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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0100
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-• 3244

Georg Baßler f

Line den Parteigenossen von weit und breit wohl-
bekannte Persönlichkeit ist vorzeitig aus dem Leben ge-
schieden — Georg Baßler ist am (Ostermontag nach längerer
Rrankheit, erst Jahre alt, gestorben.

Zeine lange und eifrige Lhätigkeit inner-
halb der württembergischen Arbeiterbewegung
sichert ihm ein bleibendes Andenken.

Georg Baßler wurde am Iuli 3(857 in
Stuttgart geboren. Lein Vater war Güter-
beförderer. Der junge Baßler erlernte die
Buchdruckerei und machte sich schon als Lehr-
ling bei dem großen Buchdruckerstreik von
3(872 bemerkbar. Nachdem seine Lehrzeit be-
endigt, schloß er sich der sozialdemokratischen
Partei an, wo er sich bald bedeutenden Lin-
sluß erwarb.

Das Sozialistengesetz kam und die noch
kleine Partei in Württemberg hatte Anfangs
schwer unter demselben zu leiden. In dieser
Zeit der Rrisis stellte Baßler seinen Mann.

Lr that alles, um den Zusammenhang unter
den Parteigenossen aufrecht zu erhalten, und
er besaß ein so großes Vertrauen, daß ihm
die eigentliche Leitung der Parteiangelegen-
heiten eine Zeit lang ganz von selbst zufiel.

Leine Rümpfe mit der Polizei, die er manch-
mal recht geschickt hinters Licht führte, konn-
ten das Vertrauen der Parteigenossen nur er-
höhen. Allerdings blieb es ihm auch nicht 4
erspart, längere Zeit hinter den „schwedischen
Gardinen" zubringen zu müssen.

Zu Anfang der achtziger Jahre begründete
die württembergische Sozialdemokratie, nach
mehreren verunglückten Versuchen, endlich
wieder ein lebensfähiges preßorgan und
zwar das „Schwäbische Wochenblatt".

Verlag und Druck wurden dem Genossen
Dietz, die Redaktion dem Genossen Baßler
übertragen, dessen Liufluß, trotzdem ihm da-
mals auch eine starke Gegnerschaft erstand,
dadurch bedeutend verstärkt wurde. Das
„Schwäbische Wochenblatt", das auch unter
dem Sozialistengesetz einen energischen Rampf
gegen Rlassenherrschaft und polizeidruck führte, erwarb
sich rasch Beachtung und Anerkennung. Als Dietz im
Jahre 3(885 die Buchdruckerei nach Hamburg verlegte,
übernahm Baßler im verein mit Moritz Schröter auch
den Druck des „Schwäbischen Wochenblatts". Um diese
Zeit war Baßler auch auf den Rongressen der deutschen
Sozialdemokratie im Ausland anwesend; er fand sich in

Ropenhagen und in St. Gallen ein. In St. Gallen war
er mit Blos und Meister auch bei dem bekannten
Spitzelabenteuer Grillenbergers zugegen.

Lnde der achtziger Jahre setzte Baßler in der neuen
Dietzschen Druckerei seine Lhätigkeit fort. Rach dem Ab-
lauf des Sozialistengesetzes und nachdem wieder eine regel-
rechte Organisation und Parteileitung geschaffen, war

Baßler namentlich im Bezirksverein Heslach thätig, der
bald zahlreiche Mitglieder zählte. 3(895 kandidirte Baßler
im Landkreis Stuttgart für den Landtag und erzielte
einen schönen Lrfolg; in der Stichwahl siegte der Ran-
didat der Volkspartei.

In die Leitung des Stuttgarter Ronsumvereins ge-
wählt, entwickelte Baßler auch da eine reiche Lhätigkeit.

Bis in die letzte Zeit seines Lebens zeichnete er- als
verantwortlicher Redakteur die „Reue Zeit" und den
„wahren Iacob", wodurch sein Rame weithin bekannt
wurde. Die Rrankheit, die ihn hinweggerafft hat, zwang
ihn in der letzten Zeit, sich von allen Geschäften fern-
zuhalten. Line Witwe und drei Rinder betrauern den
allzufrüh Geschiedenen.

Baßler war ein zäh ausdauernder und
nicht zu entmuthigender Streiter in dem großen
Rampfe, der die Befreiung der Arbeiterklasse
zum Ziele hat. Rein Ungemach konnte ihn
beugen.

„• Leine Persönlichkeit hat sich den Partei-
genossen besonders auch dadurch eingeprägt,
daß ihn ein lebendiger und frischer Hauch
schwäbischen Humors und schwäbischer Ur-
wüchsigkeit umgab. Das wirkte so auf seine
Umgebung ein, daß sich eine Reihe von
lustigen Legenden in Bezug auf Baßler
bildete. Den älteren Parteigenossen mag
noch der von ihm begründete angebliche
Gesangverein „Crulla" bekannt sein, der ein
gewöhnlicher Ulk, aber bestimmt war, die
Polizei zu foppen, wirklich brachte es Baßler
dahin, daß die Polizei gelegentlich mit un-
geheurem Lifer nach der geheimen „hoch-
verrätherischen" Verbindung „Crulla" forschte.

Während des Ropenhagener Rongreffes
wurden bekanntlich die Delegirten von der
dänischen Polizei überfallen und um Ramen
und Legitimation befragt. Baßler antwortete
auf alle Fragen beharrlich: „I hoiß Lchwitz-
gäbele!" Ltwas anderes war nicht aus ihm
herauszubringen und die dänische Polizei
mußte darauf verzichten, die ihr unverständ-
lichen Worte zu protokolliren.

