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Allerlei Anzügliches.
Tn Hamburg giebt cs ein Jungfernstift
Jür die reifere weibliche fugend.
Drin pflegt man Ordnung und Sauberkeit,
Besonders aber die Cugend.
Doch rings herum in der Nachbarschaft —
Aas muss das Buge schauen! —
Oiebt's Häuser, drin huld’gen dem Uenusdienst
6ar viele sündhafte krauen.
Und als man Hamburgs Senator gefragt
Nach dieses Uebelstands Quelle,
Da sprach er: „Ihr irrt Buch, in Hamburg giebt’s
Polizei-technisch keine Bordelle.“
Dem Reichstage hat es so ziemlich genügt,
Aas Hamburgs Senator gesprochen,
Doch haben die Mädchen im Jungfrauenstift
Sieb drüber die Köpfchen zerbrochen.
Sie baten um Auskunft zuletzt den Senat,
€r solle amtlich erklären,
Ob im polizeilich-technischem Sinn
Sie eigentlich Jungfrauen wären?
Publikum:
„Schutzmann, Schutzmann! lauft doch nicht fort!
Hört das Schreien, dort giebts einen Mord!“ —
Schutzmann:
„Liebe Leute, es tbut mir leid,
Hab' aber wirklich jetzt keine Zeit!
Muss gerade Schaufenster inspiziren,
Auf ITuditäten vigiliren
Tm Interesse der Sittlichkeit!“
Schicksalstücke.
Heute las ich im Tageblatt, daß der allgemein geachtete Rentier,
Kirchenvater und Hausbesitzer, Herr Lämmlein, seinem Leben durch Er-
hängen ein Ende gemacht habe.
Ich kannte den alten Sünder (wenn man einen Rirchenvater so nennen
darf) gut genug. Ich wohnte bei ihm zur Miethe und er hat redlich dafür
gesorgt, daß ich dieses Umstandes eingedenk blieb, allerdings nicht mit
Freuden, sondern mit Seufzen. Der Rerl (wenn man einen Hausbesitzer
so nennen darf) wußte stets ganz genau, wann ich eine Gehaltszulage bekam
und dann fehlte seinerseits auch die Miethssteigerung nicht. Dabei war
er — wie soll ich sagen — sehr für die Sittlichkeit. Lr war ja auch schon
hoch in die Sechzig. Reben seinem Hause befand sich eine sogenannte
polizei-technische Damenkneipe. Schön gings darin nicht zu, das muß ich
gestehen. . .. Uber um auf unseren Hammel zurückzukommen (wenn man
einen Rentier so nennen darf), Herr Lämmlein hatte es schließlich durch
beharrliche Denunziationen dahin gebracht, daß dem Nachbar die Bude
geschlossen wurde, welche Freude für den Ldlen (wenn man einen Denun-
zianten so nennen darf)! Welch ein Schreck aber, als er einige Tage darauf
X
die Nachricht erhielt, daß sein Vetter — den Namen habe ich vergessen —
g|jgR
gestorben sei und ihn zum Universalerben eingesetzt habe. Das heißt, Herr
Lämmlein erschrak nicht über den Tod seines Vetters, denn er hatte den
Vetter gar nicht gekannt, sondern über die Erbschaft. Das baare Geld war
\
meist für fromme Legate bestimmt, blos der Grundbesitz fiel an Herrn
i in
Lämmlein. Und der bestand lediglich aus dem Hause nebenan. Line werth-
11
lose Baracke an sich, aber die polizeitechnische Damenkneipe hatte jährlich
JO 000 Mark Pacht abgeworfen. Diese schöne Einnahme hatte sich der
Rirchenvater, Hausbesitzer und Rentier, Herr Lämmlein, selbst aus den
!
Zähnen gerückt.
Ueber das Motiv seines Selbstmordes fehlt leider jeder Anhalt.
Zer Zilßerschaß.
.... Ja, meine
Herr'», da kann ich
Ihnen auch a recht
gutes Stuck erzählen.
Wir haben alle die
größte Freud' gehabt,
rvie's 'rum kommen is,
na, Sie werd'n ja hör'n.
Der Pfarrer Antonius
drob'n in Obermoos-
dorf — den feschen
Toni heiß'n ihn re-
spektswidrig die Leut'
— hat einen recht guten
Freund in Marienau.
