Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0194
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3338 .

—me —

In dem Schooß der Mutter Erde
Seit viel hunderttausend Jahren
Unermeßlich reiche Schätze
Für uns aufgespeichert waren.

Und sie geizt nicht, diese Schätze
Nach und nach herauszugeben,

Denn — der Grubenwerksbesitzer
Und der Aktionär will leben.

In des Schachtes dunklen Tiefen
Unermüdlich schafft der treuer,

Für die karg bemess'ne Löhnung
Nährt er unsrer Herde Feuer,

Nährt des Dampfes Riesenkräfte,
Daß sie Wunder schier vollbringen —
Aktionär und Werkbesitzer
Dabei viel Profit erringen.

Doch was ist das? will die Quelle
Dieses Reichthums jäh versagen?
Ueber Uohlennoth vernehmen
Allerorts wir Plötzlich Ulagen.

Sind zerstört die Schachtgebäude
Durch der bösen Wetter Tücken?

Nein — die Spekulanten wollen
Nur den Preis recht kräftig drücken.

Theure Uohlen, rare Rohlen,

Und der Winter vor der Thüre —
peinigt, Armer, dich die Kälte,
Sparsam nur das Feuer schüre!

Und wenn Weib und Rinder frieren,
Dieses Eine Trost dir biete:

Aktionär und Werkbesitzer
Machen reichere Profite.

wenn der Rohlen Zufuhr ausbleibt,

Die zur Resselheizung dienen,

Bald dann stocken die Betriebe
Und es rasten die Maschinen.

Müssen dann gezwungen feiern
Auch die flciß'gcn Arbeitslmte —
Aktionär und werkbesitzcr
Machen um so reich're Beute.

Soll der Staat ein Machtwort sprechen,
Uni den Raubzug zu verbieten?
Aktionär und Werkbesitzer
Drob in großen Zorn geriethen.

Denn es läßt das Rapital sich
Nicht in seinem Thun beengen,
wenn ihm gut dünkt, üb er Deutsch!and
Rohlenmangcl zu verhängen, sn.tc.

Berlin, Mitte September.

Lieber Jacob! *

„Hei lcwct noch!" wirst De ansrufen. Un recht hast De. Ick lebe
noch nn bin noch lange nich bcjrabe». Soeben von'n Nordpol mit LtsIIa
polare (so heißt neinlich mein Polarstern) anjekommen, seh ick mir mein
Berlin wieder an un finde, bet et ooch hier immer bergab jeht mit den
Sommer. Een Boom nach'n andern entblättert sich nn der Wind is
schon hellisch fiffich un die Dage nehmen immer mehr ab un die Abende

immer mehr zu. Aber nich blos die Abende nehmen zu, ooch die Kohlen-
preise. Wenn det so weiter jeht, denn wird man den janzen Wochendraht
in'n Winter uff det Futter von'n eisernen Ofen verwenden missen, fir
det leibliche Futter wird nich ville iebrig bleiben, janz zu jeschweijcn von
die „Klcenen", die man uff die Lampe jießt. Die jroßcn Kohlenbarone
kimmern sich freilich 'n Deibel dadrum, wo unsercener seine Preßkohlen
herkriegt, un wenn der Winter den Zufall kriegt, recht strenge zu iver'n,
denn können wir man die Zähne an die Wand hängen un Friedländer
an'n Pariser Platz roocht 'ne Havanna dazu.

Inhalt der Unterhaltungsbeilage.

Mein Königskind. Gedicht von Ludwig Lessen. — Das
Jubilällmsgeschenk. Von M. K. — Zwei Leisten. — Zu-
versicht. Gedicht von Franz Philips. — Besorgnis;. — Beim
LöhnungSappell. — Erntewagen mit Landschaft. Kopfleiste. —
Thiersabel. — Die Grabrede. Von Dr. Ludwig Frank. —
NeueS Laster. — FortunatuS. Illustration. — Guckkasten-
bilder des Wahren Jacob. — Ein Hunnenbrief. — Eine
Fabel. — „Valdivia".

baag Peking Paris.

Rach einer Posse, blöd und abgeschmackt,

Die man den Völkern vorgespielt im Haag,
ßing's an ein worden, blutig, unerhört,

Und ohne.todte gab's nicht einen tag.

Und eh' noch fern im Afrikanderland
verglomm der Hütten letzte Aschengluth,

Schlug auch im Osten schon die klamme aut,

Und ghinas Loden schwimmt von Menschenblut.

Enterbte, ihr, au! weitem Erdenrund,
ln Matten nicht, in treuen einig nur,

Schliesst fester heut' den grossen Bruderbund,
Mährt ihr die heil'gen guter der Kultur!

Der gelbe Drache nicht im ßbinaland
Droht eurer Kinder theurem gut und Blut.
Bekämpft den Drachen, der im eignen Land
Auf eurer Arbeit Schätzen träge ruht.

