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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0192
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3336

Herr Status quo.

Es fehlte ihm eigentlich nichts, dem Herrn
8tntus quo nämlich, trotzdem sagten sie alle,
er wäre leidend. „Wie sehen Sie aus, Herr
Ltatns quo, sind Sie krank?" hieß es, wo er
sich nur sehen ließ.

Ich schicke erklärend voraus, daß Herr 8tatus
quo in China lebt und weiter keinen Zweck
hat, wie noch so manches andere, als er-
halten zu werden.

Vor Jahren meinte Herr 8tatns quo, daß
das Opiumrauchen schädlich sei für ihn und seine
Landsleute; er stellte sich eines schönen Tages
an das Meer und sagte zu den fremden Schiffs-
leuten: Hier darf kein Schutt abgeladen werden.

Schutt oder Opium war nun ein Artikel,
an dem die Handelsleute viel Geld verdienten.
Der Schutt wurde dennoch abgeladen.

Herr 8tatns quo ward ärgerlich und hob
ein großes Geschrei an. Dafür bekam er von
den Engländern derartige Nasenstüber, daß er
an zu kränkeln fing. Seine guten Freunde
setzten sich deshalb in seiner Nähe fest, um ihn zu
beobachten. Bei einer günstigen Gelegenheit
schnitten sie ihm die Nase ab und schrieben
nach Hause: Wir haben Hongkong erobert;
den 8tatns quo erhalten wir aufrecht.

Der so um seine Schönheit betrogene Herr
8tatns quo betheuerte ununterbrochen, daß ihm
die Nähe der Fremden schade; aber da kamen
andere, und verlangten, daß er sich auch die
Ohren abschneiden lassen müsse. Nach einiger

Zeit waren die Ohren auf dem Wege nach
Paris und im Begleitbrief las man: Cochin-
China ist französisch, der 8tatns quo wird
aufrecht erhalten.

Der Letztere merkte sofort, daß er durch den
Verlust der Ohren nicht schöner geworden war,
aber am meisten ärgerte er sich, daß man ihn
wie einen Packesel belastete unter dem Vor-
wand, ihn aufrecht zu erhalten.

Bei einem Spaziergang nach Korea erwischten
ihn die Japaner, zerrten ihn gewaltig am Zopf,
so daß dieser abriß und als Trophäe den Mi-
kado gesandt werden konnte: „Wir haben

Taiwan für uns genommen", schrieben die
Japanesen, „wir hätten noch mehr genommen,
aber die Freunde des 8tatn8 quo, die ihm Nase
und Ohren abgeschnitten haben, erhalten ihn
aufrecht."

Da 8tatns quo ein Heide war, so lagen ihm
die Missionäre immer in den Ohren. Sie
schwuren ihm hoch und theuer, er müsse zur
Erhaltung seiner Gesundheit eine Wasserkur
gebrauchen und sich taufen lassen.

Herr 8tatns quo wollte von dieser Methode
nichts wissen, sondern erwiderte, daß seine Zu-
kunft nicht im Wasser liege. Dabei trat er einem
Missionär aus dem Lande der Gottesfurcht
und frommen Sitte auf's Hühnerauge.

Der Verlust der Nase, der Ohren und des
Zopfes waren für Herrn 8tatus quo sicherlich
sehr schmerzhaft, aber seine Schmerzenslaute
waren nur ein leises Wimmern gegen das

Geschrei, das der Missionär und seine Lands-
leute ob des betretenen Hühnerauges anhuben.

In Folge unklarer Informationen wurde dem
8tatu8 quo bei Nacht und Nebel das Hühner-
auge ausgeschnitten, das in Wirklichkeit gar
nicht ihm, sondern dem Missionär gehörte.
Das ausgeschnittene Hühnerauge nannte man
Ki-au-tschau, von wegen dem Geschrei, das
Herr 8tatu8 quo bei der Operation ausge-
stoßen hatte.

Herr 8tatu8 quo wackelte jetzt bedenklich. Um
ihn aufrecht zu erhalten, schnitt ihm ein guter
Freund am anderen Fuße auch ein Hühner-
auge aus und nannte es, weil der Operirte
noch mehr schrie: Wei-hei-wei! Da das Gleich-
gewicht des guten alten Herrn immer noch nicht
hergestellt war, gab man ihm ein kräftiges
Laxrrmittel ein, das ihn ganz wesentlich er-
leichterte. Diese Erleichterung hieß man Port
Arthur.

Seit der Zeit hat Herr 8tatu8 quo ununter-
brochen Bauchgrimmen, und als er vor Schmerz
einmal einem der Doktoren eine heftige Maul-
schelle versetzte, überfiel ihn die ganze Heil-
gehilfenschaar mit dem Rufe: „Der 8tatv8 quo
muß aufrecht erhalten werden!" Dabei schnitten
sie dem Patienten Arme und Beine ab und jetzt
sind sie dabei, ihm das Herz aus dem leben-
digen Leibe zu schneiden.

