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Ab-
schaffung der Volksschule. Dann kann die Dummheit ruhig
weiter machen.
Der radikale Aunker.
Er war blastrk bis zum Exxrss,
Der Iunkrr Heinz von Porkrles.
Nichts freut' ihn mehr aus Herzensgrund,
Kein Rassepferd, kein Vorstehhund.
Es schuf die Jagd ihm kein Plaister,
Nicht fand er Trost bei Wein und Vier,
Das Spiel erregte ihn nicht mehr,
Sogar die Weiber hasste er.
„Ich brauch' etwas, was mich erregt",
So sprach er, „was mich tief bewegt,
Was mir mit Schreck und Grauen droht,
Sonst, wahrlich, fchiess' ich bald niich todt."
Und dieses Mittel nun er fand
Und hat es kräftig angewandt,
Zum Zweck der Nerven-Fffektion
Bekämpft er Kanzler, Hof und Thron.
Bis auf die Knochen sonst feudal,
Ward er nun plötzlich radikal
Und infzenirl, entschlossen kurz,
Den grässlichsten Ministersturz.
Das reizt ihn, das erfrischt fein Herz.
Wenn die Minister voller Schmerz;
Das regt ihn auf! Da« ist ein Sport
Von felt'nrr Nr! — das freie Wort!
In Oesterreich macht man es mit der Ver-
fassung wie mit dein Hunde, dem der Schwaitz
amputirt werden soll: man schneidet ihn stück-
weise ab, damit 's nicht so weh thun soll.
Es ist schon mancher Beamte frühzeitig pen-
sionirt worden, weil er mehr Charakter besessen
hat, als Ulan ihn: „oben" zutraute.
Beim Gastmahl des Lebens ist der Zufall
der Hausherr. Er lädt an seinen vollen Tisch
Jeden ein, der ihin gerade in den Wurf kommt.
Alles Schlechte und Schädliche wird init der
Zeit ausgerottet. Nur gegen den Tod, gegen den
Polizeisäbel und gegen den deutschen Amtsstil
scheint es keine Abhilfe zn geben.
Wenn die Hierarchie heute noch dieselbe Macht
wie im Mittelalter hätte, — so hätte auch heute
noch jedes Dorf seinen Scheiterhaufen.
Ein Richter erledigt in ivcnigen Stunden,
was die Menschheit in Jahrtausenden nicht weg-
zuschaffen verinochte: die Tragödie des Verbrechers.
Roth bricht Eisen. Vielleicht bricht sie auch
einmal die eisernen Stirnen Derer, die hohn-
lachend über alle Roth der Erde hinweggehen.
Wer dem Volke schon kein Brot zu geben
vermag, der soll ihm von seinem Geiste geben.
Das ist das Brot der Freiheit.
Was Dein gutes Recht ist, das sollst Du
nicht als Gnade empfangen»
Die Sprache ist ungerecht. Im byzantinischen
Reiche ist während seines fast tausendjährigen Be-
standes nicht so viel Byzantinismus getrieben
worden, wie in Deutschland blos während der
letzten Jahrhunderte!
In politisch bewegten Zeiten ist das größte
Verbrechen das: ein färb- und gesinnungsloser
Tugendbold zu sein.
In Deutschland, wo die Junker ihre Köche
und Jockeys höher honoriren als ihre Hauslehrer,
wird die Bildung einstweilen nicht hoffähig wer-
den. Wo aber eine Kraft ist, da ist auch immer
nach irgend einer Seite hin eine Geltendmachung
dieser Kraft. Vielleicht kommt die Barriere, die
man von oben her dem Geiste entgegensetzt, der
Durchgeistigung nach unten hin, d. h. der Durch-
bildung des Volkes, zu gute. Sie säen Dornen,
wir aber werden Rosen ernten, und daun werden
unsere Rosen sie mit Dornen ritzen.
-*• AuK den schwarzen Diamanten-Gruven. °^-
Und sie stiegen herauf aus dem gähnenden Schacht,
Ans der ewigen, schwadengeschwängerten Macht,
Lum Grauen der Schinder und Dränger,
And sie hielten die rußigen Fäuste dicht
Den allmächtigen Herrn vor das Weiche Gesicht
And sie knirschten: „Wir rragens nicht länger!"
Man meinte da oben, sie wären dumm,
Entnervt und gekrochen, dieweil sie stumm -
Sie würden in Ewigkeit dulden,
Es fehle zum Wagen, zum Bitten der Muth,
Man dürfe der zitternden Sklaven Blut
Verwandeln in klingende Gulden.
Mun wohl, sie schienen ergeben und stumpf,
Doch in den Tiefen, da gährte es dumpf,
Da gefror der Haß in den Mienen,
Da hämmerte sagender Herzen Schlag
Die Frage, die furchtbare, Macht und Tag:
„Sind Menschen wir oder Maschinen^"
And wie mit des schlagenden Wetters Stoß
Bricht es urplötzlich erschütternd los
Im Bohmerland und in Mähren:
„Euch ist das Leben ein Nausch, ein Genuß -
Sa gebt uns so viel von dem Aeberfluß,
Am die hungernde Brut zu ernähren!"
And wären sie noch so blasirt und kühl,
Aufreißen müßte vom Daunenpfühl
Des Machts sie der Tausende Stöhnen;
Es müßte durch Tafelmusik und Thor
Wie rollender, grollender Donner ins Ghr
Der Fluch der Verzweifelnden dröhnen.
M den Hütten der Armuth fehlt schon das Brat,
Allstündlich wächst die erdrosselnde Math,
Die Kein Mitleid kennt und kein Schonen;
Es fallen die blutigen Thränen dicht,
Sie fallen auf's Haupt mit des Vlei's Gewicht
Den schlemmenden Kohlenbaronen.
Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.
Der rothe Schmied. Gedicht. (Jllustrirt.) — Die Un-
verbesserlichen. Gedicht. — Das Kostümfest. — Die vorüber-
gehende Erscheinung. — Weltpolitische Abenteuer im Jahre 1910.
Von unserm eigenen Münchhausen. — Zur Affaire Neutze. —
St. Christoforus. (Illustration.) — „Majestät gruselt es" und
„Majestät ist wieder fidel". (Jllustrirt.) — Politische Aphoris-
men. — Die Göttin der Geschichte. — Gut übersetzt.
Blihdraht - Meldungen.
Berlin. Das Dienstpersonal des ReichStagSgebäudeS ist
zu verdoppelter Wachsamkeit ermahnt worden, weil verlautet,
daß die Konservativen den Regierungstisch und sämmtliche
Ministersessel stehlen wollen.
— Die „Goldene Hundertzehn" hat sich erboten, dem
Reichsmarineamt die für die Flottenvermehrung nöthigen
Uniformen auf Pump zu liefern. Man hofft, daß diese
patriotische That alle Flottengegner entwaffnet.
Dresden. Man geht mit dem Plane um, die Heraus-
gabe vonZeitungen auf Grund des Groben-Unfug-Paragraphen
zu verbieten, weil durch Zeitungen häufig Aergerniß er-
regt wird.
Wien. Das Hosjournal verbreitet sich des Längeren
über den kaiserlichen Ausspruch, daß „die Intelligenz an
Allem schuld sei". Da der Kohlengrubenstreik nun zu den
intelligentesten Handlungen der böhmischen Arbeiter zu zählen
ist, so wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Ab-
schaffung der Volksschule. Dann kann die Dummheit ruhig
weiter machen.
Der radikale Aunker.
Er war blastrk bis zum Exxrss,
Der Iunkrr Heinz von Porkrles.
Nichts freut' ihn mehr aus Herzensgrund,
Kein Rassepferd, kein Vorstehhund.
Es schuf die Jagd ihm kein Plaister,
Nicht fand er Trost bei Wein und Vier,
Das Spiel erregte ihn nicht mehr,
Sogar die Weiber hasste er.
„Ich brauch' etwas, was mich erregt",
So sprach er, „was mich tief bewegt,
Was mir mit Schreck und Grauen droht,
Sonst, wahrlich, fchiess' ich bald niich todt."
Und dieses Mittel nun er fand
Und hat es kräftig angewandt,
Zum Zweck der Nerven-Fffektion
Bekämpft er Kanzler, Hof und Thron.
Bis auf die Knochen sonst feudal,
Ward er nun plötzlich radikal
Und infzenirl, entschlossen kurz,
Den grässlichsten Ministersturz.
Das reizt ihn, das erfrischt fein Herz.
Wenn die Minister voller Schmerz;
Das regt ihn auf! Da« ist ein Sport
Von felt'nrr Nr! — das freie Wort!
In Oesterreich macht man es mit der Ver-
fassung wie mit dein Hunde, dem der Schwaitz
amputirt werden soll: man schneidet ihn stück-
weise ab, damit 's nicht so weh thun soll.
Es ist schon mancher Beamte frühzeitig pen-
sionirt worden, weil er mehr Charakter besessen
hat, als Ulan ihn: „oben" zutraute.
Beim Gastmahl des Lebens ist der Zufall
der Hausherr. Er lädt an seinen vollen Tisch
Jeden ein, der ihin gerade in den Wurf kommt.
Alles Schlechte und Schädliche wird init der
Zeit ausgerottet. Nur gegen den Tod, gegen den
Polizeisäbel und gegen den deutschen Amtsstil
scheint es keine Abhilfe zn geben.
Wenn die Hierarchie heute noch dieselbe Macht
wie im Mittelalter hätte, — so hätte auch heute
noch jedes Dorf seinen Scheiterhaufen.
Ein Richter erledigt in ivcnigen Stunden,
was die Menschheit in Jahrtausenden nicht weg-
zuschaffen verinochte: die Tragödie des Verbrechers.
Roth bricht Eisen. Vielleicht bricht sie auch
einmal die eisernen Stirnen Derer, die hohn-
lachend über alle Roth der Erde hinweggehen.
Wer dem Volke schon kein Brot zu geben
vermag, der soll ihm von seinem Geiste geben.
Das ist das Brot der Freiheit.
Was Dein gutes Recht ist, das sollst Du
nicht als Gnade empfangen»
Die Sprache ist ungerecht. Im byzantinischen
Reiche ist während seines fast tausendjährigen Be-
standes nicht so viel Byzantinismus getrieben
worden, wie in Deutschland blos während der
letzten Jahrhunderte!
In politisch bewegten Zeiten ist das größte
Verbrechen das: ein färb- und gesinnungsloser
Tugendbold zu sein.
In Deutschland, wo die Junker ihre Köche
und Jockeys höher honoriren als ihre Hauslehrer,
wird die Bildung einstweilen nicht hoffähig wer-
den. Wo aber eine Kraft ist, da ist auch immer
nach irgend einer Seite hin eine Geltendmachung
dieser Kraft. Vielleicht kommt die Barriere, die
man von oben her dem Geiste entgegensetzt, der
Durchgeistigung nach unten hin, d. h. der Durch-
bildung des Volkes, zu gute. Sie säen Dornen,
wir aber werden Rosen ernten, und daun werden
unsere Rosen sie mit Dornen ritzen.