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~s> Waldwandernng. <s~
Im Abenddämmrrn ging ich durch drn Wald! —
Längst war des Sommrrjönnkags Lärm verhallt.
Heimwärts gekehrt der laute Mrnschrnschwarm, —
Verspätet, einsam, traulich Arm in Arm,
Erschien nur hie und da rin junges Paar,
Gott Amor flocht ihm Kranze in das Haar.
Der weite Wald lag ringsum märchrnstill,
Der Wind nur trieb sein kosend Wipfelspirl.
Ein leises Raunen ging von Baum zu Baum,
Ein tieses Athmrn durch drn weiten Raum.
Von ferne klang der Grille Liebeslied,
Der Frösche Lunken aus dem hohen Ried,
Das an des Flusses beiden Usern stand,
Geheimnißvoll ins sommerliche Land.
Hell fiel des Mondes Licht vom Himmelszelt
In Silbrrwrllen aus die stille Welt,
Und flirrte zitternd durch das Blätterdach,
Zog an drn Stämmen Silbrrflreifen nach. —
Still ging im Dämmerlichte ich dahin
Und dies und jenes zog mir durch den Sinn.
Wenn's Götter gäb! In diesem heil'gen Hain
Da hätten sie wohl ost ein Stelldichein.
Wenn'» Götter gäb? — Ich sann im Weitergehn
Und sah im Geiste rings Altäre stehn.
Und goldigrothr Flammen sah ich lohn
In Feurrsäulen um drn Göllerthron.
Doch Priester sah ich nicht im Meßgewand,
Die Lebenslust und Frohsinn streng verbannt. —
Vom nahen Waldesrand kam eine Schaar
Schneeweiß gekleidet, Kränze in dem Haar,
Daher in rhythniisch-stolzrm Schritt und Gang
Mit hriterm Angesicht und frohem Sang,
Zu opfern Gott Baldur, dem Göttersohn,
Dem Lrbenssprndrr auf Walhalla'» Thron.
Gedankenvoll und ernst schritt ich dahin;
Ließ hinter mir das duft'ge Waldrsgrnn. —
Dumpf brausend scholl der Großstadt Lärm und Streit
Herüber in dir stille Einsamkeit. «m.
Edelsänle. <s-
Von der Ballmusik, welche die vierschrötige Pracht des
großen Rittersaals durchwogte, drangen nur einzelne ab-
gebrochene Takte in das „runde Zimmer". Die Portieren
von pfauenblauem Sainmet mit den heraldisch verschnörkelten
goldenen Löwen waren an Thüren und Fenstern zugezogen.
Mit dem fettigen Dunste der aus silbernen Leuchtern brennen-
den Wachskerzen vermischten sich die blauen Wölkchen der
Zigaretten zu einein erdrückenden Parfüin.
Lautlos und mit dein ihnen eigenen gravitätischen Schau-
spiclerernst ergänzten zwei Lakaien in der Gala-Livree des
Hauses den Inhalt, der Sektkübel und waren eben im Begriff,
sich auf einen Wink des Hausherrn hinter den Sessel Seiner
Hoheit zu stellen, als Letzterer das Spiel aufhob.
Der Prinz rückte den Sessel ab. Die aufgeschwommenen
Züge niit den dicken Beuteln unter den wasserblauen Augen
verloren den Ausdruck der Spannung und nahmen jenes ver-
lebte Wohlwollen an, das sein Volk an ihm begeisterte.
„Stopp, meine Herren. Ich blute aus so viel Wunden, als
Sie an Zahl sind. Ein Weiteres wäre ein Verbrechen an
L r sjf
meinen lieben Untertbanen von dereinst. Uebrigens — ein
bischen Luft, wenn ich bitten darf."
Die Lakaien öffneten die Portieren, die Musik tönte lauter
herein und die Herren erhoben sich. Mehr oder minder glcich-
giltig sackten die Gewinner die vor ihnen aufgehäuften Iln-
v-. summen in Gold und Banknoten ein; die Anderen versuchten
^ VU eine gute Miene zu machen — und sie gelang ihnen auch, denn
man hatte ja die Ehre, Leidensgenosse Seiner Hoheit zu sein.
