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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0064
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- . 3206


Weltpolitik, äs-

TDeltpolitisch, allumfassend
war dereinst des Deutschen Träumen;
weilt' er an des Eismeers Borden
Oder unter Palmenbäumen,

Immer trug er einen Funken
Deutschen Geistes in die Ferne.

Heute — seine Ideale

Ruh'n im Schatten der Kaserne.

Weltenruhm für alle Zeiten
Blüht der Kunst der alten Griechen —
Diese Kunft ist nicht für Deutsche!
Nein, nach Pferden muß sie riechen.
Der Gendarm muß schön sie finden
Und der Pfaffe muß sie loben,

Und der sittenfeste Landrath
Ihre Sittlichkeit erproben.

Auf Amerikas Gefilden
Reift das Brot im Ueberfluffe,

Hundert schnelle Schiffe brächten
Uns den Antheil am Genüsse,

Doch es läßt die deutsche ,,Weltmacht"
Hoher Zölle Schranken schlagen,

Denn — der Junker Heinz von Pruirkwitz
Rann nicht Konkurrenz vertragen.

was die Erde Schönes bietet,
was der Menschengeist zu fassen,

Zu erstreben sich erkühnet —
Amtlich ist's nicht zugelassen;
Lngbegrenzt der Horizont ist
Lines echten Bureankraten,

Me spürt er des Zeitgeists walten,
Nichts von Licht und Geistesthaten.

Unter Spaniens heißer Sonne
Reift der wein in Gluth und Feuer —
Aber nicht für deutsche Kehlen,

Das verhüten Zoll und Steuer.

Denn in Grüneberg Herr Hampel
Und Herr Sauermann in Meißen
Könnten ihre,,Schattenseite"

Schwer sonst nrit Gewinn verschleißen.

Und Das will sich ,»weltpolitisch",
will als „Weltmacht" sich geberden!
will durch eine Schlachtenflotte
Herrscherin der Lrde werden!

Toller Traum in dumpfer Luge — —
Laßt zur Freiheit erst erwachen
Deutschlands Volk, dann wehen ruhmvoll
Auf dem Meer auch seine Flaggen. m

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Der eiserne Kanzler. Illustration. — Hundert Hemden
in dev Woche. Gedicht. Von Robert Seidel. — Sprengstoff.
Eine sächsische Wahlhumoreske. Von Karl Düker. — „An-
archisten". Skizze von M. K. — Monte Carlo. Gedicht. Von
W. Laurin. — Gedankenbalken.

LNorgensegen.

Caut Stammbaum bin ich, Gott sei Dank,
Unzweifelhaft ein Arier,
war niemals vom Studiren krank —
Als adliger Agrarier!

Das Strohdach meiner Ahnen krönt
Lin Storchennest aus Reisern!

Ich herrsche hier, wie wir's gewöhnt,
Bstelbisch, schneidig, eisern.

Ls duftet mir die Schweinebucht
wie Zimmt- und Aelkenwinde —
was geht auch über Schweinezucht
Und fleißiges Gesinde?

Doch wird die Bande trag und faul
Und pflegt im Nest den Ranzen
Und hat sie gar das große Maul,

Latz ich die peitsche tanzen.

Die peitsche ist mein Zauberstab,

Die Peitsche ist ein Segen;

Man soll die peitsche einst aufs Grab
voll Pietät mir legen.

Ls spielt die peitsche in der Faust

Des Herrn, des legitimen.

Doch wenn sie plötzlich niedersaust,

So zieht sie rothe Striemen.

Die Peitsche wahrt für Greis und Rind
Die angestammten Rechte;

Sie macht, daß uns gehorsam sind
Die Dirnen und die Unechte;

Und fordern gar sie höhern Lohn
Nebst andern schönen Dingen,

So reicht die gute Peitsche schon
Sie zur Raison zu bringen.

Durch Lsiebe wird dem pack gelehrt,
Nicht frech zu raisonniren,

Und wer das Bauen uns verwehrt,

Der greift uns an die Nieren.

Drum wollen Sonntags früh um acht
wir in die Rirche treten
Und für Erhaltung unsrer Macht
Mit vollstem Nachdruck beten!

