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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0122
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3266 • •

-L- Johann Gutenberg. -Z-

Auf ein halb Jahrtausend wenden
Heute wir den Blick zurücke —

Eisern hielt das Volk in Banden
Fürstenmacht und Pfaffentücke;

Freier Geister Lichtgedanken
wurden jäh erstickt im Blute,

Ketzer starben in den Flammen
Und der Büttel schwang die Ruthe.

Da, im goldnen Mainz, erhob sich
Gutenberg, der kühne Meister,

Seine fünfundzwanzig Lettern
warf er in den Kampf der Geister,
Und ,,Ls werde Licht!" so sprach er,
Und dem siegenden Gedanken
Sprengte er des Lebens Pforte,
Brachte eine Welt ins Wanken.

was er lang ersann, erforschte,
Herrlich war es ihm gelungen,

Reden konnten Geisteshelden
Nun zum Volk mit tausend Zungen.
So dem Worte gab er Flügel,

Dem Gedanken Schild und wehre,
Brach die Bahn dem Wissensdrangs
Und der Freiheit warb er Heere.

Mochte auch die Finsterlinge
Solcher Umsturz tief empören,

Papst und Kaiser, pfaff und Ritter
Konnten nicht das Werk zerstören,

Denn das Volk, es lernte lesen,

Lernte denken, wollen, streiten —

Ueber Burgruinen tagte
Dann ein Morgen andrer Zeiten.

Wohl — bis heute noch geschäftig
Sind des freien Wortes Rächer,

Auch in deutschen Kerkern weilen
Heute noch die ,,preßverbrecher".

Doch das Wort, dem Adlerschwingen
Meister Gutenberg gegeben,

Spottet seiner Unterdrücker
Und es athmet Licht und Leben.

Darum wird des Meisters Name
Niemals seinen Glanz verlieren,

Keinen Fürsten, keinen Helden
Kann ein solcher Lorbeer zieren.

Heute, nach fünfhundert Jahren,

Tönt sein Ruhm in Jubelklängen —

Möge seine letzten Fesseln

Bald der Menschengeist nun sprengen.

Max Regel.

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Zum fünfhundertsten Geburtstage Gutenbergs. Von Franz
Mehring. (Jllustrirt.)

Blihdraht-Meldungen.

Berlin. Die Bemühungen der Flottenfexe, einen flotten-
freundllchen Arbeiter aufzutreiben, sind endlich von Erfolg
gekrönt. Man hat einen solchen gefunden — in der Ab-
theilung für Unheilbare in Dalldorf.

— Durchgegangen und bis jetzt nicht aufzufinden ist eine
Kuh, welche auf dem politischen Markte von klerikalen Händ-
lern gegen Marine-Utensilien eingetauscht worden war. Die
Verlustträger sind sehr betrübt.

— Wie man hört, ist Heinze sehr unglücklich darüber,
daß seine Lex Schiffbruch gelitten hat. Er hatte sicher auf
einen Orden gerechnet.

Mainz. Die deutschen Staatsanwälte betheiligen
sich besonders stark an der Guten bergfeier, weil Guten-
berg es ihnen ermöglicht hat, ihr Talent in Preßprozessen zu
erproben.

München. Die Todtenfeier der lex Heinze wurde hier
von den Ultramontanen in solenner Weise begangen. Die
Herren trugen Angst-Roeren, die Damen Feigenblätter mit
Trauerrand. Pfarrer Mosauer, der eigens zu diesem Zwecke
aus dem Zuchthaus ausgebrochen war, hielt eine wahrhaft
ergreifende Trauerrede.

— Verhaftet wurde ein schon bejahrter und verheiratheter
Prinz wegen aufrührerischer Reden.

China. Anzeige wegen Uebervortheilung machte ein
chinesischer Grundbesitzer, weil er von seinen Pächtern fort-
während über die Ohren gehauen wird.

Oh Korum, — worum?!

„Vocksaufwiegler" und „Betrüger"
Schalt uns der Herr Bischof Korum,
Und von seinen Donnerworten
Hallt' des heiligen Rockes Forum.

Worum?

Schilt nur weiter, frommer Priester,

Edler Bischof Doktor Korum-

Und wenn Du genug gescholten,
Steig' uns auf den Buckelorum!

Dorum!

vas liebe 6oM.