Nur ein Gesicht war undurchdringlich. Ohne mit der
Wimper zu zucken, hatte Axel Brandes sich an dem Spiele
betheiligt und kein Zug in seinem bleichen Gesicht verrieth, ob
er gewonnen oder verloren hatte.
„Nach diesem bösen Anschuß heute müßte ich mich eigentlich
mit Erfolg unter unseren Danicn bewegen", erklärte der Prinz
lächelnd, indem er seinen spitzgeschnittenen Vollbart strich, so
daß die beiden berühmten Solitairs an dein kleinen Finger
seiner Linken auffunkelten.
„Dazu bedürfen Hoheit doch keiner Legitimation durch das
lluglück der Karte —", beeilte sich der Herr des Hauses, Graf
v. Settenhofeu, zu erwidern, da er den Blick seines dercinstigen
Landesherrn vornehmlich auf sich gerichtet fühlte.
Kein Zucken der Wimper ließ erkennen, daß dieser Blick
eine Beleidigung, eine überniüthige Infamie war — in Ver-
bindung mit Denr, was der edle Graf von seiner Hausehre
wußte, wie jeder Andere auch.
Aber das geuirte Niemand — im Gegenthcil. Von allen
Seiten wurde der loyale Einwand des Hausherrn bestätigt.
Der Prinz ivaudte sich lachend zu dem Säulengaug, welcher
in den Tanzsaal führte. Die Lakaien hatten sich bereits zu
beiden Seiten der Thür postirt, als der hohe Herr Axel
Brandes bemerkte, welcher durch Erbschaft hier begütert war
und jetzt zum ersten Male einige Monate im Laude verlebte.
„Ah, lieber Brandes — habe endlich Gelegenheit, mich bei
Ihnen zu entschuldigen — neulich sozusagen gemildert auf
Ihrem Revier. Meldete mich dann aber sofort auf Schloß —
habe Sie leider nicht angetroffen-Frau Gemahlin doch
hier, nicht wahr?"
„Nein, Hoheit."
„Oh! — Na, nielde mich für nächsten Montag bei Ihnen
zur Jagd an, falls mein Hofmarschall das noch nicht besorgt
hat. Hab's ihm gestern aufgetragen. Werde dann also den
Vorzug haben, Frau Gemahlin zu begrüßen."
„Nein, Hoheit."
Diese zivei Worte klangen ruhig und fest. Aber sie ge-
nügten, um die Schranzen erbeben zu machen. Fassungsloses
Entsetzen malte sich ans ihren Gesichtern. Der Prinz zwinkerte
nervös mit den Augen und würgte an einem Worte.
Axel Brandes hatte ein paar Sekunden anscheinend mit
größter Aufmerksainkeit die Asche seiner Zigarre geprüft. Dann
strich er dieselbe sorgfältig ab und sah auf —
„Es handelt sich bei dieser Absage lediglich um das theure
Leben Eurer Hoheit — — es hat sich nämlich in unseren
Wäldern eine Bestie gezeigt, über deren Art und Wesen ich
mir noch nicht ganz klar bin. Thatsache aber ist, daß sie nicht
nur bedeutcuden Schaden dein Wildstand zufügt, sondcrir auch
Frauen angreift — ja sogar in die Wohnungen dringt. Ich
habe daher meine Leute mit Knüttelir bewaffnet und sie an-
gewiesen, die Bestie nicderzuschlagen, sobald sie sich noch einmal
auf unserem Revier sehen läßt. Es ist also momentan nicht
ungefährlich bei mir, Hoheit — die Leute sind erregt und arich
vielleicht nicht aufmerksam genug, um Edelwild und Raub-
thier auseinanderzuhalten---
Am nächsten Tage meldete der Hofbericht: „Seine Hoheit
der Erbprinz werden den Kongreß zur Hebung der Sittlich-
keit im Arbeiterstande persönlich eröffnen." t.
