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Deutschland in Nizza.
lZwei Damen in reichen Kostümen treffen sich auf der Strand-
Promenade.)
Madame K.: Wir treffen uns doch heute
Abend in der Oper?
Gräfin v. M.: Gewiß! Uebrigens 250 Fran-
k e n für eine Loge pro Abend ist doch etwas theuer...
Madame K.: Bah, mein Mann sagt, durch
die Flottenvergrößerung verdient er in einer
Stunde so viel!
Gräfin v. M.: Sieh an — und meiner sagte,
wenn durch die neuen Handelsverträge wieder die
Kornzölle erhöht würden, brächte ihm jeder
Waggon Getreide 250 Franken mehr ein.
Schlau.
In Rcuß ä. L. dürfen keine politischen Ver-
eine existiren. Was nützt da den Reußenländern
die Aufhebung des Verbindungsverbots ? Die Sache
kommt mir gerade so vor, als ob man der Ana-
tomie verbietet, andere Leichen, als die von Hin-
gerichteten, zu seziren, und dann gleichzeitig die
Todesstrafe abschafft. O.
Der Todke von Leutkirch.
Sine wahrhaftige Tragikomödie in drei Bildern.
Mitgetheilt von vier Walzbrüdern.
^zene: Scheune, auf der Streu liegt ein todter Handwerks-
bursche.)
. ^'Zt (die Untersuchung beendend): Der ist mause-
15 0 den könnt Ihr begraben lassen.
Am Aschermittwoch.
Vfni Deibel!
Büttel: Wora ischt denn der Handwerks-
bursch gschtorbc, Herr Doktor?
Arzt: An leerein Blagen, Büttel. (Ab.)
Büttel: Den sollt' mer nach Tübingeschicke,*
Herr Schuttes, da verschpare mer dia Koschte
für's Begräbniß.
Schultheiß: Hascht Recht, Büttel, ivenn ein
d'r Pfarrer koin Platz aweisa will uff ein Gotts-
ackcr, no schaffet mer'n äba noch Tübinga. Gang
übrigens a'mol nüber zum Pfarrer, Chrischtof,
ond schwätz mit dem über den Fall. Dös sag d'r
aber glci: wenn er den Todta net oinasonscht
begraba lass« will, no breng »o glei' da Tupfer-
Frieder mit, daß er no en dera Nacht mit d'r
Leich Tübinga zua fahra ka. (Alle ab.)
* In Württemberg schickt man die Leichen von Selbst-
mördern, Armen ec., falls sich keiner findet, der die Begrübniß-
kosten bezahlt, nach Tübingen aus die Anatomie.
II.
(Szene: Wirthshaus an der Landstraße.)
Tupfer-Frieder (nnterhiH sich mit vier Hand-
werksburschen): Ond i sag's Euch frischweg: so
kommt dia G'schicht theurer, als wenn d'r Pfarr'
den arina Teufel oinasonscht begraba halt'. I!o,
mir ischt's gleichgültig, i fahr heut a Kalb, morga
a Rind, worom soll i net au amol en todta
Handwerksburscha nach Tübinga führa. (Ab.)
Der Bayer: A Schand is, wie's niit Unser
Oanen uingehn, wann ma lobt is! A Spott un
a Schand is cs! Mueß ma auch nach'm Tod
noch den Studenten zuni Ulk herhalten! Pfui Teisi!
Die Leiche wird gestohlen.
Der Sachse: Nu wceß ich wärklich nich, ivas
dadermit dc Weechmiethigkeet zu thun hat. Ich bin Sc
Addeist, mir is 's egal, ob se nach mei'in Dod mich
begraben, verbrennen oder in de Worscht hacken!
Der Preuße: Still, Sachse, der Fall liegt
anders. In dem Tobten entwürdigt die Gesell-
schaft unsere Klasse, unsere Menschenrechte. Der
Todte gehört uns. Wir ziehen miteinander nach
Tübingen und protestiren bei der Fakultät gegen
die Vergewaltigung.
Der Ungar: Nix da, Frainde, ich weiß bes-
seres Mittel; wir wollen stehlen die Leich! Droben
im Wald hole ich lobten Kameraden vom Wagen.
Fuhrmann merkt Nix! Dann begraben wir feier-
lich Bruder unseren unter Bäumen und Laub.
(Alle reichen zum Einverständniß dem Bruder Ungar die Hand.)
III.
Das Begräbniß int Walde.
Epilog.
Der alte Herr: Na, wohin hast Du denn
den verhungerten Handwerksburschen gebracht?
Petrus: Ins Parterre. Er hat einen schönen
Platz gekriegt. Ich möchte Dich aber bitten, daß
ich für die braven vier Handmerksburschen, die
ihrem Kollegen ein so schönes christliches Be-
gräbniß bereitet haben, schon jetzt die Plätze rescr-
viren darf.
Der alte Herr (lachend): Vorläufig werden
Sie's nicht so eilig haben, zu uns zu kommen.