S'ist ’n Amtsbruder
von ihm und Paulus
heißt 'r. Selbiger ist a
recht guter Seelsorger
und die Weiber im
Dorf sind viel gern zur
Beicht bei ihm gangen.
Steckenpferd' hat er so
mancherlei, ganz b'son-
ders a Silbersamm-
lung. Münzen hat er
net sammeln mög'n, so
ist dees net zu verstehn,
was aber so an ihn
kommen is von alten
B'schläg und Schmuck-
stnck'n und G'räthschaf-
ten, dees hat er fein in
einem hübschen Kast'n
in seinem Schlafzimmer
aufg'stapelt und seine
größte Freud' daran
g'habt.
Wie ihm wieder ein brav's Beichtkind so
ein Stück'l von 'm alten G'schnür mitg'bracht
hat, schickt er in seiner Herzensfreud' zum
Amtsbruder Toni und laßt'n hol'n, denn der
hat für so Sach'n recht viel über g'habt und
selber g'sammelt. Natürlich hat er auch zum
Abend speis'n sollen.
Der Toni is kommen und hat alles nach
G'bühr b'wundert. Während dem kommt die
Ros'l hinein, die Nichte von der alt'n Haus-
hälterin, der Kathi.
Ein schmuckes Kernmädel, die Ros'l natür-
lich, an der Kathi, der g'schupft'n Nock'n is net
mehr viel dra g'wes'n.
Siefragt den Herrn Pfarrer, ob's an roth'n
oder an weiß'n Wein heraufhol'n soll. Damit
wird sie roth, wie die feurigste von ihren
Namensschwestern und kann sich vorVerleg'uheit
garnet wieder herausfind'n.
„Ei, ei, Herr Amtsbruder, das Haus hat
viele Schätze", sagt der Toni. Aber der Paulus
weist alles ab, „was Du denkst, das ist nicht",
und heißt die Ros'l eine dumme Gans hin
und her.
Die beiden geistlichen Herrn speis'» dann
aufs Beste miteinander — die Kathi hat a
Ent'n füll'n können, die könnt' sich schon seh'n
lassen.
Der Toni ist dann bei Zeiten weg, nach-
dem er seinem Gastfreund noch so recht herz-
haft die Hand g'drückt hat. —
Wie sich Pfarrer Paulus am andern Morgen
an seiner feinen Sammlung ergötz'n will, da
merkt er zu seinem Schreck'», daß die besten
Stucken fehl'». Er hat
sich aber bald g'faßt —
sei Leut' war'» grund-
ehrlich, da hat's nix
geb'n, aber der Toni,
das war so einer, der
sich schon 'mal an Spaß
machte.
Aber acht Tag' ver-
geh'», weder der Toni
erscheint auf der Bild-
fläche, noch die Silber-
sach'n. Paulus hat
ihm nun a klein's
Brieferl g'schrieben —
i Hab' die Brief' nach-
her selber geles'n, meine
Herr'».
Im ersten is nur
g'stand'n: „Lieber Toni,
möchst mir net mei
Sach'n hergeb'n"; —
aber glauben Sie, daß
was drauf erfolgt wär.
Ka Spur, der Toni
hat sich in Schweig'»
g'hüllt. Auch auf die
zweite Mahnung, die
schon a weng dring-
licher g'laut und von
„schlechten Witzen"
g'sproch'n hat, ist keine
Antwort net ein-
g'troff'n. Da ist der
Paulus fuchsteufels-
wild g'word'n und hat
schlankweg g'schrieb'n:
„Wenn Sie" — net
mehr Du hat er'n nen-
nen mög'n — „wenn
Sie mir meine Werth-
stücke nicht augenblicks zurückgeben, werde ich
Sie bei der Behörde anzeigen."
Darauf hat der Toni sich hing'setzt und
hat g'schrieb'n:
Lieber Amtsbruder!
Siehst Du, das kommt davon. Wenn Du
in den letzten vierzehn Tagen einmal in
Deinem Bett geschlafen hättest, würdest Du
die vermißten Stücke aus Deiner Samm-
lung sofort angefunden haben.
Mit freundlichem Gruß
Dein Amtsbruder Antonius.
Schab' ist, daß man nicht das G'sicht vom
Paulus hat seh'n können, als er den Brief
g'les'n hat.
Die Sach'n sind richtig im Bett g'leg'n.
Paul tz. Hartwig.
