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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0052
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—3194


Unsere Toöten. ^

So oft tut März aus unsrer Kämpfer tzügeln
Vas junge Gras in zarten Spitzen dringt
Und auf dem Ast mit leicht gehobnen Flügeln
Ihr Abendlied die schwarze Drossel singt,

Tritt unser Volk im Geist in tiefem Schweigen
An diese Gräber, die ihm heilig sin-,

Und unsre Fahnen, die sich grüßend neigen,

Sie rauschen ernst im lauen Frühlingswind.

Ob sie für uns im Kampsgewühl gefallen,

Die treue Büchse in der starken Hand,

Ob man durch Schergen nieder sie ließ knallen
In eines stillen Festungsgrabens Sand,

Ob sie des Kerkers feuchte Nacht umflossen,

Als sich ihr Auge schloß dem ew'gen Licht —
<Es hat das Volk sie in sein Herz geschlossen
Und das vergißt die tapsern Todten nicht.

Ls ziemt sich schlecht, dem Schmerz um sie zu wehren,
Die fallend uns zuerst die Bahn gehau'n;

Doch will das Volk die treuen Todten ehren
In ihrem Sinn, so muß es vorwärts schau'n;
Der Vorwärtsmarsch für unsre große Sache,

Die auch dem Schwächsten Selbstgefühl verleiht,
Lr ist die schönste, ist die beste Rache,

Die man den Opfern jener Tage weiht.

So oft -er Kranz von palissaden splittert,

Aus den die Axt -er Stürmer niedersaust,

So oft die Macht in den Palästen zittert,

Schlägt an das Thor des Volks geballte Faust,
So oft ein Stein sich lockert in der Mauer,

An der sein Leben Mancher schon verlor,

Geht's durch die Gräber wie ein Freudenschauer
Und unsre Todten richten sich empor.

In seine Seele fällt ein dunkler Schatten
Und betten möcht' es tief und weich und lind
Den raschen Jüngling und den ernsten Gatten,
Der sich verblutet fern von Weib und Kind.
In Blumen möcht' es all die Gräber hüllen
In seiner Dankbarkeit und seinem Schmerz
Und Weh und Zorn und Bitterkeit erfüllen
Und echter Gram -es Volkes großes Herz.

Sin- auch die Hügel langsam eingesunken,

Drückt aus die Asche auch der Gr-e Last,

Die Lingescharrten waren sreiheitstrunken
Und solche Todte finden keine Rast.

Ls scheucht empor aus ihren stillen Grüften
Sie waffenklirren und -er Roste Huf
Und mit uns ziehn sie ungesehn in Lüsten
Und „Vorwärts, Brüder, vorwärts!" hallt ihr Ruf.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Zum 18. März. Von Wilhelm Liebknecht. — Warum?
Skizze von Ilse Frapan. (Jllustrirt.) — Die rothe Fahne.
Gedicht von R. L. — Das verräterische Bild. Von Detlev
Roberty. — Schnee. Gedicht von M. E. — Frühlingslied.
Von Friedrich Stoltze. (Jllustrirt.) — Auf einem preußischen
Bahnhof. (Illustration.)

Blihdraht - Meldungen.

Berlin. Miquel hat während seiner letzten Krankheit
die Waarenhaussteuer ausgearbeitet. In allen Syna-
gogen werden Fürbitten geleistet, daß Miquel nicht sobald
wieder krank werden möge.

— Der diesjährige Schillerpreis für hervorragende Leist-
ungen auf der Schaubühne wurde dem Fräulein Lona Barrison
verliehen.

— Der Kunstmüller Blank aus Württemberg hat neulich
im Zirkus Busch das Verlangen nach billigem Brot für eine
Sünde gegen den deutschen Getreidebau erklärt. Blank macht jetzt
bekannt, daß derjenige, der in Brot und Semmeln schwelgen
will, dafür blechen soll. Das Blech will Blank gratis liefern.

New York. In einem Hause der 5. Avenue zu New
Jork wurde der Weinreiseude Lehmann aus Meseritz, Ver-
treter der Firma Schmierer & Panischer in Rüdesheim, hinaus-
geworfen. Solche Frechheit würde den dollarwüthigen Pankees
gründlich vergehen, wenn einmal Deutschland eine genügende
Seemacht zum Schutze des deutschen Handels besitzt.

London. Im Ostend wurde der Handelsmann Schmul
Feigenstiel aus Posen von Matrosen verhauen, weil er ihnen
Jacken als solide Maare verkauft hatte, die schon nach wenigen
Tagen Lumpen waren. Wer könnte angesichts solcher Aus-
brüche von Deutschenhaß bei dem übermüthigen John Bull
noch die Nothwendigkeit einer starken Flotte zum Schutze
unseres Handels ernstlich bestreiten?