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~s> Waldwandernng. <s~
Im Abenddämmrrn ging ich durch drn Wald! —
Längst war des Sommrrjönnkags Lärm verhallt.
Heimwärts gekehrt der laute Mrnschrnschwarm, —
Verspätet, einsam, traulich Arm in Arm,
Erschien nur hie und da rin junges Paar,
Gott Amor flocht ihm Kranze in das Haar.
Der weite Wald lag ringsum märchrnstill,
Der Wind nur trieb sein kosend Wipfelspirl.
Ein leises Raunen ging von Baum zu Baum,
Ein tieses Athmrn durch drn weiten Raum.
Von ferne klang der Grille Liebeslied,
Der Frösche Lunken aus dem hohen Ried,
Das an des Flusses beiden Usern stand,
Geheimnißvoll ins sommerliche Land.
Hell fiel des Mondes Licht vom Himmelszelt
In Silbrrwrllen aus die stille Welt,
Und flirrte zitternd durch das Blätterdach,
Zog an drn Stämmen Silbrrflreifen nach. —
Still ging im Dämmerlichte ich dahin
Und dies und jenes zog mir durch den Sinn.
Wenn's Götter gäb! In diesem heil'gen Hain
Da hätten sie wohl ost ein Stelldichein.
Wenn'» Götter gäb? — Ich sann im Weitergehn
Und sah im Geiste rings Altäre stehn.
Und goldigrothr Flammen sah ich lohn
In Feurrsäulen um drn Göllerthron.
Doch Priester sah ich nicht im Meßgewand,
Die Lebenslust und Frohsinn streng verbannt. —
Vom nahen Waldesrand kam eine Schaar
Schneeweiß gekleidet, Kränze in dem Haar,
Daher in rhythniisch-stolzrm Schritt und Gang
Mit hriterm Angesicht und frohem Sang,
Zu opfern Gott Baldur, dem Göttersohn,
Dem Lrbenssprndrr auf Walhalla'» Thron.
Gedankenvoll und ernst schritt ich dahin;
Ließ hinter mir das duft'ge Waldrsgrnn. —
Dumpf brausend scholl der Großstadt Lärm und Streit
Herüber in dir stille Einsamkeit. «m.
Edelsänle. <s-
Von der Ballmusik, welche die vierschrötige Pracht des
großen Rittersaals durchwogte, drangen nur einzelne ab-
gebrochene Takte in das „runde Zimmer". Die Portieren
von pfauenblauem Sainmet mit den heraldisch verschnörkelten
goldenen Löwen waren an Thüren und Fenstern zugezogen.
Mit dem fettigen Dunste der aus silbernen Leuchtern brennen-
den Wachskerzen vermischten sich die blauen Wölkchen der
Zigaretten zu einein erdrückenden Parfüin.
Lautlos und mit dein ihnen eigenen gravitätischen Schau-
spiclerernst ergänzten zwei Lakaien in der Gala-Livree des
Hauses den Inhalt, der Sektkübel und waren eben im Begriff,
sich auf einen Wink des Hausherrn hinter den Sessel Seiner
Hoheit zu stellen, als Letzterer das Spiel aufhob.
Der Prinz rückte den Sessel ab. Die aufgeschwommenen
Züge niit den dicken Beuteln unter den wasserblauen Augen
verloren den Ausdruck der Spannung und nahmen jenes ver-
lebte Wohlwollen an, das sein Volk an ihm begeisterte.
„Stopp, meine Herren. Ich blute aus so viel Wunden, als
Sie an Zahl sind. Ein Weiteres wäre ein Verbrechen an
L r sjf
meinen lieben Untertbanen von dereinst. Uebrigens — ein
bischen Luft, wenn ich bitten darf."
Die Lakaien öffneten die Portieren, die Musik tönte lauter
herein und die Herren erhoben sich. Mehr oder minder glcich-
giltig sackten die Gewinner die vor ihnen aufgehäuften Iln-
v-. summen in Gold und Banknoten ein; die Anderen versuchten
^ VU eine gute Miene zu machen — und sie gelang ihnen auch, denn
man hatte ja die Ehre, Leidensgenosse Seiner Hoheit zu sein.