Allerlei Anzügliches.
Tn Hamburg giebt cs ein Jungfernstift
Jür die reifere weibliche fugend.
Drin pflegt man Ordnung und Sauberkeit,
Besonders aber die Cugend.
Doch rings herum in der Nachbarschaft —
Aas muss das Buge schauen! —
Oiebt's Häuser, drin huld’gen dem Uenusdienst
6ar viele sündhafte krauen.
Und als man Hamburgs Senator gefragt
Nach dieses Uebelstands Quelle,
Da sprach er: „Ihr irrt Buch, in Hamburg giebt’s
Polizei-technisch keine Bordelle.“
Dem Reichstage hat es so ziemlich genügt,
Aas Hamburgs Senator gesprochen,
Doch haben die Mädchen im Jungfrauenstift
Sieb drüber die Köpfchen zerbrochen.
Sie baten um Auskunft zuletzt den Senat,
€r solle amtlich erklären,
Ob im polizeilich-technischem Sinn
Sie eigentlich Jungfrauen wären?
Publikum:
„Schutzmann, Schutzmann! lauft doch nicht fort!
Hört das Schreien, dort giebts einen Mord!“ —
Schutzmann:
„Liebe Leute, es tbut mir leid,
Hab' aber wirklich jetzt keine Zeit!
Muss gerade Schaufenster inspiziren,
Auf ITuditäten vigiliren
Tm Interesse der Sittlichkeit!“
Schicksalstücke.
Heute las ich im Tageblatt, daß der allgemein geachtete Rentier,
Kirchenvater und Hausbesitzer, Herr Lämmlein, seinem Leben durch Er-
hängen ein Ende gemacht habe.
Ich kannte den alten Sünder (wenn man einen Rirchenvater so nennen
darf) gut genug. Ich wohnte bei ihm zur Miethe und er hat redlich dafür
gesorgt, daß ich dieses Umstandes eingedenk blieb, allerdings nicht mit
Freuden, sondern mit Seufzen. Der Rerl (wenn man einen Hausbesitzer
so nennen darf) wußte stets ganz genau, wann ich eine Gehaltszulage bekam
und dann fehlte seinerseits auch die Miethssteigerung nicht. Dabei war
er — wie soll ich sagen — sehr für die Sittlichkeit. Lr war ja auch schon
hoch in die Sechzig. Reben seinem Hause befand sich eine sogenannte
polizei-technische Damenkneipe. Schön gings darin nicht zu, das muß ich
gestehen. . .. Uber um auf unseren Hammel zurückzukommen (wenn man
einen Rentier so nennen darf), Herr Lämmlein hatte es schließlich durch
beharrliche Denunziationen dahin gebracht, daß dem Nachbar die Bude
geschlossen wurde, welche Freude für den Ldlen (wenn man einen Denun-
zianten so nennen darf)! Welch ein Schreck aber, als er einige Tage darauf
X
die Nachricht erhielt, daß sein Vetter — den Namen habe ich vergessen —
g|jgR
gestorben sei und ihn zum Universalerben eingesetzt habe. Das heißt, Herr
Lämmlein erschrak nicht über den Tod seines Vetters, denn er hatte den
Vetter gar nicht gekannt, sondern über die Erbschaft. Das baare Geld war
\
meist für fromme Legate bestimmt, blos der Grundbesitz fiel an Herrn
i in
Lämmlein. Und der bestand lediglich aus dem Hause nebenan. Line werth-
11
lose Baracke an sich, aber die polizeitechnische Damenkneipe hatte jährlich
JO 000 Mark Pacht abgeworfen. Diese schöne Einnahme hatte sich der
Rirchenvater, Hausbesitzer und Rentier, Herr Lämmlein, selbst aus den
!
Zähnen gerückt.
Ueber das Motiv seines Selbstmordes fehlt leider jeder Anhalt.
Zer Zilßerschaß.
.... Ja, meine
Herr'», da kann ich
Ihnen auch a recht
gutes Stuck erzählen.
Wir haben alle die
größte Freud' gehabt,
rvie's 'rum kommen is,
na, Sie werd'n ja hör'n.
Der Pfarrer Antonius
drob'n in Obermoos-
dorf — den feschen
Toni heiß'n ihn re-
spektswidrig die Leut'
— hat einen recht guten
Freund in Marienau.
