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Bei Olpn Paul.
Hobelspäljnr.
^ j * Cä'RA'i'-
Der alte Transvaaler frisirt den englischen Löwen.
(Life, Äervyorr.)
Der Maisturm erbrauset
Und fegt durch die Stadt,
Er zaust die Philister
Und setzt ste schachmatt.
Uns Andern, uns Jungen,
Uns treibt er den Saft,
Uns bläst er die Lungen
Voll köstlicher Kraft.
Die oberen Zehntausend sind dagegen, daß
Bildung und Wissen im Volke verbreitet
werden. „Warum soll das Volk etwas vor
uns voraus haben?" meinen sie.
„Im Namen des großen Goethe
Reichen die Hände sich dar
Zum Bund gegen finstere Mächte
Künstler und Proletar!"
So stand es in der Zeitung
Zu lesen wunderbar.
Drauf drückten sich schnell die Künstler,
Das ward bald Allen klar.
In Preußen hofft man noch immer, den Zeitgeist festnehmen zu
können, um ihm wegen andauernd verübten groben Unfugs den Prozeß
zu machen. » * *
Stolz kündet Marschall Roberts seiner Queen:
„Alles gewonnen, nur die Ehr' ist hin."
»
Es gicbt noch Leute in Deutschland, die mit unserer politischen Ent-
wicklung zufrieden sein können, nämlich die Kanonenfabrikanten.'
Ihr getreuer ^„e
Säge, Schreiner.
bum! Wahrhaftig, es läutete Sturm drüben in
der Kirche nebenan. Aber seltsam! Ganz wie
nur die große Glocke allein. Also
im Traum — nur die große Glocke auein.
brannte es nicht im Dorfe; denn da hätten alle
Glocken gelautet. Was konnte das bedeuten?
Sollte das Amtsblättchen, das die letzten Tage
so viel vom 1. Mai geschrieben, etwa Recht be-
halten? War die Revolution in Jrgetsheim aus-
gebrochen, und ries der wackere Meßner nntten
in der Nacht alle Gutgesinnten zum Kampfe gegen
die rothen Mordbrenner auf?
Mit einem Satze war der dicke Herr, dem sich
bei diesem Gedanken die Haare sträubten, aus
dem Bett, in den Hosen und am Fenster. Hinter
den Gardinen versteckt, schaute er. die Augen
...... . er, die Äugen
zusammenkneifend, an allen Gliedern zitternd in
die dunkle Nacht hinaus. Und — o heilige Maria!
— was sah er dort unten auf der Straße? Kopf
an Kopf, standen sie auf dem Kirchplatz, Männer
und Frauen, und gnckten, heftig gestikulirend,
zu dem schlanken Thurm empor, von dem noch
immer die Glocke in die stille Nacht hinausstöhnte.
Gewiß, sie maren's, die rothen Revolutionäre! Die
Beiden dort mit der Ballonmütze kannte er. Es
waren zwei Arbeiter aus der Ziegelei, die letzten
Herbst das gottlose Flugblatt zur Landtagswahl
vor die Thürschwelle des Pfarrhauses gelegt hatten.
Wollten die schrecklichen Menschen hier mitten in der
Nacht die Kirche stürmen oder gar das Pfarrhaus?
„Babette!" rief der geängstete Hausherr.
„Babette!" Er gab der getreuen Schaffnerin,
die in einer weißen Nachtjacke mit zerzausten
Haaren in der Thüre des Schlafzimniers stand,
den Befehl, das Silberzeug in den Keller zu
tragen, als plötzlich das Glockenläuten draußen
verstummte. Zugleich sah er, wie fick drunten
auf dem Platze alles der Kirchenthüre zudrängte.
Und siehe da! Es dauerte nur wenige Sekunden
und sie öffnete sich und eine unsichtbare Kraft
warf den allen wohlbekannten Meßner auf die
Straße hinaus. Da lag er nun, alle Biere von
sich gestreckt, im Straßenschmutz und glotzte die
ihn umdrängendc Menge an.
„Was wollt Ihr?" stotterte er endlich verlegen,
indem er sich schwankend aufrichtete und sich mit
der einen Hand gegen die Kirchenmauer stützte.
