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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0171
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- 3315

Und stotternd brachte die vroni heraus: „Der... der Herr . . . Assessor!"

Der Amtsrichter schlug mit der flachen
Hand auf den Tisch. „Was? So 'ne Gemeen-
heet! Ich bin selbst Skatspieler und ich muß

sagen_" Er hielt plötzlich inne, weil ihn sein

allabendlicher Tischnachbar, der Gutsbesitzer,
recht unverschämt anblinzelte und wurde bis
über die Ohren roth. „Nu", meinte er, „'was
eegentlich Belastendes is' 's ja grade nich'."

Der Pastor war feierlich vor den Richtertisch
getreten und begann seine Aussage. Montag
Morgens hatte ihm der Assessor, der im Pfarr-
haus ein möblirtes Zimmer inne hatte, die Ge-
schichte beim Kaffee erzählt. Der Assessor habe
die Köchin veranlaßt, Strafantrag zu stellen.

„Der Herr Assessor?" fragte der Amts-
richter etwas betreten.

Der Assessor erröthete wie ein kleines
Mädchen. „Ich halte es selbstverständlich für
meine Pflicht, Herr Amtsrichter, überall, wo
ich eine Strafthat sehe, deren gerichtliche Ahn-
dung herbeizuführen."

„Alles Nachtheilige, was ich über den An-
geklagten weiß", schloß weihevoll der Pastor,
„ist, daß er bis vor etwa drei Wochen mit
meiner Köchin — entschuldigen Sie den unsitt-
lichen Ausdruck — ein Verhältniß hatte."

„Aha", sagte der Amtsrichter, „itze kommt
Licht in die Sache. Angeklagter, woll'n Se
nu gesteh'»?"

„'s Hot mich Keener g'sehen", leierte Der.

„Gut, Neubert, hol'n Se 'mal die Mattula
'rein, daß mer Se konfrondiren."

Die Mattula war eingetreten, ein dralles
böhmisches Bauernmädchen, halb verschmitzt,
halb verlegen. Der Amtsrichter schärfte ihr
gehörig ein, bei der Wahrheit zu bleiben und
dann stotterte sie verwirrt die Geschichte her-
vor: Sie befand sich an dem Abend in ihrer
Kammer, als plötzlich vor dem Pfarrhaus,
aus der Dunkelheit heraus, Jemand sie fürchter-
lich zu beschimpfen begann. Es war der
Miinzel....

„Ja, liebes Kind", fragte der Richter, „wo-
her wußten Se das denn?"

„Oh", machte die Böhmin, „kenn' ich ihn
doch an der Stimme."

Die Schöffen machten lange Gesichter. Da
fuhr der Assessor auf: „Pardon, Herr Amts-
richter, das is' doch 'n schlagender Indizien-
beweis! Und dieses Betragen des Angeklagten
bestätigt Alles. Das ist so 'n angehender Um-
stürzler, sage ich Ihnen!"

Der Amtsrichter sah wieder hilflos um sich.
Da hatte der Schneidermeister einen erleuch-
teten Gedanken. „Horch' 'mal druff, Vroni",
meinte er, „wenn Eener is', der da schimpft,
da ging 'ch doch 'naus und guckt m'r 'n an."

Die Köchin wurde puterroth. „Konnte ich
doch nicht", stotterte sie, „weil noch Jemand
war im Zimmer, was hat den Schlüssel
in die Tasch' gesteckt."

Der Schneider meckerte laut los, der Guts-
besitzer schüttelte sich und der Pastor blickte
mit gefalteten Händen zur Decke, als warte er

auf den himmlischen Pech- und Schwefelregen,
der das Sodom und Gomorrha im Pfarrhaus
vertilge. Der Assessor war in die Höhe ge-
schossen. Sein „Habp" hatte alle Form ver-
loren, der Kneifer baumelte fassungslos an
der Schnur. „Ich ersuche darum ... der An-
klagte ist überführt, vollkommen... sein Leugnen
ist zwecklos. . ."

Aber der Delinquent ahnte, daß ihm Hilfe
wurde und bekam mächtig Kourage. „Ich
streit's ab", rief er, „Gottverdimmich, ich streit
Alles ab!"

Der Amtsrichter hatte eine pfiffige Miene
aufgesetzt. „Nu, 'raus mit der Sprache, Brom,
wer hat den Schlüssel gehatt'?"

Und stotternd brachte die Vroni heraus:
„Der... der Herr ... Assessor. . ."

Die Gesichter des Amtsrichters und der
beiden Schöffen nahmen einen Ausdruck an,
als wollten sie niesen, der Pastor flehte stärker
zum Himmel um den Pech- und Schwefel-
regen und der Herr Assessor-Staatsanwalt
fiel mit der Nase in das vor ihm liegende
Aktenbündel.

Der Amtsrichter gewann zuerst seine Fassung.
Nach ein Paar Worten mit den Schöffen sprach
er den Angeklagten wegen mangelnder Be-
weise frei, indem er hinzufügte: „Aber thu
mer'sch nich wieder!" Und dann zog er mit
den Schöffen am Assessor und dem Pastor
vorbei mit einem grinsenden: „Wünsche wohl
zu speisen!"
 
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