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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0102
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3246 —

_^s Dem Zentrum.

Wer auf da^ Wfaffeuvolk vertraut,

Hat jederzeit aus Saud gebaut

Mud er verfällt zuletzt gerechtem Spotte.

Es baut sich auf ihr ganzes Glück
Auf einem uetteu Schelmeuftück —

DaF zeigt sich wieder deutlich au der Flotte.

Erft faß man auf dem hohen Gaul;

Mau öffnete sehr weit das Maul

And plärrte: „Oiemals, niemals!" lauten Schalles;

Doch fah'n die Dfäfflein hinterdrein

Den Ernft an „höh'rer Stelle" ein

Und nun bewilligt man fo ziemlich Alles.

Es grenzt die schwarze Weldenthat
So ziemlich nah' an Volbsverrath,

Man wird uns wieder arg den Beutel schwächen.
Doch allzu schlau ist oftmals dumm;

So was nimmt selbst der Bauer krumm
Und recht bedenklich Kanu der Fall sich rächen.

Die Herrn mit Läppchen und Tonsur,

Die halten weder Treu noch Schwur,

Und eingefuchst sind sie auf schnöde Ränke.

Doch diesmal ist riskant der Spaß
Und wo das biedre Leutrum saß,

Sieht man am Ende künftig — leere Bänke.

Blihdralft-Meldungen.

Berlin. Der Kaiser Franz Joseph von Oesterreich gedenkt sich
dauernd in Berlin niederzulassen, weil er in Oesterreich als Deutscher
von den Tschechen zu sehr unterdrückt wird. Er hat eine große Familien-
wohnung in der Königgräher Straße gemiethet.

— Nach Annahme der Flottenvorlage wird es in Berlin Orden
regnen. Die Ultramontanen fürchten aber, daß der Jesuiten-Orden
noch nicht dabei sein wird.

Lübeck. Der Senat erließ ein Verbot, laut welchem keine Streik-
posten stehen dürfen. Das Strcikkomite hat darauf vom Senat Sessel

requirirt, damit die Posten, denen das Stehen verboten ist, sich setzen
können.

Bulgarien. Fürst Ferdinand giebt sich alle Mühe, dem Zaren die
Stiefel zu küssen, aber seine lange Nase ist ihm dabei stets im Wege.
Die Erhebung Bulgariens zum Königreich steht deshalb noch aus.

vorn Kongo. Aller Gummi, den die Weißen aus unserem Lande
sich holen, genügt nicht, die Schandflecken ihrer Kolonialpolitik auszu-
radiren . . .

— Zwölfhundert Schwarzen sollen von europäischen Kulturapostelu
die Hände abgehanen worden sein. Immerhin eine humane Leibes-
pfändung mit Belassung der nothwendigsten Extremitäten.

Inhalt der Unkerhalkungsbeilage.

Im Examen an der landwirthschaftlichen Akademie. Illu-
stration. — Leo Tolstoi. Von Franz Mehring. (Mit Porträt.)

— Inkognito. (Jllustrirt.) — Nachruhm. — Gedankenbalken.

— Wie Bimbotowu deutsch wurde. — I^ex Heinze im Judeu-
thum. — Literarische Anzeigen: Wurm, „Gesundheitsschutz"
und Stadthagen, „Arbeiterrecht" betreffend.

Neueste Nachrichten aus dem Monat Mai.

Der Reichstag wollte sich eine kleine Privat-
Maifeier dadurch veranstalten, daß er in der
erhofften Abwesenheit der sozialdemokratischen
Abgeordneten die Giltigkeit der Wahl eines land-
räthlichen Junkervertreters durchdrückte.

Unsere Abgeordneten haben aber den 1. Mai
benützt, um die Schlauberger in den April zu
schicken. Und das ist sozusagen auch eine Maifeier.

Herr von Miguel hat den Waarenhaus-Ange-
stellten erklärt, daß das Gesetz über die Waaren-
hausstcuer zwar keinenZweck habe — gemacht
werde es aber doch.

Hoffentlich wird der Antrag gestellt, diesen
bemerkenswerthen Bescheid als ersten Paragraphen
dem Gesetz einzufügen — und denselben als
Leitmotiv der Gesetzgebung des aller-
neuesten Kurses zu acceptiren.

Ein sächsischer Fabrikdirektor erklärte vor Ge-
richt, daß er die Arbeit der zahlreichen, in seiner
Weberei beschäftigten Kinder als Spielerei be-
trachtet habe.