„Was wir wollen?" schrie es da durcheinander.
„Seht doch den Kerl an! Läutet uns mitten in
der Nacht aus dem Bett und fragt noch, was
wir wollen!"
„Aber ich bitte Euch, ihr lieben Leute", japste
der Meßner, sich in feierliche Positur stellend.
„Ich habe doch Betzeit geläutet. Es ist ja fünf
Uhr! — jawohl fünf Uhr. — Wir halten fest
und treu zusammen, hipp, hipp, hurrah! Fragt
nur den Herrn Pfarrer dort oben am Fenster!
Der wird es Euch sagen, daß es Fünfe ist!"
„Aber Süsfli", rief jetzt der Pfarrer, dem eine
dumpfe Ahnung dämmerte. „Ihr seid ja betrunken?
Wo ward Ihr denn diese Nacht?"
„Wo ich war, Hochwürdigster Herr?" lallte der
Meßner. „Wo denn anders als im Patrio — —
tischen Verein, wo wir die Fl — Fl — Fl — otten-
vorlagc angenommen haben. — Wir halten fest
und treu zusammen, hipp, hipp, hurrah!"
Und unter dem Hohngelächter der Dorfleute
wankte der Meßner nach Hause.
Der Pfarrer wollte eben voll Zorn das Fenster
schließen, als eine ihm wohlbekannte Stinnne —
es war die des einen Ziegeleiarbeiters — an sein
Ohr schlug. „Da wir zum Beginn des Mai",
so rief der Arbeiter, „vom patriotischen Meßner
aus dem Schlafe geläutet worden sind, so wollen
wir nicht auseinander gehen, ohne der völker-
wir nicht auseinander gehen, uyut v.. -
befreienden Sozialdemokratie ein Hoch ausgebracht
zu haben." Der Vorschlag wurde jubelnd aus-
genommen und brausend erfüllte das Hoch die
Luft. — Dem frommen Pfarrer, der wohl fühlte,
daß man ihn damit ärgern wollte, blieb nichts
anderes übrig, als im Stillen die Fäuste zu
ballen und nnt seiner Haushälterin das Silber-
zeug wieder aus dem Keller zu holen. Um
seine Nerven einigermaßen wieder in Ordnung
zu bringen, las er seiner Babette das Lex Hcinze-
Gesetz vor nebst Titel, Unterschrift und Motiven.
So begann der erste Mai in Jrgetsheim. Haha.
Menagerie-Unfug.
hoch, zu seiner vollen grosse reckt Old Englands
Leu die Glieder
Und die Schakals und hyänen ducken sich ver-
ängstigt nieder.
Aiilhend schüttelt er die Mähne, hebt die raub-
geschärften Pranken
Und mit donnerndem Getöse wisst er an den Eisen-
schranken.
Ulehe, wenn das schwanke Gitter endlich fällt von
seinen Schlägen,
namenlosen Kammer gäb’ es — Mord und Brand
auf allen Wegen.
Zitternd lauschen alle Lhiere auf das Brüllen und
das Loben,
Denn die Störung seines Trasses bat er ihnen zu
geschoben.
Bacheschnaubend brüllt und geifert Englands Leu
nach allen Seiten,
sichtet kaum der Ovationen, die die Cbiere ihm be-
reiten;
Sie bedrohen Buh und Leben — neidisch ob der
blut'gen Bissen,
Da der silrikanerkönig just ein ganzes Uolk zer
rissen!
Und der Bär saugt an den Blauen, scheuert seinen
strupp’gen Bücken
Und der Hahn kräht jesuitisch tbeilnabmsvoll aus
freien Stücken
Und der siar senkt telegraphisch aus der Höhe seinen
Segen
Und die Enten — ach die Enten! schnattern heftig
allerwegen!
Doch der Löwe brüllt noch wilder, wilder noch wird
das Getümmel--—
Uleil — beinah’ — den Leu bedroht bat jüngst ein
sechzebnjähr’ger Lümmel.
Kikik.
Lieber 6ott — sieb Sonnenschein
Reuss-Schleiz-Gera-Eobenstein!
es ist so nicht hell auf erden — -
Dort will’s vollends duster werden.
