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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0081
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3223

$lm Sonntag fuhr

man den tobten Sonderling in seiner kuriosen Kalesche auf den Nrieöhos hinaus.

habe ihn ja bestellt, da gab der Deckel, ge
den er sich mit aller Wucht stemmte, mit ei>
Male nach und — er erwachte.

Aber was war das für ein Spektakel
Hause? Wahrhaftig! Das war die Stin
feiner Frau und das andere die des Tischl
Und sie redeten von einem Sarge — Himr
donnerwetter! Wie viel Uhr mochte es fe
Natürlich, gerade fünf Minuten vor Ze>

Nu war's aber die höchste Zeit, in die Hose
fahren.

Wie der Waldhofbauer in den Haus
trat, kam ihm feine Frau mit verweinten Au
entgegen und zog ihn, so rasch sie konnte,
die Hausthüre zu. Dort stand, die Mütze i
legen zwischen den Fingern drehend, der Tiscl
und hatte quer vor sich, gleichsam als 8
theidigungswall gegen die wüthende Amaz,
einen blankgehobelten Eichensarg anfgebaut

„Nu, Heer' emal, Alter? Was sein denn
fer Geschichten? Da sieh her! Der Meester si
Du hättst ’n Sarg bestellt! Js das wahr?
das menschenmeeglich? So ne Gemeenh
Hast de denn gar ke Gefiehl mehr? Kannst
wohl gar nich erwarten, bis die droben
is? Scheisal, elendig's! Ich mecht'nur wis
was d'r meine arme Mutter eegentlich ged>
hat, daß Du mit ihr so Schindlud'r treibst

Lautausschluchzend rannte die Bäuerin
Treppe hinauf.

Der Bauer aber brummte was von dünn
abergläubischen Gänsen und bedeutete
Tischler, den Sarg nach dem Schuppen >
überzuschafsen; dort sollte er stehen bleiben,
er ihn eines Tages brauchen würde.

' Am nächsten Tag wurde dem Waldhofbauer
gemeldet, der Pastor habe dem Kantor mit-
getheilt, er werde nächsten Sonntag in der
Predigt auf den gottlosen Scherz mit dem Sarg
zu sprechen kommen.

In Folge dessen ging der Bauer nach Tisch
mit einem Topf Farbe nach dem Schuppen
hinüber und begann den Sarg außen und
innen mit grüner Farbe anznstreichen. Nu
grade erst! sagte er sich in seinem Trotzkops.
Die Schwiegermutter war ja auch wieder gesund
geworden! Und da sollte er wohl auf seine
alten Tagen nach des Pfaffen Pfeife tanzen?
Nein und dreimal nein! Von nun an wollte
er grade, all den geistlichen Herrn und alten
Weibern zum Trotz, Nacht für Nacht in seinem
Sarge schlafen!

Als der Pastor davon hörte, beschloß er,
am Sonntag das ganze gotteslästerliche Wesen
des Waldhofbauers öffentlich zu geißeln. Das
sprach sich in der Gemeinde herum und der
dürre Schneider hinterbrachte diese Nachricht
brühwarm seinem Stammtischfreunde. Der aber
ließ alsbald den Drechsler kommen und befahl
ihm, koste, was es wolle, vier schmucke Räder
zu drehen und an dem Sarge zu befestigen.

„Aber heite noch, Meester! Heite noch!
M'r weeß nie, was einem zustoßen kann.
Ich huste seit zwee Tage so gottsjämmerlich,
daß es schließlich kee Wunder wäre, wenn
ich eenes Morgens — nur still Nachbar!
Also die Räder her, daß ich, wenn's so
weit is, auf den Kirchhof 'naus kntschiren
kann! Ich bin dann wenigstens sicher, daß
Seine Hochwirden mich bei meinem Be-
gräbniß nich mit Ihrer Gegenwart beehren!

Herr Gott, wen» ich da dran denk'! Ich glaub',
ich kennte nich einmal ruhig todt sein, wenn ich
mißte, daß der Kerl dabei wäre!"

Am Mittwoch waren die Räder richtig an-
gekommen. Am Donnerstag legte sich der Bauer,
zum Erstaunen der Bäuerin, schon um Mittag
schlafen. „Daß m'r de Schwiegermutter nich
etwa in die Quere kommt", waren seine letzten
Worte. Am Freitag früh war er eine Leiche.
Der Arzt, der schleunigst herbeigernfen wurde,
stellte eine Arsenikvergiftung fest; die grüne
Farbe des Sarges war schlimmer gewesen als
die Schwiegermutter.

Am Sonntag fuhr man den todten Sonder-
ling, wie er in seinem Testament bestimmt hatte,
in seiner kuriosen Kalesche auf den Friedhos
hinaus. Während die Freunde des Verstorbenen
draußen unter stillem Gebet den vierrädrigen
Sarg versenkten, donnerte in der Kirche der
Pastor wider die Gottlosen, die selbst mit dem
Tode ihren Spott treiben. Am Abend aber
saßen der Tischler und der Schneider ganz allein
an ihrem Stammtisch im „Schwarzen Bären"
und schauten sich trübselig an.

„Wer hat nu eegentlich Recht gehabt, der
Pnster oder der Waldhofbauer?" fragte tief-
sinnig der Schneider.

„Nu, allemal der Paster!" schrien die trunke-
nen Bauern rechts und links an den Tischen.
„Ihr habt's doch mit eegenen Augen gesähn,
wie er zur Straf' fir seine Sünden gestorben ist."

„Dummes Zeug!" brummte der Tischler.
„Der Paster wird ooch sterben. Aber was mich
an der ganzen Geschichte blos eegal ärgert, das
ist die Wette — die Hab' ich jetzt für die Katz'
gewonnen!"
 
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