Nur ein Gesicht war undurchdringlich. Ohne mit der
Wimper zu zucken, hatte Axel Brandes sich an dem Spiele
betheiligt und kein Zug in seinem bleichen Gesicht verrieth, ob
er gewonnen oder verloren hatte.
„Nach diesem bösen Anschuß heute müßte ich mich eigentlich
mit Erfolg unter unseren Danicn bewegen", erklärte der Prinz
lächelnd, indem er seinen spitzgeschnittenen Vollbart strich, so
daß die beiden berühmten Solitairs an dein kleinen Finger
seiner Linken auffunkelten.
„Dazu bedürfen Hoheit doch keiner Legitimation durch das
lluglück der Karte —", beeilte sich der Herr des Hauses, Graf
v. Settenhofeu, zu erwidern, da er den Blick seines dercinstigen
Landesherrn vornehmlich auf sich gerichtet fühlte.
Kein Zucken der Wimper ließ erkennen, daß dieser Blick
eine Beleidigung, eine überniüthige Infamie war — in Ver-
bindung mit Denr, was der edle Graf von seiner Hausehre
wußte, wie jeder Andere auch.
Aber das geuirte Niemand — im Gegenthcil. Von allen
Seiten wurde der loyale Einwand des Hausherrn bestätigt.
Der Prinz ivaudte sich lachend zu dem Säulengaug, welcher
in den Tanzsaal führte. Die Lakaien hatten sich bereits zu
beiden Seiten der Thür postirt, als der hohe Herr Axel
Brandes bemerkte, welcher durch Erbschaft hier begütert war
und jetzt zum ersten Male einige Monate im Laude verlebte.
„Ah, lieber Brandes — habe endlich Gelegenheit, mich bei
Ihnen zu entschuldigen — neulich sozusagen gemildert auf
Ihrem Revier. Meldete mich dann aber sofort auf Schloß —
habe Sie leider nicht angetroffen-Frau Gemahlin doch
hier, nicht wahr?"
„Nein, Hoheit."
„Oh! — Na, nielde mich für nächsten Montag bei Ihnen
zur Jagd an, falls mein Hofmarschall das noch nicht besorgt
hat. Hab's ihm gestern aufgetragen. Werde dann also den
Vorzug haben, Frau Gemahlin zu begrüßen."
„Nein, Hoheit."
Diese zivei Worte klangen ruhig und fest. Aber sie ge-
nügten, um die Schranzen erbeben zu machen. Fassungsloses
Entsetzen malte sich ans ihren Gesichtern. Der Prinz zwinkerte
nervös mit den Augen und würgte an einem Worte.
Axel Brandes hatte ein paar Sekunden anscheinend mit
größter Aufmerksainkeit die Asche seiner Zigarre geprüft. Dann
strich er dieselbe sorgfältig ab und sah auf —
„Es handelt sich bei dieser Absage lediglich um das theure
Leben Eurer Hoheit — — es hat sich nämlich in unseren
Wäldern eine Bestie gezeigt, über deren Art und Wesen ich
mir noch nicht ganz klar bin. Thatsache aber ist, daß sie nicht
nur bedeutcuden Schaden dein Wildstand zufügt, sondcrir auch
Frauen angreift — ja sogar in die Wohnungen dringt. Ich
habe daher meine Leute mit Knüttelir bewaffnet und sie an-
gewiesen, die Bestie nicderzuschlagen, sobald sie sich noch einmal
auf unserem Revier sehen läßt. Es ist also momentan nicht
ungefährlich bei mir, Hoheit — die Leute sind erregt und arich
vielleicht nicht aufmerksam genug, um Edelwild und Raub-
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Am nächsten Tage meldete der Hofbericht: „Seine Hoheit
der Erbprinz werden den Kongreß zur Hebung der Sittlich-
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