Drum alle, die ihr noch geplagt, gedrückt
Tm tritt und tross der Mächt'gen träumend geht,
Dach Osten nicht, gen Westen lenkt den Blick,

Wo eurer Kämpfer Schaar zusammensteht.

Des Friedens Hort, den man dereinst im Haag
Den Völkern prahlend, heuchlerisch verbiess.
Versank in Blut.— 8en Westen lenkt den Blick
Und grüsst mit uns die Männer in Paris. Dr.

Nachträgliches Von der Sedanfeier.

Der Herr Gesangslehrer eines Berliner Neal-
gymnasiums übte mit seinen Schülern ein Lied
ein, in welchem u. A. folgende Strophe vorkam:
Und dringt ein feindliches Geschoß
In eines Seemanns Herz,

Nicht klagt der wackre Kampfgenoß,

Ihm macht es keinen Schmerz.

(Wir setzen das Gedicht fort:)

Und reißt es einen Arm ihm ab.

Der Seemann jauchzt und spricht:

Gottlob, daß ich den Arm nicht Hab',

Nun plagt ihn keine Gicht!

Fliegt — ritsch! sein Bein im Bogen weit,
Hurrah, schreit er dazu,

Jetzt spare ich, wie mich das freut,

Alljährlich einen Schuh!

Und hebt die Schädeldecke ihm
Die Bombe ab, sammt Schopf,

Der Seemann ruft voll Ungestünr:

Ich Hab' 'neu off'nen Kopf!

Sechs Millimeter.

Das alle Schießgewehr war plump und groß,

Und ging es wie mit Donnerkrachen los.

Und schlug sie ein, die schwere blaue Bohne,

So machte sie ein Loch, das war nicht ohne.

Jetzt aber macht man die Gewehre kleiner,

Ls wird die Blutarbeit bedeutend feiner;
wie zierlich ist solch ein Gewehr und leicht —
Schon hat sechs Millimeter man erreicht.

Das Kügelchen macht ein so nettes Loch

Durch einen Menschenleib — kaum spürt man's noch;

Ls ist nur so, als ob ein kalter Hauch

Ging dem Getroff'nen jäh durch seinen Bauch.

Doch ist ein solches Loch auch noch so klein,

Die Seele geht daraus zum Fimmel ein.

Sechs Millimeter — wer hält' das gedacht!
wir haben's doch jetzt herrlich weit gebracht.

Scherzfrage.

Was ist flüssiger als flüssig?

'Lljjnffaogu ffi asq uuoq — ^ojaoqzvW jvag)

„Gin famoser Kerl!'

Auf der Kneipe der „Stupiden" ging es
heute lebhafter zu als sonst. Es war das
hauptsächlich dem nahe bevorstehenden Stif-
tungsfest zu danken, zu dem sich alljährlich
wenigstens ein bis zwei Dutzend „alter Herren"
einzufinden pflegten. Jetzt, als Staatsanwälte,
Richter, Landräthe nach allen Richtungen der
Windrose über die Monarchie zerstreut, hatten
sie alle in dem flotten Korps „Stupidia" ihre
Erziehung fürs Leben erhalten, in dem es die
meisten im Verhältniß zu ihren Kenntnissen
und Fähigkeiten binnen weniger Jahre über-
raschend weit gebracht hatten. Es mochte neben
Anderem daher auch ein gewisses Gefühl der
Dankbarkeit sein, das die Einzelnen trieb, von
Zeit zu Zeit wieder einmal nach der Stätte
ihrer einstigen Wirksamkeit zurückzukehren, um
sich bei dieser Gelegenheit auch gleich zu über-
zeugen, ob auch der gute alte Geist von Anno
dazumal noch im Korps lebendig sei.

Auf der Uhr der nahen Domkirche hatte es
eben neun geschlagen, als auch der letzte der
schweren eichengeschnitzten Stühle besetzt war
und bereits ein so dichter Tabaksgualm das
vornehm ausgestattete Kneipzimmer füllte, daß
trotz des hellstrahlenden Kronleuchters von den
zahlreichen Bildern, Schlägern, Wappenschildern
und sonstigen Emblemen, welche die Wände
schmückten, kaum noch etwas zu erkennen war.
Und dazu ein Lärm von deckelklappernden
Gläsern und ein Stimmengewirr, daß selbst
der dicke Rittergutsbesitzer Arno von Schnarr-
witz auf Gumpendorf-Müllhausen sich kaum
Gehör zu verschaffen wußte.

„Also lauter Juristen, lauter Juristen", fuhr
jetzt laut lachend von Schnarrwitz auf, der
sich bei den jungen Leuten in seiner Nähe väter-
lich nach deren Studium erkundigt hatte. Und
„lauter Juristen" wiederholte er noch einmal:
„Donnerwetter, da komme ich mir als ein-
 
Annotationen