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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0130
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3274 .

1475 schon auf die damals große Lumme von 2425 Goldthalern ge-
schätzt; Anthoni Roburger hatte „in den namhaftesten Städten der
Lhristenheit sechzehn offene Trän, und Gewölbe", aus der Zeit bis
1500 lassen sich noch über 200 seiner verlagswerke namhaft machen,
zumeist starke Werke in größtem Folio. Der Buchhandel mit Italien
lag namentlich in der Hand der Baseler Drucker; nach England ver-
trieb, wie Erasmus einmal aus Lanterbury schreibt, der Drucker Kranz
Birckmann in Röln fast alle Bücher. Die ersten deutschen Verleger
waren nicht nur rührige Geschäftsleute, sondern auch Männer voll
ernsten und hohen Strebens; ihre Ramen sind in der Geschichte der
Wissenschaft unvergessen, und nicht minder wurden sie Förderer der
Runst durch die Holzschnitte, womit sie die Erzeugnisse ihrer Pressen
schmückten.

Nit der Typographie erblühte die Aylographie. Der Holzschnitt
entfaltete seine Schwingen als Runst, nachdem der Tafeldruck durch
den Letterndruck überwunden worden war. Lein goldenes Zeitalter

Wort vor dem geschriebenen und gesprochenen Wort voraus hat.
Seitdem ist sie die klassische Waffe jeder Revolution geblieben, die der
gesitteten Menschheit ein Stück vorwärts geholfen hat. Nicht als ob
sie die Ursache der Revolution sei, wie ihr kurzsichtige Finsterlinge so
oft nachgeredet haben, aber das mächtigste Werkzeug aller Revolu-
tionen, in denen die Völker ungestüm zu höheren Formen des mensch-
lichen Lebens vorwärts drängen, ist sie seit ihrer Entstehung immer
gewesen und wird sie immer bleiben.

Sie konnte den traurigen verfall der deutschen Nation von der
Mitte des sechzehnten bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
nicht hindern; auch diese edle und freie Runst mußte sich unter das
Joch beugen, und wie unendlich vieles von dem, was sie ein paar
Jahrhunderte lang auf deutschem Boden geschaffen hat, liegt heute
unter Moder und Staub vergraben, woran so leicht keine menschliche
Hand mehr rühren mag! Dann aber hat sich der Genius des
deutschen Volkes mit den fünfundzwanzig Soldaten Gutenbergs wieder


Aach Reutzners ,,2fcones", Stratzburg IS8?.
(Holzschnitt - Kacstmile. J[6. Jahrhundert.)

Den vordanz hat man mir gelan
dan ich on nutz viel bücher han,
die ich nit lis und nit verstan.

Lin Gelehrter mit Narrenkappe (Büchernarr) scheucht die Fliegen vom Buche.
(Aus Brants „Narren schiff". Erste Ausgabe. Basel (494.)

begann freilich erst mit dem sechzehnten Jahrhundert, mit dem großen
Meister Albrecht Dürer, doch nahm er schon mit der Buchdruckpresse
seine aussteigende Entwicklung. Es entsprach denselben Bedürfnissen
der Zeit, denen sie ihre schnelle Blüthe verdankten, daß Buchdruck und
Holzschnitt sich bald von der kirchlichen zur weltlichen, von der la-
teinischen zur deutschen Literatur wandten. Gemeinsam gaben sie
dem, 14S4 erschienenen, Narrenschiff Sebastian Brants, der bedeu-
tendsten Leistung der deutschen Literatur seit Jahrhunderten, eine un-
geheure Verbreitung. Brants Gedicht war eine kühne Satire auf die
geistlichen und weltlichen Mächte der Zeit, dabei voll gesunden und
kräftigen Humors; den Reigen der hundert und mehr Rarrensorten,
die Brant in sein Rarrenschiff lädt, führt er selbst, als Büchernarr,
der viel Bücher habe und immer neue kaufe, und sie doch weder lese
noch verstehe; ein Gestirn erster Größe, das die eigentlich bürgerliche
Literatur eröffne, wird Brant von seinem besten Herausgeber genannt.

Er war ein Vorläufer der deutschen Reformation, deren historischer
verlauf undenkbar ist ohne Buchdruck und Holzschnitt, ohne die rasche
Presse, die alle die fliegenden Blätter, von Luthers Thesen und Huttens
Pamphleten bis zu den zwölf Artikeln des großen Bauernkriegs über
das Land streute. Zum ersten Male zeigte sich die ungeheure Bedeu-
tung der neuen Erfindung als eine Triebfeder der historischen Ent-
wicklung, der sie jenen beschleunigten Gang verlieh, den das gedruckte

einen ebenbürtigen Platz unter den großen Rulturvölkern erobert, ver-
gleicht man einen Erstlingsdruck Lesstngs und Goethes mit den Pracht-
werken aus der Zeit Gutenbergs und Lchöffers, so sieht man hand-
greiflich, wie arm die deutsche Ration geworden war, aber aus diesen
dürftigen und mageren,Blättern ging eine Fülle welterobernden Lichtes
aus, und wie in Luthers und Huttens Tagen, wurde das gedruckte
Wort zu einer unwiderstehlich revolutionirenden Macht.

Dann sank es wieder zum feilen Helfer kulturfeindlicher Mächte
herab, nicht in schweinsledernen Bänden theologischen Gezänks, jedoch
in jener kapitalistischen Zeitungsmakulatur, von der es hieß: Gedruckt
sei wie gelogen. Aber zum dritten Male sehen wir seine welthistorische
Mission in unseren Tagen, wo es dem Lmanzipationskampf der mo-
dernen Arbeiterklasse den stärksten Flachdruck giebt. Man möchte fast
sagen, daß in dem Ramen der „deutschen Runst" von Anfang an
ein wenig historische Prophetie gelegen habe; mit keiner Waffe haben
die Deutschen in den revolutionären Rümpfen der modernen Jahr-
hunderte so glücklich gefachten, wie mit ihr, und deshalb haben die
deutschen Fürsten und Rönige auch immer einen instinktiven Haß gegen
sie gehegt. Als im Jahre f840 — ein Jahrzehnt zu früh — der
vierhundertste Geburtstag des Letterndrucks gefeiert werden sollte,
wurde die Feier an vielen deutschen Vrten polizeilich verboten und
Herwegh sang damals das kecke Spottlied:
 
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