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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0120
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3264

Das Märchen von den beiden Eseln,
von denen der eine keine Säcke tragen wollte.

In drei Bildern von Rata Langa, Rom.

(As ist schon lange her. Damals hatten alle Menschen Eselsköpfc.
Jetzt ist das anders geworden, — die Eselsköpfe sind verschwunden und
nur die langen Ohren sind geblieben; sie erinnern an eine längst ver-
gangene Zeit. Wer gute Augen hat, kann die langen Eselsohren an den
Köpfen der Menschen heute noch sehen. Beinerkt es einer, so darf er es
beileibe nicht verrathen, sonst versetzt man ihm einen sogenannten Esels-
tritt. Das ist Atavismus, ein Rückfall in frühere Gewohnheiten.

Aber nun zu unserem Märchen.

Ein nobler und ei» ganz gewöhnlicher Esel hatten jeden Tag je einen
Sack zur Mühle zu tragen. Anfangs versuchte der noble Esel den ge-
wöhnlichen Esel durch kleine Geschenke zu bewegen, beide Säcke zusammen
zur Mühle zu schleppen. Das wurde langsam zur Gewohnheit, und als
der geivöhnliche Esel murrte, trieb der noble Esel ihn mit einein Stecken
zur Mühle. Esel bleiben halt immer Esel und nur selten kommt ihnen
ein vernünftiger Gedanke. Der noble Esel fand noch ein Vergnügen daran,
seinen Bruder, den gewöhnlichen Esel, zu puffen und zu schlagen, und zwar
dann ganz besonders, wenn der dumme Esel nicht mehr tragen wollte.

Endlich wurde der gewöhnliche Esel ärgerlich und sagte: „Waruni
soll ich beide Säcke schleppen und mich plagen, während mein Mitesel
hinter mir herläuft und mich für meine Gutmüthigkeit noch prügelt?"
Wie immer bei den Eseln, so dauerte cs auch bei unserm Esel lange,
bis er sich zur That aufrafftc, aber endlich kam er dazu. Er setzte beide
Säcke auf die Erde und nahm dem noblen Esel den Prügel weg und
rief: „Wenn Du nicht gleich mir sofort den Sack aufhebst und zur Mühle
trägst, so walke ich Dir Dein graues Fell durch, so wahr ich ein recht-
schaffener Esel bin!"

Da ward es deni noblen Esel nicht wohl zu Muthe. Mit dem ge-
wöhnlichen Esel konnte er im Ernst nicht anbinden und mit List war
nichts mehr auszurichten. Seufzend nahm der noble Esel seinen Sack
unter den Arm und stehe da, es ging ganz gut! Keiner hatte zu viel zu
tragen, keiner zu wenig! Sie brannten hierauf ihre Ulmer au und
qualmten vergnügt ihren Weg in dem fröhlichen Bewußtsein, daß die
Esel wohl zum Tragen da sind, aber daß die Plage hübsch gethcilt werden
müsse. Der Stand der noblen Esel wurde abgeschafft und alle traten
in die Klasse der gewöhnlichen Esel ein.

So sind sie. --sv—

3a, grosse Derrcn und Diplomaten
Illegieren die Völker und die Staaten.

Sie nehmen beute recbt voll den Mund
And verkünden scbmunzelnd dein Lrdenrund:
„Mir wollen die ganze Menschheit beglücken,
Luch Alle beglücken Mann tür Mann —

Das Leben wird werden das reine Lntzücken
Von Astracban bis Teheran
And nocb ein Wischen weiter."

3a, grosse Iberren baden es gut
And Diplomaten baden es kein;

Denn ihre Lrkolge mit Glanz und Scbeiit
Gehören natürlich ihnen allein,

Doch tür ihrer Misserfolge Wrut
Datten die Völker mit ihrem Wlut.

Deut krübt es aut jedem Mist der Dabn

Voll Astrachan bis Teheran

And nocb ein Wischen weiter. 2.

Neuestes von Serenissimus.

Ais Serenissimus, der viel reiste und universell veranlagt war, auch
durch das Land Tirol kam, wurde er auf das Tiefste von einem seine
Fertigkeit ausübenden Jodler ergriffen. Er nahnr eingehend Unterricht
int Jodeln und erzielte schnell wunderbare Resultate. Nach seiner eigenen
Allssage ivar das Jodeln tut Bereich von Kunst und Wissen das Einzige,
was er vordem noch nicht bewältigt hatte. Nunmehr war auch das er-
reicht. . ,... —

manderlUd.

lüir ziehen schon jahraus, jahrein,
Mein Bruder, ich und Du,

UJeit in die weite Hielt hinein
Und linden keine Ruh-

6. THacasy.

So weit der Erde Bogen reicht
Und eines Wandrers Schuh,

Bat unser Juss kein Ziel erreicht
Und unser Herz nicht Ruh-

Bald suchen Arbeit wir und Ort,
Mein Bruder, ich und Du,

Doch bindet uns kein Werk und Wort
Und hält uns keine Ruh-

Wir haben oft ein einzig Hemd,

Mein Bruder, ich und Du,

Und keine Sorge ist uns fremd
Und finden doch nicht Ruh-

Dur, wenn’s den Herren so gefällt,
Mein Bruder, ab und zu,

Und wenn uns eine Zelle hält,
Dann giebt es kurze Ruh-

Glänzt aber uns der Sonnenschein
Der Freiheit wieder zu,

Zieh» wieder in die Welt hinein,
Mein Bruder, ich und Du.

Verantwortlich für die Redaktion Friedr, Fischer in Stuttgart- — Verlag und Druck von I. H- W. Dietz Rachs, (G-»,. b. H-) in Stuttgart, Furihbachstraße 12.
 
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