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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0070
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-• 3212

„Ta haben sich
die Herren gründlich
nasführen lassen —
ich bin ja selbst ini
Dienste der Polizei!

Hier!" —damit zeigte
er seine Legitimation
vor.

„Sie sind uns als
Anarchist signalisirt",
erklärte der Leute-
nant. „Ich begreife
nicht —"

„Daß Sie düpirt
sind! Sic werden cs
begreifen, wenn ich
Ihnen offenbare, daß
ich mich selbst aus
der Anarchistenjagd
befinde, und daß ich
in Ihrer Stadt be-
reits ein sehr gefähr-
liches anarchistisches
Individuum entdeckt
habe, welches —"

Das Wort er-
starb ihm im Munde,
denn an der offenen
Thür erschien der
Dicke von gestern.

„Wenn Sie da-
mit etwa mich mei-
nen", sprach dieser
triumphirend, „so
irren Sie sich; ich
bin der Polizeiagent
TheodorichSchnapper
und Sie entkommen
mir nicht mit wohl-
feilen Ausreden.

Durchsuchen Sie nur
sein Gepäck", schloß
er, zu den Schutzleuten gewendet.

Diese hatten bereits einen sorgfältig eingc-
packten runden Gegenstand zum Vorschein ge-
bracht, der seiner Schwere nach von Metall ;u
sein schien.

„Eine Bombe!" rief der dicke Schnapper
triumphirend.

Schubjacksky lachte laut und bemächtigte sich

der vermeintlichen Bombe; er riß, während
Schnapper unwillkürlich einige Schritte retirirte,
die Umhüllungen ab, es kam ein Etui von Pappe
und aus diesem eine Weckuhr ans Tageslicht.

„Da sehen Sie, was es geschlagen hat", rief
er, die Uhr dem Dicken vorhaltend, „und nun,
meine Herren Kollegen, können wir wohl früh-
stücken gehen?"

Der Leutenant
aber hatte inzwischen
einen Blick aus den
sonstigen Inhalt des
Koffers geworfen.

„Halt", sprach er,
„der Kofferinhalt er-
scheint mir verdächtig
und von Hoteldieb-
stählen herzurühren."

Schubjacksky er-
bleichte , der Dicke
aber triumphirte:
„Ich habe ja ge-
sagt, daß er ein Ver-
brecher ist. Nehmen
Sie ihn nur fest."

„Dann aber",
schrie Schubjacksky
zornig, „nehmen Sie
auch diesen dicken
Hallunken mit. Er
hat gestern eine Maje-
stätsbeleidigung be-
gangen."

Der Dicke leug-
nete nichr; er habe
das nur gesagt, um
den Anarchisten kirre
zu machen und die-
ser sei ja auch richtig
auf den Leim ge-
gangen.

Der Leutenant
runzelte die Stirn:
„EineMajestätsbelei-
digung bleibt Maje-
stätsbeleidigung, und
wenn Sie das ge-
sagt haben, muß ich
auch Sie vorläufig
verhaften."

Der Dicke fluchte, aber es half ihm nichts,
er mußte mit ins Gefängniß, wohin auch sein
Spitzelkollegc geführt wurde. Nur der Trost des
Polizeileutenants, daß er ja ein Begnadigungs-
gesuch einreichen könne, beruhigte ihn einiger-
maßen.

An diesem Tage hatte die Gesellschaftsordnung
zwei Beschützer weniger. m. k.

dßonte Carlo.

Ein nicht ganz harmloses, aber selbsterlebtcs dramatisches Gedicht.

-Äeser, frage nicht; du weißt
Wie die Stadt am Berge heißt.

Die in ihrem Mauernkranz
Birgt die höchste Lleganz,

Wo der Kürst von Monaco
Baucht Importen frech und froh,

Stets die besten ans der Stadt:

Denn er kann es (weil er's hat).

Und wo mancher Spieltisch auch
Täglich dasteht zum Vebrauch —

Leser, räthst du's nicht, geschwind
Sagt's das erste beste Kinb,

So dir hier läuft in die Auer:

„Das ist Monte Larlo, Herr!"

Ach, wie mancher, der sich sonnte
Lines schönen Tags in Monte,

Hing am Abend schon erblaßt
An der nächsten Pinie Ast!

Ader nahm geknickt im Lift
Seines Vasthofs zu sich 8ift,

Ader schoß sich —v armer Tropf!

Line Rugel durch den Ropf,

Ader warf sich furiens
In das Meer Liguriens,

Wie sie waren — gleich im Krack, oh!
An der Rüste von Monaco,

Und der nächste Morgen fand
Sie dann meistens tobt am Strand!

8ott sei Dank, ich kann von Andern
Auch erzählen, welche wandern
Fröhlich nach Monaco hin.

Gehn auch ins Rastno rin.

Raum gedacht, auch diese Schaar
Ist sehr bald der 8roschen bar.

Aber statt zu knüpfen gleich
Sich an einen Pinienzweig,

Statt mit 8ift und Blei dem Leben
Linen schnellen Biß zu geben,

Ader gar, von oben her.

Stracks zu gehn ins Nittelmeer,

8ehn dis Braven rechter Hand
In ein Haus, Lass genannt.

Was sich hier an kleinem Geld
Schließlich noch herausgestellt.

Legen unsre Becken dann
Flugs in einem Schnapse an.

Denken still, es ist ganz nett.

So ein drolliges Roulett,

Netter aber ist das 8uld,

Wenn es in der Tasche rullt.

tv. Laurin.


| Gedankenbalken.


Wen das Volk lieben soll, der muß des
Volkes Sprache sprechen.

Ob sich wohl die egyptischen Könige, als
sie ihre Pyramidengräbcr aufthürinten, träumen
ließen, daß nach einigen Tausenden Jahren, neu-
gierige europäische Gelehrtcunasen in ihren heiligen
Leibern herumschuüffeln werden? Sicherlich nicht.
Und doch ist das schließlich das Loos aller
balsamirten Herrlichkeit.

Der Normalmensch bildet sich so viel auf
sein höheres Menschenthum, vulgo Sittlichkeit
u.s.w. ein. Und doch ist es nur die Unbeweg-
lichkeit, die ihn im Gleichgewicht erhält. Giebt
ihm aber das Schicksal nur den kleinsten Stoß,

so taumelt er-und das Vieh kommt

zum Vorschein. *

Wenn die Regierungen untereinander
ein Komplott zur Unterdrückung der Frei-
heit in ihren Ländern schinieden, so darf man
das nicht Vaterlandsverrath nennen, son-
dern — „diplomatische Unterhandlung".

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Nachf. (G. m. b. H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.
 
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