Als auf dem Ropenhagener Rongreß über
die „Wurstblätter" losgezogen wurde, sagte
Baßler entrüstet: „Mir hent au so e wurst-
blättle, wo i der Gberwurstler bi!" Der
Rame „Gberwurstler" blieb bekanntlich an
ihm hängen, was er mit gutmüthiger Lelbst-
ironie aufnahm.

Den Cheilnehmern des Stuttgarter Partei-
tags von 3(898 wird er noch wohl im Ge-
dächtniß fein, wie er auf dem Degerlocher
weinfeft als Schultheiß Lchwitzgäbele von Zwiefalten
in echtem Bauernkostüm erschien. Damals hat er den
Freunden von nah und fern von goldenem Humor
erleuchtete Stunden bereitet.

Run hat die Flamme seinen Leib verzehrt. Lin
Rämpfer ist gefallen. Die Genossen werden ihm ein treues
Andenken bewahren.

Briefkasten.

(Unverlangte Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

Groitsch 1001. Solche Dinge kann man nicht besingen.
„Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braver
Mann", — das mag auch dem „dicken Pastor" als Entschul-
digung für seine Verirrung dienen.

<£. St. Wir haben Ihren Beitrag einem unserer Mit-
arbeiter zur weiteren Behandlung übergeben. Bislang hat
der gute Mann noch nichts von sich hören lassen.

<£. J. in H. Nicht reif zum Abdruck. Im „Stimmungs-
bild" heißt es: *

„Sitzt man oftmals in der Stille,

Dann kommt die Gedankenfülle
Und erzeugt die Poesie.

Erst muß man für's Essen sorgen.

Dann zählt man sein Geld für morgen.

Aber leider reicht es nie."

Das geht uns auch so. Trösten Sie sich.

A. R. Daß beim „Flottenbauweltstreit" bald auf dem
Ozean kein Platz mehr für die Schiffe sein sollte, glauben
wir nicht ohne Weiteres, sintemalen das Meer nicht mtr weit,
sondern auch tief ist.

w. R. in Rixdorf. „Soeben ist hier der letzte Bäcker-
meister eines elenden Hungertodes gestorben. Der Zwölf-
stundentag war die Ursache seines schrecklichen Endes." Bet
uns in Württemberg nehmen die dicken Bäuche der Bäcker
nicht ab.

A. Sch. Ihr Wunsch ist uns Befehl. Wir driicken Ihnen
im Geiste die Hand.

A. LN. Mit bestem Dank abgelehnt. Die Geschichte ist
zu umfangreich. Die ostelbischen lox Heinze-Männer würden
gegen die Wiedereinführung des „Rechts der ersten Nacht"
gewiß nichts einzuwenden haben.

H. A. in Hannover. Ihre Ahnung hat Sie nicht be-
trogen, der Papierkorb hat das Gedicht bereits verschluckt.
Besten Gruß.

B. S. in B. Ganz hiibsch, aber zur Aufnahme nicht ge-
eignet.

Wilhelm Dum Dum in Amsterdam. Warten Sie es
nur ab: Lehmann kann noch mehr. „De Slag op de Modder-
river" ist gut, aber unsittlich. Pfui, schämen Sie sich!

H. R. in M. Die Geschichte des Dragoner Huber und
des Dienstknechts Huber ist nicht neu.

w. L. in A. Das Gedicht von Konrad Telmann ist be-
kannt, daher abgelehnt.

Liner von der Wasserkante. In veränderter Form
gelegentlich. Besten Dank.

H. I. 100. Sie theilen uns eine herzerquickende Neuig-
keit mit: „Admiral Tirpitz leidet an der Seekrankheit." Da-
von war bisher nichts bekannt. Wenn Tirpitz selbst dem
Wassergott viele Opfer bringen muß, so hat er noch lange
kein Recht, dies auch von der Zivilbevölkerung zu verlangen.

Abgelehnt: L. H. w. w. A. in L. H. L. in G.
G. Ro. in B. A. w. in kl.-B. L. Sch. in 0). H. B. in <£.

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Nunmehr liegt komplet vor:

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Soeben ist erschienen:

« « tnoeb * «

Kapitän a. D. der Artillerie

vie Armee
iler Demokratie.

Hutorisirte (Übersetzung
aus dem französischen
von Alfred ßermann fried

466 und XVI S. Vklav. Preis drosch. N. 4.—,
gebd. N. 4.60.

(Bd. 23 der Internationalen Bibliothek.)

Der Verfasser plädirt in diesem Werke für
die Einführung des Milizsystems in Frankreich
nach Schweizer Muster. — Lr geht dem heu-
tigen Militarismus scharf zu Leibe, dessen Fort
bestand nur dadurch erklärlich wird, daß die
herrschenden Massen an der Aufrechterhaltung
des bewaffneten Friedens ein großes Interesse
haben und daß ferner die chauvinistischen Schreier
einen gar zu großen Einfluß auf die unwissende,
geängstigte Masse ausüben.

Der Verfasser begrüßt diejenige Nation als
die geistige Leiterin der zivilistrten Welt, die
zuerst mit dem Militarismus brechen wird. Lr
hofft im Interesse seines Vaterlandes, daß es
Frankreich sein möge.

Den JtrbesurbibliofbeKen Äf

Verantwortlich für die Redaktion Friedr. Fischer in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Nachf. (G. nt. b. H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.
 
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