S'ist ’n Amtsbruder
von ihm und Paulus
heißt 'r. Selbiger ist a
recht guter Seelsorger
und die Weiber im
Dorf sind viel gern zur
Beicht bei ihm gangen.
Steckenpferd' hat er so
mancherlei, ganz b'son-
ders a Silbersamm-
lung. Münzen hat er
net sammeln mög'n, so
ist dees net zu verstehn,
was aber so an ihn
kommen is von alten
B'schläg und Schmuck-
stnck'n und G'räthschaf-
ten, dees hat er fein in
einem hübschen Kast'n
in seinem Schlafzimmer
aufg'stapelt und seine
größte Freud' daran
g'habt.
Wie ihm wieder ein brav's Beichtkind so
ein Stück'l von 'm alten G'schnür mitg'bracht
hat, schickt er in seiner Herzensfreud' zum
Amtsbruder Toni und laßt'n hol'n, denn der
hat für so Sach'n recht viel über g'habt und
selber g'sammelt. Natürlich hat er auch zum
Abend speis'n sollen.
Der Toni is kommen und hat alles nach
G'bühr b'wundert. Während dem kommt die
Ros'l hinein, die Nichte von der alt'n Haus-
hälterin, der Kathi.
Ein schmuckes Kernmädel, die Ros'l natür-
lich, an der Kathi, der g'schupft'n Nock'n is net
mehr viel dra g'wes'n.
Siefragt den Herrn Pfarrer, ob's an roth'n
oder an weiß'n Wein heraufhol'n soll. Damit
wird sie roth, wie die feurigste von ihren
Namensschwestern und kann sich vorVerleg'uheit
garnet wieder herausfind'n.
„Ei, ei, Herr Amtsbruder, das Haus hat
viele Schätze", sagt der Toni. Aber der Paulus
weist alles ab, „was Du denkst, das ist nicht",
und heißt die Ros'l eine dumme Gans hin
und her.
Die beiden geistlichen Herrn speis'» dann
aufs Beste miteinander — die Kathi hat a
Ent'n füll'n können, die könnt' sich schon seh'n
lassen.
Der Toni ist dann bei Zeiten weg, nach-
dem er seinem Gastfreund noch so recht herz-
haft die Hand g'drückt hat. —
Wie sich Pfarrer Paulus am andern Morgen
an seiner feinen Sammlung ergötz'n will, da
merkt er zu seinem Schreck'», daß die besten
Stucken fehl'». Er hat
sich aber bald g'faßt —
sei Leut' war'» grund-
ehrlich, da hat's nix
geb'n, aber der Toni,
das war so einer, der
sich schon 'mal an Spaß
machte.
Aber acht Tag' ver-
geh'», weder der Toni
erscheint auf der Bild-
fläche, noch die Silber-
sach'n. Paulus hat
ihm nun a klein's
Brieferl g'schrieben —
i Hab' die Brief' nach-
her selber geles'n, meine
Herr'».
Im ersten is nur
g'stand'n: „Lieber Toni,
möchst mir net mei
Sach'n hergeb'n"; —
aber glauben Sie, daß
was drauf erfolgt wär.
Ka Spur, der Toni
hat sich in Schweig'»
g'hüllt. Auch auf die
zweite Mahnung, die
schon a weng dring-
licher g'laut und von
„schlechten Witzen"
g'sproch'n hat, ist keine
Antwort net ein-
g'troff'n. Da ist der
Paulus fuchsteufels-
wild g'word'n und hat
schlankweg g'schrieb'n:
„Wenn Sie" — net
mehr Du hat er'n nen-
nen mög'n — „wenn
Sie mir meine Werth-
stücke nicht augenblicks zurückgeben, werde ich
Sie bei der Behörde anzeigen."
Darauf hat der Toni sich hing'setzt und
hat g'schrieb'n:
Lieber Amtsbruder!
Siehst Du, das kommt davon. Wenn Du
in den letzten vierzehn Tagen einmal in
Deinem Bett geschlafen hättest, würdest Du
die vermißten Stücke aus Deiner Samm-
lung sofort angefunden haben.
Mit freundlichem Gruß
Dein Amtsbruder Antonius.
Schab' ist, daß man nicht das G'sicht vom
Paulus hat seh'n können, als er den Brief
g'les'n hat.
Die Sach'n sind richtig im Bett g'leg'n.
Paul tz. Hartwig.