Aber natürlich! Und wenn die Kinder nach-
her die Schwindsucht bekommen, so dient ihnen
das eben zur weiteren Unterhaltung und
Erholung. _

Die Hanauer Industrie empfiehlt „Deutsches
Flotten-Kloset-Papier, desinfizirend, weich
und fest. Frei von schädlichen Stoffen!"

Wir empfehlen hierzu passend einen Trichter
im Lokus; dadurch werden sich sämmtliche wohl-
bekannten Töne in ein schneidiges Hurrah
verwandeln.

Das neueste Jagdvergnügen der Schwarzen ist,
auf Nuditäten in den Schaufenstern der Kunst-
händler zu jagen. _

Das Fleisch b eschaugesetz verdient seinen Rainen
immer weniger — da nach den neuesten Kom-
promissen der kleine Mann überhaupt kaum
noch welches zu besehen bekommen dürfte.

Das Lübecker Senätchen.

Das Lübecker Senätchen
Hak jüngst für Staat und Städtchen
Erlassen rin Vrfehlchrn
Kn alle Häscherserlchen.

Da« lübschr Polffrichrn

Lässt sich nicht mehr erweichen —

Wer stört rin Kusstandsbrrchrrchen,
Dem naht es gleich als Rächrrchen.

Wer fern hält Krbeiksleukchrn,

Den straft es gan; brdrukchrn,

Wer'n Hundsfott fchitt Hundsfökkchen,
Der kommt gleich ins Kafchllttchrn.

Ja, steht wer nur am Eckchen,

Gleich greift es ihn vom Fleckchen,

Und steht wer auf dein Sträßchen,
Gleich hat es ihn beim Naschen.

Sperr' auf drin kleines Vehrchen
Du fchnrid'grs Sena-Thörchen:

Drin muntres Wännrr-Hrhchrn

Ist gegen's Rrichsgefetzchen! t.

Lin Märchen von der Gerechtigkeit.

Frau Justitia hatte für heute genug von ihren
Büreaustunden und wollte sich den schönen Abend
über ein wenig im Walde ergehen. Legte also
Schwert und Wage in den Aktenschrank, gab die
Augenbinde derweil in die Wäsche nnd schritt be-
haglich unter den Baumkronen dahin, bis allmälig
die Nacht hereinbrach. Nun wollte Fran Justitia
umkehren und zurück in die Stadt gehen, aber
da merkte sie zu ihrem Schrecken, daß sie die Rich-
tung verloren hatte. Mutterseelenallein sah sie sich
nach allen Seiten um, doch ihre Kunst, den rechten
Weg zu finden, versagte diesmal völlig. Endlich
glaubten ihre Augen in ziemlicher Ferne ein Licht-
lein flimmern zu sehen, und in der Hoffnung,
zu Menschen zu gelangen, marschirte sie tapfer drauf
los. Das Lichtlein schien zu hüpfen und zu
tanzen und war bald blau, bald roth, funkelte
einmal wie ein edelsteinbesetztes Krönlein, das
andre Mal wie ein Schatz von gleißendem Golde.
Frau Justitia ward mächtig angezogen und achtete
gar nicht auf das Gestrüpp, das ihr die Kleider
zerriß und das Gesicht peitschte; je näher sie
kam, desto blinder ging sie drauf los. Plötzlich
stolperte sie über eine tückische Baumwurzel. Mit
zerschundenen Knieen und schmerzenden Füßen
schleppte sie sich weiter. Der Boden unter ihr
wurde weich und feucht, sie war in einen Morast
hineingerathen und konnte sich kaum noch an ein
paar herunterhängenden Zweigen anklammern.

In dieser kläglichen Lage fand sie am nächsten
Morgen ein Arbeiter, der sie bald auf den rechten
Weg brachte. Er belehrte sic, daß sie von einem Irr-
licht gefoppt worden sei, das stets in sumpfige Gegen-
den führe. Jusütia versprach, hinfür sich vor solch'
bösen Verirrungen in Acht zu nehmen. Aber Ver-
sprechen und Halten sind zweierlei. Die Verirrungen
sind fortgesetzt worden und eines schönen Tages
wird man die leichtsinnige Frau zum Gespött des
Volkes in dem Sumpfe elendig umkommen lassen.

M. E.
 
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