Bei Olpn Paul.
Hobelspäljnr.
^ j * Cä'RA'i'-
Der alte Transvaaler frisirt den englischen Löwen.
(Life, Äervyorr.)
Der Maisturm erbrauset
Und fegt durch die Stadt,
Er zaust die Philister
Und setzt ste schachmatt.
Uns Andern, uns Jungen,
Uns treibt er den Saft,
Uns bläst er die Lungen
Voll köstlicher Kraft.
Die oberen Zehntausend sind dagegen, daß
Bildung und Wissen im Volke verbreitet
werden. „Warum soll das Volk etwas vor
uns voraus haben?" meinen sie.
„Im Namen des großen Goethe
Reichen die Hände sich dar
Zum Bund gegen finstere Mächte
Künstler und Proletar!"
So stand es in der Zeitung
Zu lesen wunderbar.
Drauf drückten sich schnell die Künstler,
Das ward bald Allen klar.
In Preußen hofft man noch immer, den Zeitgeist festnehmen zu
können, um ihm wegen andauernd verübten groben Unfugs den Prozeß
zu machen. » * *
Stolz kündet Marschall Roberts seiner Queen:
„Alles gewonnen, nur die Ehr' ist hin."
»
Es gicbt noch Leute in Deutschland, die mit unserer politischen Ent-
wicklung zufrieden sein können, nämlich die Kanonenfabrikanten.'
Ihr getreuer ^„e
Säge, Schreiner.
bum! Wahrhaftig, es läutete Sturm drüben in
der Kirche nebenan. Aber seltsam! Ganz wie
nur die große Glocke allein. Also
im Traum — nur die große Glocke auein.
brannte es nicht im Dorfe; denn da hätten alle
Glocken gelautet. Was konnte das bedeuten?
Sollte das Amtsblättchen, das die letzten Tage
so viel vom 1. Mai geschrieben, etwa Recht be-
halten? War die Revolution in Jrgetsheim aus-
gebrochen, und ries der wackere Meßner nntten
in der Nacht alle Gutgesinnten zum Kampfe gegen
die rothen Mordbrenner auf?
Mit einem Satze war der dicke Herr, dem sich
bei diesem Gedanken die Haare sträubten, aus
dem Bett, in den Hosen und am Fenster. Hinter
den Gardinen versteckt, schaute er. die Augen
...... . er, die Äugen
zusammenkneifend, an allen Gliedern zitternd in
die dunkle Nacht hinaus. Und — o heilige Maria!
— was sah er dort unten auf der Straße? Kopf
an Kopf, standen sie auf dem Kirchplatz, Männer
und Frauen, und gnckten, heftig gestikulirend,
zu dem schlanken Thurm empor, von dem noch
immer die Glocke in die stille Nacht hinausstöhnte.
Gewiß, sie maren's, die rothen Revolutionäre! Die
Beiden dort mit der Ballonmütze kannte er. Es
waren zwei Arbeiter aus der Ziegelei, die letzten
Herbst das gottlose Flugblatt zur Landtagswahl
vor die Thürschwelle des Pfarrhauses gelegt hatten.
Wollten die schrecklichen Menschen hier mitten in der
Nacht die Kirche stürmen oder gar das Pfarrhaus?
„Babette!" rief der geängstete Hausherr.
„Babette!" Er gab der getreuen Schaffnerin,
die in einer weißen Nachtjacke mit zerzausten
Haaren in der Thüre des Schlafzimniers stand,
den Befehl, das Silberzeug in den Keller zu
tragen, als plötzlich das Glockenläuten draußen
verstummte. Zugleich sah er, wie fick drunten
auf dem Platze alles der Kirchenthüre zudrängte.
Und siehe da! Es dauerte nur wenige Sekunden
und sie öffnete sich und eine unsichtbare Kraft
warf den allen wohlbekannten Meßner auf die
Straße hinaus. Da lag er nun, alle Biere von
sich gestreckt, im Straßenschmutz und glotzte die
ihn umdrängendc Menge an.
„Was wollt Ihr?" stotterte er endlich verlegen,
indem er sich schwankend aufrichtete und sich mit
der einen Hand gegen die Kirchenmauer stützte.