Wenn Herr 8tatn8 quo das aushält, dann
kann er im Klub der Aufrechten Vorsitzender
werden. Der Bremer Stadtmusikant.

Die Friedensfreunde in Thätigkrit.

. . . Und bei einem solchen Aderlaß soll das Vieh ruhig stillhalten!

Briefkasten.

(Unverlangte Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

I?. in H., NI. B. in A., K. in und A.: Die eingesandten
Gedichte auf den Tod Wilhelm Liebknechts sind ein schönes Zeichen
der Liebe und Anerkennung, die dem Verstorbenen von allen Seiten
gezollt wurde. Auf den Abdruck müssen wir aus Mangel an Raum
verzichten.

A. B. Abgelehnt. Die beigelegten 40 Pf. haben wir dem
Agitationsfonds überwiesen.

F. p. in NI. Auch Andere haben den sinnentstellenden Fehler
bemerkt. Es soll an der betreffenden Stelle heißen: „Ueber wimmernde
Leiber (statt Leichen) stapft taumelnd der Fuß." (Siehe Beilage zu
Nr. 367, erste Seite: Chinesenschlacht, sechste Strophe, dritte Zeile.)

Genossen aus dein Eulengebirge. Wir beabsichtigen, mit
den Dichter-Nummern fortzufahren. Auch Lenau kommt an die Reihe.
Es muß aber nicht gerade der Geburts- oder Todestag sein, der die
Anregung dazu giebt.

Erfurter. Wenn der Reservefonds der preußischen Staats-
bahnen Neb-Thielen-Fonds genannt werden soll, so haben wir nichts
dagegen einzuwenden. Lieber wäre es uns, wenn das Verkehrs-
hinderniß Thielen beseitigt und aus dem Reservefonds den niederen
Beamten eine Lohnzulage gegeben würde.

Hein init'n Vullbort. Nicht vor 1000 Jahren, sondern bereits
im Jahre 375 unserer Zeitrechnung brachen die Hunnen in Europa
ein. Attila (auch Etzel, Gottesgeisel genannt) hat nicht lange Europa
unsicher gemacht. Schon die Westgothen und die salischen Franken
schlugen die Hunnen (451) und ihren Attila auf den sogenannten
catalaunischen Feldern (bei Chalons-sur-Marne in Frankreich).
Nach dem Tode Attilas (453) war es mit der Hunnenherrlichkeit bald
zu Ende, die germanischen und auch die unterjochten slavischen Völker
wurden wieder frei. Das Andenken an die Hunnen ist allerdings
dauernd geblieben; fünfzehnhundert Jahre konnten die Erinnerung
an diese Hauptspitzbuben der Weltgeschichte nicht wegwaschen. — Die
Einbrüche der Ungarn in Deutschland (924—955) werden vielfach als
Hunnenzüge angesehen, das ist falsch, aber erklärlich, da die Ungarn
ebenso schlimm wie die Hunnen in Deutschland hausten. Kaiser
Otto I. schlug die Ungarn im Jahre 955 in der berühmten Schlacht
auf dem Lechfelde bei Augsburg.

I?. p. in B. Sie wollen uns wohl hinter die schwedischen Gar-
dinen bringen? Von einer Dame ist das nicht liebenswürdig.

R. D. V. in 5. Wie Sie aus unserer heutigen Nummer er-
sehen, ist Ihre Idee verwerthet; sie ging uns auch von anderer Seite
zu, was nicht zu verwundern ist, da Derartiges in heutiger Zeit in
der Luft liegt.

F. G. in A. Abgelehnt. Das Beste an der Idee ist, daß der
Kammhändler den „Alliirten" zuruft: „Kinder, kooft Kämme, es giebt
'ne lausige Zeit."

p. in <D. Das Porträt des verstorbenen Laeisz brachten wir im
Jahre 1897 in Nr. 277.

G. in i?. Der „Führer durch das Unfallversicherungs-
gesetz" ist als erster Nachtrag zu Stadthagens „Arbeiter-
recht" erschienen und durch unsere Expedition zu beziehen.

Abgelehnt: H. w. in R. — Alter Abonnent aus Schwie-
bus. — A. L. in D. — G. NI. in Pankow. — K. N. in A. —
NI. p. in L. — H. A. in B. — F. R. in H. — <D. G. in L. —
L. H. in H. — <£. G. in B. — p. B. in D. - G. U. in B. —
A. B. in Sch.

Verantwortlich für die Redaktion Friedr. Fischer in Stuttgart. — Verlag und Druck von I. H. W. Dietz Nachf. (G. m. b. H.) in Stuttgart, Furthbachstraße 12.
 
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