Aber die Plätze darfst Du ihnen reserviren. —
Deutschland in Nizza.
lZwei Damen in reichen Kostümen treffen sich auf der Strand-
Promenade.)
Madame K.: Wir treffen uns doch heute
Abend in der Oper?
Gräfin v. M.: Gewiß! Uebrigens 250 Fran-
k e n für eine Loge pro Abend ist doch etwas theuer...
Madame K.: Bah, mein Mann sagt, durch
die Flottenvergrößerung verdient er in einer
Stunde so viel!
Gräfin v. M.: Sieh an — und meiner sagte,
wenn durch die neuen Handelsverträge wieder die
Kornzölle erhöht würden, brächte ihm jeder
Waggon Getreide 250 Franken mehr ein.
Schlau.
In Rcuß ä. L. dürfen keine politischen Ver-
eine existiren. Was nützt da den Reußenländern
die Aufhebung des Verbindungsverbots ? Die Sache
kommt mir gerade so vor, als ob man der Ana-
tomie verbietet, andere Leichen, als die von Hin-
gerichteten, zu seziren, und dann gleichzeitig die
Todesstrafe abschafft. O.
Der Todke von Leutkirch.
Sine wahrhaftige Tragikomödie in drei Bildern.
Mitgetheilt von vier Walzbrüdern.
^zene: Scheune, auf der Streu liegt ein todter Handwerks-
bursche.)
. ^'Zt (die Untersuchung beendend): Der ist mause-
15 0 den könnt Ihr begraben lassen.
Am Aschermittwoch.
Vfni Deibel!
Büttel: Wora ischt denn der Handwerks-
bursch gschtorbc, Herr Doktor?
Arzt: An leerein Blagen, Büttel. (Ab.)
Büttel: Den sollt' mer nach Tübingeschicke,*
Herr Schuttes, da verschpare mer dia Koschte
für's Begräbniß.
Schultheiß: Hascht Recht, Büttel, ivenn ein
d'r Pfarrer koin Platz aweisa will uff ein Gotts-
ackcr, no schaffet mer'n äba noch Tübinga. Gang
übrigens a'mol nüber zum Pfarrer, Chrischtof,
ond schwätz mit dem über den Fall. Dös sag d'r
aber glci: wenn er den Todta net oinasonscht
begraba lass« will, no breng »o glei' da Tupfer-
Frieder mit, daß er no en dera Nacht mit d'r
Leich Tübinga zua fahra ka. (Alle ab.)
* In Württemberg schickt man die Leichen von Selbst-
mördern, Armen ec., falls sich keiner findet, der die Begrübniß-
kosten bezahlt, nach Tübingen aus die Anatomie.
II.
(Szene: Wirthshaus an der Landstraße.)
Tupfer-Frieder (nnterhiH sich mit vier Hand-
werksburschen): Ond i sag's Euch frischweg: so
kommt dia G'schicht theurer, als wenn d'r Pfarr'
den arina Teufel oinasonscht begraba halt'. I!o,
mir ischt's gleichgültig, i fahr heut a Kalb, morga
a Rind, worom soll i net au amol en todta
Handwerksburscha nach Tübinga führa. (Ab.)
Der Bayer: A Schand is, wie's niit Unser
Oanen uingehn, wann ma lobt is! A Spott un
a Schand is cs! Mueß ma auch nach'm Tod
noch den Studenten zuni Ulk herhalten! Pfui Teisi!
Die Leiche wird gestohlen.
Der Sachse: Nu wceß ich wärklich nich, ivas
dadermit dc Weechmiethigkeet zu thun hat. Ich bin Sc
Addeist, mir is 's egal, ob se nach mei'in Dod mich
begraben, verbrennen oder in de Worscht hacken!
Der Preuße: Still, Sachse, der Fall liegt
anders. In dem Tobten entwürdigt die Gesell-
schaft unsere Klasse, unsere Menschenrechte. Der
Todte gehört uns. Wir ziehen miteinander nach
Tübingen und protestiren bei der Fakultät gegen
die Vergewaltigung.
Der Ungar: Nix da, Frainde, ich weiß bes-
seres Mittel; wir wollen stehlen die Leich! Droben
im Wald hole ich lobten Kameraden vom Wagen.
Fuhrmann merkt Nix! Dann begraben wir feier-
lich Bruder unseren unter Bäumen und Laub.
(Alle reichen zum Einverständniß dem Bruder Ungar die Hand.)
III.
Das Begräbniß int Walde.
Epilog.
Der alte Herr: Na, wohin hast Du denn
den verhungerten Handwerksburschen gebracht?
Petrus: Ins Parterre. Er hat einen schönen
Platz gekriegt. Ich möchte Dich aber bitten, daß
ich für die braven vier Handmerksburschen, die
ihrem Kollegen ein so schönes christliches Be-
gräbniß bereitet haben, schon jetzt die Plätze rescr-
viren darf.
Der alte Herr (lachend): Vorläufig werden
Sie's nicht so eilig haben, zu uns zu kommen.
Aber die Plätze darfst Du ihnen reserviren. —