In L)eddo (Japan) wurde ein Hamburger Rheder von
einem Geschäftsfreund in ein Freudenhaus geführt, von wo
er mit einem bösen Nebel behaftet zurückkehrte. Auch dieser
Fall spricht sehr für eine Verstärkung unserer Kriegsflotte.

Oberste Regel.

Wenn sie bestrebt, die Taschen dir zu leeren,
Dich unversehens an der Gurgel fassen,

Dann mußt du dich aus Leibeskräften mehren
Und mußt dich nur auf eigne Kraft verlassen.

Wer stets bereit ist, muthig sich zu stellen
Und mit der Faust den Dränger zu empfangen,
Der wird auch von den rüdesten Gesellen
In weitem Bogen voll Respekt umgangen.

Fastenpredrgt.

Thue Buße, o sündige Welt, denn die Fasten-
zeit ist gekoinmen und die lex Heinze steht vor
der Thüre. Die Schiffe brauchen Panzer, um
ihren Leib zu umhüllen und das Zentrum braucht
eine Kuhhaut, um sich bei der Flottenbewilligung
keine Blöße zu geben.

Thuet Buße und streuet Asche auf Eure
Häupter und streuet „Asche" auch in den Reichs-
säckel, dannt er jeden von Kriegsschiffen ent-
blößten Meerbusen nüt einem Geschwader be-
decken und aus jeder nackten Klippe im -Ozean
eine Flagge hissen kann.

Es ist die Zeit des Fastens — denn wir
brauchen ein paar Milliarden Märklein für die
Schlachtflotte. Wo sollen sie Herkommen, wenn
der Deutsche fortfährt, Bier zu trinken, Wurst
und Fleisch zu essen und seine Pfeife zu rauchen?
Esset weniger, dann könnt Ihr das Wenige theurer
bezahlen und der Staat kann für den Aufschlag
Schiffe bauen. Trinket kein Bier mehr, sondern
Schnaps, damit Deutschland groß sei zu Wasser;
rauchet schlechteren Tabak, damit den Dampf-
schlöten der Kriegsschiffe der Rauch nicht aus-
gehe. Statt Schweinebraten zu essen, gehet hin
und opfert dem Schweinburg Eure Nickel; statt
Euch dann und ivann einen flotten Tag zu machen,
sparet jeden Tag für die Flotte.

Fasten ist die Losung — darum soll sich auch
kein Bergmann über zu niederen Lohn beschweren.
Im Gegentheil, wenn sich die Grubenbarone nicht
zu einer Lohnherabsetzung bequemen wollen, dann
soll der Arbeiter so lange streiken, bis die Löhne
heruntergesetzt sind. Einen solchen Streik werden
die Regierungsbeanltcn gern sehen und sie werden
nicht den kleinen Belagerungszustand verhängen,
um die Streikenden zu drangsaliren.

Wehe aber, wenn ein Kohlenbergmann Lohn-
erhöhung fordert! Das ist eine Auflehnung gegen
die staatliche und gesellschaftliche Ordnung, denn

es stehet geschrieben in den Prospekten der Aktien-
gesellschaften, daß der Aktionär hohe Dividende,
der Direktor hohe Tantieme, das Publikum hohe
Kohlenpreisc und der Arbeiter hohe Strafe für
Unbotmäßigkeit haben sollen. Wehe dem Berg-
mann, der eine Verkürzung der Schicht fordert
und damit die Verkürzung der Dividende be-
wirken will; er muß den Frevel mit einer Ver-
kürzung seines Koalitionsrechts büßen. Die Polizei-
stunde, Polizeiaufsicht und sonstiger Polizeisegen
wird so reichlich über ihn verhängt, daß er gern
in des Bergwerks ewige Nacht zurückkehrt, wo
wenigstens kein Gendarm seine Nachtruhe stüit.

Rater Reeeavi.

Das Neueste.

Nachdem in Sachsen-Weimar nicht nur alle
Versammlungen, sondern auch politischeSprech-
stunden verboten werden, dient als letztes Mittel
zum Verkehr zwischen Wählern und Abgeordneten
die mimische Zeichensprache.

Der Abgeordnete macht die Bewegungen des
Ruderns: er meint die Flottenvorlage. Er legt
den Daumen der ausgespreizten Hand an die
Nasenspitze: er lehnt die Flottenvorlage ab. Zetzt
verhüllt er sein Antlitz mit einem Handtuch —
die lex Heinze steht zur Debatte. Er wirft das
Handtuch weg und spitzt den Mund — er pfeift
auf die lex Heinze. Er ergreift ein Peitsche und
fuchtelt damit herum — das ist die Kolonial-
politik. Er hält die Taschen fest zu: er wird für
die Kolonien keine Forderung bewilligen.

Auf diese Weise kann der Abgeordnete auch
im finstern Weimar seine Wähler noch insormiren.

Bedenklich.

Für eine Erbschaftssteuer wollt

Zu Gunsten der Flotte ihr werben?

Ei Freunde, da gäb's ja im ganzen Land

Auf einmal — weinende Erben.
 
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