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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0110
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- . 3254 .—-

Inkognito.

Am Rande eines uralten Eichenwaldes,
in einer weitausgebuchteten Lichtung stand
der aus Brettern zusammengeschlagene
Pavillon „Zur Waldhütte". Früher konn-
ten da Familien Kaffee kochen; seit aber
Larsen einen großen Tanzsaal angebaut,
braute er das liebliche Getränk selber,
und er sah es nicht einmal mehr gern,
wenn die Gäste aus der nahe gelegenen
Stadt ihren eigenen Sonntagskuchen mit-
brachten. Dabei wurmte sich weniger der
Gastwirth in ihm, als der — Patriot.
Denn Seine Hoheit der Landesfürst hatte
gelegentlich eines Besuchs in der Wald-
hütte von Jens Larsens safrangelbem
Napfkuchen gekostet und denselben als
„nicht übel" zu bezeichnen geruht. Das
genügte, um den Männerstolz vor Königs-
thronen bis ans den Bauch in den Staub
zu drücken.

An den Bäumen um die Waldhütte
herum befanden sich denn auch allerlei
Tafeln, auf denen die staunende Mensch-
heit lesen konnte, daß Seine Hoheit der
Allergnädigste Herzog am so und sovielten
allhier geruht haben, drei Setzeier mit
Schnittlauch zu sich zu nehmen. Schlechte
Menschen tf)eilten dann wohl dem erstaunten
Fremden im Anschluß daran mit, daß „gleich
um die Ecke" Seine Hoheit die Setzeier wieder
von sich zu geben geruht hatten.

Doch das gehört eigentlich nicht zu unserer
Geschichte.

An einem schönen Frühlingsabende war
Jens Larsen aus dem Häuschen. Ein Bote
war mit der Meldung eingetroffen, daß der
Erbprinz bald nach Anbruch der Dunkelheit
in Begleitung einer kleinen Gesellschaft in der
„Waldhütte" eintreffen würde — und zwar
auf dem Wasserwege. Jenseits der Wiesen
nämlich zog sich ein Fluß hin, welcher einem
bekannten Seebade seinen Namen giebt.

Der Bote hatte zwar etwas von „inkognito"
und „reservirtem Zimmer" oder dergleichen
fallen lassen, aber Jens Larsen war begeistert
— und jede übermäßige Begeisterung legt sich
ein bischen auf die Klarheit und Aufnahme-
fähigkeit der Sinne. Die Worte Erbprinz und
Eintreffen hatten genügt.

„Ja", brüllte Larsen jubelnd zurück
und winkte in seiner überströmenden
Herzensfreude mit dem bereitgehaltenen
Taschentuche.

Laut und vernehnilich tönte es im
tiefsten Brustton der Ueberzeugung von
der kehrtmachenden Dacht zurück:

„Jens Larsen ist ein Esel!" Kikik.

Nachruhm.

Na» pinselt, meißelt, fiompoitirf und dichtet,
Singt's hohe C und trommelt auf den Tasten
lind mimt in jeder Tonart ohne Aasten,

So ist auf Aachruhm unser Sinn gerichtet.

Um diesen Auhm muht mancher in Beschwerden
Sich stündlich ab, hat er auch nichts zu beißen,
wozu? Man braucht ei» Louis nur zu werden
Und außerdem hat heinze — man zu heißen.

wohl wird der Aame Muhattied verbinden
Sich allezeit mit deinem Aainen, Allah!

Doch wird auch heinze sonder Zweifel finden
Aoch einen platz in Regensburgs Walhalla.

Als der Abend anbrach und die weißen
Segel der Dacht sich in der Ferne zeigten,
standen aus der Landungsbrücke hinter dem
barhäuptigen Jens Peter Larsen der gesammte
Gemeiirderath, der Kriegerverein und die Lie-
dertafel des benachbarten Ortes, zu dessen Ge-
biet die „Waldhütte" gehörte. Letztere selbst
und die nächstgelegenen Waldpartien strahlten
in der Beleuchtung Hunderter von Lampions.
Ueberall war Pulver für bengalisches Licht
gestreut und zwei Salutkanonen standen auf-
gefahren.

Die Dacht rauschte immer näher, und schon
wollte Larsen das Zeichen zur Entfesselung
auch der letzten patriotischen Licht- und Klang-
wirkungen geben, als das fürstliche Gefährt
stoppte.

Was war das!

Unter den Fräcken pocht das Männer-
herz —

Da dröhnte durch ein Sprachrohr eine
Stimme über das Wasser:

„Ist Jens Larsen da?"

Die wohlthaten der Großen entstammen selten edlen
Motiven. t

3n vielen hundert Jahren wird eine neue Menschheit
nicht begreifen, daß es einst Leute gab, dis über allen
Gesetze» standen.

Krden und Verdienstmedaillen unterscheiden sich durch
nichts von dem bunten ßedernschmnck der Indianer —
und sie dienen auch demselben Zwecke.

Je höher der Linfluß eines Menschen im Staats-
leben steigt, desto tiefer sinkt sein guter Mille.

Wenn eine Regierung merkt, daß sie unbeliebt wird,
braucht sie nur ein kleines Attentat zu bestellen.
Dann regnet es Vrden und Sympathiekundgebungen von
oben und unten.
 
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