Als einst Paris die schreckenvolle Bübne
Des Unterganges einer Reldenschaar,

Des letzten Codeskampfes der Kommune
Mil Galliffets betrunknen Korden war;

Als rings in Blut die schmucken Lassen schwammen,
Die sonst Leiächter und Leschwätz erfüllt,

Als sich die Stadt der lüelt in Bauch und Jlammen
Uon der Paläste Riesenbrand gebullt,

Als Jreund und Jeind von dieser Niederlage
Und ihrem düstern Pathos übermannt —

Dur eine Sorge bat, nur eine Trage
Die Börsenwelt Europas da gekannt.

Dass man zur Schlachtbank Causende getrieben,
Des Soldes Knechte hat es nicht gepackt —

Die Bank von Trankreich war verschont geblieben,
Das Sold in ihren Kellern war intakt!

Und war noch zehnmal schrecklicher und trüber,
Was la Roquette, was Pere Eacbaise gesebn —
Die Börse ging zur Cagesordnung über:

DcrBank von Frankreich war ja nichts gescheht!.

Dun führt ein Weltreich seine Söldnerborden
ln Riesenschiffen rastlos übers Meer,

Ein kleines Volk erliegt nach langem Morden
Im Codeskampf Alt-Englands grösstem Reer.
Aufjauchzte laut die Welt bei all den Siegen,

Die Cransvaals Uolk errang in offner Schlacht;

Sie trauert stumm bei seinem Unterliegen
Uor Englands Lold und seiner Uebermacbt.

Man ballt die Taust und auf dem Lrund der Klage
Rat bittrer Uorwurf drohend sich geregt —

Die Börse aber kennt nur eine Trage,

Uon einer Sorge nur wird sie bewegt.

Dass sich ein Reer da drüben aufgerieben.

Dass Bauernblut mit Jürstenblut sich mengt,

Was kümmert sie’s? Sind doch intakt geblieben
Die Minen all — man bat sie Nicht gesprengt.
Das war der einz'ge schlimme Nasenstüber,

Den sie gefürchtet — bei der Lruben Werth!
nun gebt sie kühl zur Cagesordnung über:

Sind doch die Minen gänzlich unversehrt.

Auch eine Alzeinsage.

„Zum Kuckuck!" fluchte Vater Rhein, „das is nu
schon der achte! So 'ne Malefizschweinerei! . ."

Es war wirklich ein Skandal. Wieder gab
eine Blaujacke der Torpedoflotte die allzu reich-
lich genossenen Festweine samnit den Festspeisen
von sich.

„Wallgunde, Walltraute", polterte der Alte,
„nehmt rasch einen Fetzen und putzt mir den
Nibelungenhort blank! Glauben die Kerls, für
sie waren goldene Spuckuäpse da?"

Sprach's und schrieb mit chemischer Tinte einen
groben Brief an Vetter Aegir, worin er sich den
Flottenreklamerummel und die ewigen Belästi-
gungen energisch verbat. Als nach zwei Tagen trotz
bezahlter Rückantwort keiir Kurierlachs eintraf,
machte er kurzen Prozeß. Die Tritone vor Straß-
burg mußten das Wasserspeien so lange einstellen,
bis die Blechkühue richtig ans dem Sand saßen.
Etsch! Nun strich sich Vater Rhein schmunzelnd
den grünen Bart, zwirbelte die Schnurrbartspitzen
verwegen in die Höhe und warf der Jungfer Lore-
ley eine Kußhand zu, daß es bis Wesel schnalzte.
Seine Töchter aber waren froh, daß die endlosen
„Waschtage" nunmehr eine Ende hatten.

Nur zwei Wochen.

Ls geht ein neu' Gesetzchen um,

Oie Wahlzeit zu beschneiden.

Das pflaumenweiche »Mittelgut
will es nicht länger leiden.

Zwei Wochen nur wird agitirt!

Schön — kann der Junker sagen.

Was früher ich in Wochen log,

Lüg' ich in vierzehn Tagen.

Die Pfaffen meinen frohgemuth:

Uns kann es auch nicht fehlen;

Die Stimmen kriegen wir schon ein.

Wir haben ja die — ,Seelen<!

Doch jeder ernste Volksmann wird
Den Uopf unwillig schütteln —

Er weitz allein-wie lang man braucht,

Den Michel wach zu rütteln. Kikik.
 
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