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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0155
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3299

~©/ts' Hobrlspähnr.

Deutscher Michel, laß Dir sagen:

Deine Welten-Politik
Gegenüber den Chinesen
Zeugt von keinerlei Geschick.

Hast Kanonen bester Sorte
Erst geliefert übers Meer,

Als Kanonenfutter schickst Du
Deutschlands Söhne hinterher.

Die Fremden, die sich ungerufen in das
Himmlische Reich eingcdrängt haben, dürfen
sich nicht wundern, wenn sie sich plötzlich wie
aus den Wolken gefallen Vorkommen.

Fraglich ist noch, ob Europa
Der Chinesen Macht zerbricht,

Aber sicher ist das Eine:

Todtzureden sind sie nicht.

„Unlauterer Wettbewerb!" sagte der Bureaukrat, da begegnete
er einem Kaffern. . ^ .

Sie sind ins Garn gegangen,

Im Elsaß, Mann für Mann —

Das hat das heiße Verlangen
Nach hohem Garnzoll gethan.

In Bunzlau wurde ein 97jähriger Greis wegen Bettelns verhaftet
und im Gefängniß sicher untergebracht. Und da sagt man noch, es
geschehe von Staatswegen nicht genug für die Armen und Elenden!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Chinesisches.

Acht wirb gestritten um ein altes Reich
An Asiens wcltentleg'nem Kiistenstranöe.

Der ganze Westen wappnet sich zugleich,

Schon donnern die Kanonen in die Lande.

Läpp, hipp, Lmrrah! Vereint wirb's bester gehn,
Aedroht ist ja die Ähre der Rationen!

Cs kann der Europäer nicht verstehn,

Daß in dein China nur Chinesen wohnen.

öi>ie Ähristenthnm. und Vriesterherrlichkeit!

Wir wollen Euch Chinesen schon bekehren.

Wie kommt Ihr nur zu der Vermestenheit:

Seit lange schon Cuch Äurer ädaut zu wehren?!

Wir brauchen Land! Ihr habt genug davon.
Wozu denn hätten wir die starke Alotte?

2lur her damit, bezopfter „Limmelssohn"!

Sonst droht Gefahr der ganzen gelben Rotte.-

Wie klingt dein Machtruf, eitler Westen du!
Die Nlammen fchürtest du zum Riesenbrande. —
Stör' nicht ein friedlich Volk in seiner Ruh,
-Kekämpf' den „Dopst' in deinem eignen Lande!

, 8. A. M.

Prinz Tuan.

Otts ist der Prinz Tuan von Lhina,

Lin äußerst schneidiger iNann,

Der packt das Regieren des Volkes
Ganz fürchterlich praktisch an.
wer ihm den Gehorsam verweigert,
Zerschmettert wird er-sogleich,

Sein will« allein soll gelten
Im ganzen „himmlischen Reich".

wer sich als ein „fremder Teufel"

Nicht schmückt mit Lhinas Zopf,

Und wär' er vom ältesten Adel,

Dem haut er ab den Uoxf.

Lr sperrt seinen eigenen Raiser
Mit sammt seiner Ahnfrau ein,

Lr spottet der Mandarinen,

Denn herrschen will er allein.

wie schade, daß Der in Lhina
Und nicht in Luroxa tritt auf,

Ls machte ihn sonst unsterblich
Lin kseldcndrama von Laust.

Meinungsverschiedenheit.

Herausgeber eines Weltblattes: Zum
Teufel, was ist denn draußen im Vorzinimer für
ein Höllenlärm?

Setzerjunge: Nichts, blos der politische und
der Handclsredakteur raufen sich. Der Eine ivill
einen Artikel „Das Morgenroth einer neuen
Aera", der Andere einen Aufsatz „Am Vor-
abend des großen Krachs" für dieselbe
Nunimer setzen lassen.

Die patriotischen Bierphilister.

Lie saßen beim Pilsener Biere
Und redeten hin und her:

„Wir brauchen die große Motte,

Damit wir beherrschen das Neer!

Dafür muß opfern der Deutsche
Nit Freuden 8ut und Blut" —

Da kam der Wirth gegangen.

Der schien gar nicht wohlgemuth:

„Ihr Herren, der Zoll aufs Pilf'ner
Bedrückt uns Wirthe gar sehr;

Ls ist ja für unsere Flotte,

Drum nehm' ich fünf Pfennige mehr."

Da sprangen sie auf und brüllten
Und protestirten gar sehr
Und tranken vom Pils'ner Biere
Run keinen Tropfen mehr.

Neutralität.

Redet, so viel Ihr wollt, sie Alle sind eifersüchtig.
Die um China sich jetzt scheinbar einig geschaart;
Jeder lauert gespannt auf die Schwäche der
Nachbarn.

Unparteiisch allein, wahrhaft neutral ist nur
Krupp:

Für Chinesen, Japaner und Russen auch schafft
er Kanonen,

Taels und Dollars und Francs, Rubel und Mark
sackt er ein.

Herbe Enttäuschung.

„Vier Torpedoboote sofort seeklar machen!"
kam der Marinebefehl.

Friedrich Schultzes Herz schlug freudig unter
der blauen Jacke. Noch waren ihm in rosiger
Erinnerung die Saufgelage geblieben, welche die
Bevölkerung zu beiden Ufern des Rheins ihm
und seinen Kameraden zu Ehren veranstaltet
hatte. Die Ströme herrlichen Rheinweins, die
leckeren Kapaune und Braten, welche vorüber-
gehend in seinen! Bauche verweilt, waren für
immer in seinem Herzen gebucht.

Als er nach wenigen Wochen in China mit
gedünsteten Ratten, Reisschnaps, zerstoßenen
Schnecken, Schlangenbraten und verfaulten Fischen
vorlieb nehmen inußte, verfiel er in Trübsinn.
Vor Verziveiflung brockte er sich eine Granate
in seine Krötensuppc und verschied daran.

Sein Kominandant depeschirte in die Heimath,
Schultze sei am gebrochenen Herzen gestorben.

Austtheilung Chinas.

„Theilen wollen sie!" sagte man einst empört
von den Rothen!

Was iin chinesischen Reich wollen die Mächte
denn heut'?! —

Diplomaten-Scharfsinn.

„Wenn ich nur wenigstens wüßte, ob
ich im Wasser wäre", dachte der Ertrinkende.

„Ich glaube gar, man hegt die Absicht,
mich zu verhaften", sagte der Handwerks-
bursche, da saß er seit vicrundzwanzig Stunden
in einer verschlossenen Zelle.

„Ob wir uns wohl mit China im Kriegs-
zustand befinden?" fragen sich die Diplomaten
der Mächte rathlos, da fielen ihre Soldaten unter
den Kugeln der Chinesen.
 
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