„Was wir wollen?" schrie es da durcheinander.
„Seht doch den Kerl an! Läutet uns mitten in
der Nacht aus dem Bett und fragt noch, was
wir wollen!"
„Aber ich bitte Euch, ihr lieben Leute", japste
der Meßner, sich in feierliche Positur stellend.
„Ich habe doch Betzeit geläutet. Es ist ja fünf
Uhr! — jawohl fünf Uhr. — Wir halten fest
und treu zusammen, hipp, hipp, hurrah! Fragt
nur den Herrn Pfarrer dort oben am Fenster!
Der wird es Euch sagen, daß es Fünfe ist!"
„Aber Süsfli", rief jetzt der Pfarrer, dem eine
dumpfe Ahnung dämmerte. „Ihr seid ja betrunken?
Wo ward Ihr denn diese Nacht?"
„Wo ich war, Hochwürdigster Herr?" lallte der
Meßner. „Wo denn anders als im Patrio — —
tischen Verein, wo wir die Fl — Fl — Fl — otten-
vorlagc angenommen haben. — Wir halten fest
und treu zusammen, hipp, hipp, hurrah!"
Und unter dem Hohngelächter der Dorfleute
wankte der Meßner nach Hause.
Der Pfarrer wollte eben voll Zorn das Fenster
schließen, als eine ihm wohlbekannte Stinnne —
es war die des einen Ziegeleiarbeiters — an sein
Ohr schlug. „Da wir zum Beginn des Mai",
so rief der Arbeiter, „vom patriotischen Meßner
aus dem Schlafe geläutet worden sind, so wollen
wir nicht auseinander gehen, ohne der völker-
wir nicht auseinander gehen, uyut v.. -
befreienden Sozialdemokratie ein Hoch ausgebracht
zu haben." Der Vorschlag wurde jubelnd aus-
genommen und brausend erfüllte das Hoch die
Luft. — Dem frommen Pfarrer, der wohl fühlte,
daß man ihn damit ärgern wollte, blieb nichts
anderes übrig, als im Stillen die Fäuste zu
ballen und nnt seiner Haushälterin das Silber-
zeug wieder aus dem Keller zu holen. Um
seine Nerven einigermaßen wieder in Ordnung
zu bringen, las er seiner Babette das Lex Hcinze-
Gesetz vor nebst Titel, Unterschrift und Motiven.
So begann der erste Mai in Jrgetsheim. Haha.
Menagerie-Unfug.
hoch, zu seiner vollen grosse reckt Old Englands
Leu die Glieder
Und die Schakals und hyänen ducken sich ver-
ängstigt nieder.
Aiilhend schüttelt er die Mähne, hebt die raub-
geschärften Pranken
Und mit donnerndem Getöse wisst er an den Eisen-
schranken.
Ulehe, wenn das schwanke Gitter endlich fällt von
seinen Schlägen,
namenlosen Kammer gäb’ es — Mord und Brand
auf allen Wegen.
Zitternd lauschen alle Lhiere auf das Brüllen und
das Loben,
Denn die Störung seines Trasses bat er ihnen zu
geschoben.
Bacheschnaubend brüllt und geifert Englands Leu
nach allen Seiten,
sichtet kaum der Ovationen, die die Cbiere ihm be-
reiten;
Sie bedrohen Buh und Leben — neidisch ob der
blut'gen Bissen,
Da der silrikanerkönig just ein ganzes Uolk zer
rissen!
Und der Bär saugt an den Blauen, scheuert seinen
strupp’gen Bücken
Und der Hahn kräht jesuitisch tbeilnabmsvoll aus
freien Stücken
Und der siar senkt telegraphisch aus der Höhe seinen
Segen
Und die Enten — ach die Enten! schnattern heftig
allerwegen!
Doch der Löwe brüllt noch wilder, wilder noch wird
das Getümmel--—
Uleil — beinah’ — den Leu bedroht bat jüngst ein
sechzebnjähr’ger Lümmel.
Kikik.
Lieber 6ott — sieb Sonnenschein
Reuss-Schleiz-Gera-Eobenstein!
es ist so nicht hell auf erden — -
Dort will’s vollends duster werden.