Drr agrarische Zukunfisstaat.

von vr. Reptilius.

Wenn die Noth am größten, da ist auch die
Hilfe am nächsten. Nachdem man die noth-
leidenden Großgrundbesitzer lange Zeit mit kleinen
Mitteln, mit Liebesgaben, Zöllen u. s. w. nur
gerade vorm Hungertode schützte, aber die Ur-
sachen ihrer Nothlage nicht beseitigte, scheint
endlich die Stunde der Rettung zu schlagen.

Schon längst haben wir erkannt, daß der
Handel und die Industrie daran Schuld sind,
daß die Landwirthschaft den Nationalwohlstand
nicht für sich allein in Anspruch nehmen konnte.

Aber was ist gegen Handel und Industrie
geschehen?

Nichts, oder so gut wie nichts.

Woran lag das?

Das lag daran, daß wir keinen Rheinbaben
besaßen. Jetzt haben wir einen Rheinbaben, und
die Sache wird sich ändern.

Der Rheinbaben hat mit überraschendem
Geschick die Lebensmittelpolizei in den Dienst
der Großgrundbesitzer gestellt. Er schützt die
nationale Trichine, die urdeutsche Finne, den
einheimischen Bazillus gegen die ausländische Kon-
kurrenz, er sucht Deutschland gegen die Einfuhr
amerikanischer Lebensmittel überhaupt zu schützen,
nach dem hochherzigen Grundsatz: lieber deutsche
Trichinen, als amerikanischen Speck. Und wie
er den amerikanischen Konsuln bereits eine Nase
gedreht hat, so wird er unter Miguels, des
großen Agrarierfreundes Beihilfe, die Handels-
verträge überhaupt zum Scheitern bringen.

Bald werden wir keinenHandel mehr haben, das
ist der erste Schritt zum agrarischen Zukunftsstaat.

Ist nun der Handel lahmgelegt, so können
wir auch dem anderen Todfeind der Land-
wirthschaft, der Industrie wirksam zu Leibe
gehen. Sie verliert ihre ausländischen Absatzgebiete,
und ihre Herde im Inland zerstört die Miquel-
Rheinbabensche Staatskunst durch Waarenhaus-
steuern und ähnliche geniale Maßnahmen. Das
Kleingewerbe kann die vorhandenen Bedürfnisse
nicht befriedigen, und das Publikum wird sich
nothgedrungen alle Kulturbedürfnisse überhaupt
abgewöhnen. Es wird zu ländlicher Einfachheit
zurückkehren. Die Arbeiter finden dann in der
Industrie keine Beschäftigung mehr und niüssen
aufs Land ziehen, um der ländlichen Leutenoth
abzuhelfen. Die großen Städte, diese fluchwür-
digen Stätten von Bildung, Kunst, Literatur,
Wissenschaft und ähnlichen Lastern, werden ver-
öden, verfallen und zuletzt als Kartoffeläcker der
Landwirthschaft nutzbar gemacht werden. Die
Junker und Agrarier werden die unbestritte-
nen Herren des Landes sein, werden eine neue
Aera der Leibeigenschaft einführen und es wird in
Deutschland nur noch Herren und Knechte geben.

Dann, aber auch nur dann, wird der Agrarier
zufrieden und seine Roth zu Ende sein.

Vaterländisches Flottenlied.

Tausend deutsche Flotkenlirdrr

Sind — Ulrichs fürchterlicher Haufen! —

Vri der Jury eingelaufen.

Fast eintausend deutsche Brüder
Haben, ohne sich zu zieren,

Voller Enthusiasmus ihren
Flotkenxrgasus befliegen. —

Aber voller Mißvergnügen
Klagen flill die drei Juroren:

„Noch einmal ein so — verdammt
Angeflrrngtes Ehrenamt —

Und ioir Examinatoren

Haben — den Verstand verloren." —

Jury, acht' nicht der Vesriziorrdrn
Dieses Flotlensangkurnier»:

Denn da» Höchste ist doch für'»

Vajerland — verrückt zu iverden. E.
 
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