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Schwer herein Bunt von Farben
Schwankt der wagen Auf den Garben
Aornbelaöen; Liegt der Aranz.
~sE> Zuversicht. «s~
Einst kommt der Tag,
wo herrlichen Muths
der starke Mann,
nach schwerem Werk,
seines Schaffens stolz
das Haupt erhebt,
vertrauend der Arbeit heiliger Macht,
Freiheit ahnend sein Recht sich ertrotzt.
Ja, einst kommt der Tag!
Einst kommt der Tag,
wo schönheitsbewuszt
die junge Maid,
zum Weib erblüht,
ihrer Pflichten froh
den Mann erwählt,
bejubelnd der Liebe zeugende Lust,
liebesselig den Gatten umfängt.
Ja, einst kommt der Tag!
Einst kommt der Tag,
wo ehrfurchtsvoll still
ein jeder Mensch
im Abendglanz,
seines Erntens reich
zu Boden sinkt,
anbetend der Erde ewige Rraft,
znkunftsfreudig der Gegenwart dankt.
Ja, einst kommt der Tag!
,, 8ranz Philips.
Besorgnis.
Ortspfarrer (zum neu eingetretenen Lehrer):
„Bringen Sie den Kindern nur das Allernoth-
wendigste bei, daß sie nicht zu klug werden, es
könnte sonst unsere Existenz gefährden."
Beim Löhnungsappell.
Feldwebel: Und dann sage ich Euch noch,
daß Börsenspekulationen und sonstige Wucher-
geschäfte dem Soldaten strengstens verboten sind."
-s- Thierfabel. -s-
Jüngst sah ich rinrn Igel krollen,
Ein kotoffsle» Exemplar,
Mik seinem Leib, dem stachrlvollen,
Doch harmlos ivar er offenbar.
Und eine Dogge llam gesprungen,
So stark, tote mail sie selten sieht,
Dir jeden Gegner noch bezionngen,
Der ihr vor das Webih gcriettz.
Es wollte kurzer Hand im Nacken
Der stolze, königliche Hund
Auch den besagten Igel packen —
Der aber wurde kugelrund.
Er streckte von sich seine Npiehr,
Wie es von je der Igel Pflicht,
Die Dogge aber kannte diese
Und dir Natur der Igel nicht.
Sie ahnte keinerlei Gesahrrn,
Ihr schien'» rin spielend leichte» Stück,
Doch rascher, als sie zugrsahrrn.
Fuhr sie mit blut'gcm Maul zurück.
Sie sprang davon in grohen Sähen
Und that rntschirden klug daran —
Nie soll drir Feind man untrrschähen,
Der sich doch schliehlich wehre» kann.
Die Grabrede.
Von Dr. Ludwig Frank (Lahr).
Als der Vorsteher der jüdischen Gemeinde
zu Nallingen im Schwarzwald, der bekannte
Händler Löb Goldstein, reich an Gittern und
Jahren, verstarb, ließ seine trauernde Witwe
den großen Rabbi Lewicz aus der fernen Landes-
hauptstadt kommen, auf daß er eine der Bedeu-
tung des Verblichenen würdige Leichenrede halte.
Sie hatte mit dem frommen Diener Gottes
eine lange Unterredung im Sterbezimmer, zählte
ihm der Reihe nach alle Vorzüge und Tugen-
den auf, die den Todten wie ein bunter Blumen-
kranz im Leben geschmückt hatten, und ver-
sprach schließlich, das verlangte Honorar von
hundert Mark solle gleich nach der Beerdigung
ausbezahlt werden.
Es giebt eben nur einen einzigen Rabbi
Lewicz! Einem Propheten gleich stand er mit
erhobenen Händen am offenen Grabe! Bald
rollte sein Wort wie der Donner über die
Häupter der zitternden Hörer, bald wühlte
er mit leise schmeichelndem Flüstern in den
Tiefen der erschütterten Gemüther. Die Weiber
schlnchzten und die Männer schneuzten an ihren
großen Nasen herum und rieben sich die Augen.
Er machte seine Sache meisterhaft, und Frau
Goldstein war mit seiner Leistung so zufrieden,
daß sie ihm nicht blos die blaue Banknote ohne
Abzug aushändigte, sondern ihm auch noch aus
freien Stücken anbot, sie wolle ihn im eigenen
Wagen an die mehrere Stunden entfernte Bahn-
station führen lassen.
Allein bevor der Rabbi abreiste, machte er,
einem talmudischen Gebot folgend, seinen
Besuch bei den drei angesehensten Männern
der Gemeinde, den „Aeltesten in Israel". Er
ließ sich dabei von dem Religionslehrer des
Dorfes begleiten, einem gutmüthigen, ver-
schüchterten Männlein, der in scheuer Ehr-
furcht neben ihm hertrippelte und darüber
nachgrübelte, wie er, ohne dabei zu verhungern,
für seine zwölf lebendigen Kinder die nöthigen
Kleider aufbringen könne.
Zuerst gingen sie zu dem alten Jsak Uracher,
der die Kunst verstand, aus gefälschtem Wein
echtes Gold zu machen. Er galt als großer
Geizhals, war aber wegen seines Reichthums
sehr geachtet.
Nach der Begrüßung frug der Rabbi, wie
dem Jsak die Rede gefallen habe, und hüstelnd
gab dieser zur Antwort: „Wie soll ich un-
wissender Mann urtheilen über ein solches
mächtiges Werk! Ich werde es mein Lebtag
nit vergessen, und wenn bei meinem Tode.
gerade so geredet wird, kann ich rnhig sterben.
Aber Eines möchte ich gern sagen, was
Sie nicht haben können wissen. Sie haben
gepriesen den Goldstein selig wegen seiner
Wohlthätigkeit. Es weiß aber hier jedes Kind,
daß er hat gehabt zeitlebens in seinem Hos
einen großen Hund, wo is gewesen abgerichtet
gegen die Bettler, und wer von ihm hat ver-
langt ein Almosen oder Darlehen, is mit leerer
Hand gegangen fort."
„Er wird seine Geschenke im Geheimen ge-
geben haben", entgegnete der Rabbi, „die ver-
Schwer herein Bunt von Farben
Schwankt der wagen Auf den Garben
Aornbelaöen; Liegt der Aranz.
~sE> Zuversicht. «s~
Einst kommt der Tag,
wo herrlichen Muths
der starke Mann,
nach schwerem Werk,
seines Schaffens stolz
das Haupt erhebt,
vertrauend der Arbeit heiliger Macht,
Freiheit ahnend sein Recht sich ertrotzt.
Ja, einst kommt der Tag!
Einst kommt der Tag,
wo schönheitsbewuszt
die junge Maid,
zum Weib erblüht,
ihrer Pflichten froh
den Mann erwählt,
bejubelnd der Liebe zeugende Lust,
liebesselig den Gatten umfängt.
Ja, einst kommt der Tag!
Einst kommt der Tag,
wo ehrfurchtsvoll still
ein jeder Mensch
im Abendglanz,
seines Erntens reich
zu Boden sinkt,
anbetend der Erde ewige Rraft,
znkunftsfreudig der Gegenwart dankt.
Ja, einst kommt der Tag!
,, 8ranz Philips.
Besorgnis.
Ortspfarrer (zum neu eingetretenen Lehrer):
„Bringen Sie den Kindern nur das Allernoth-
wendigste bei, daß sie nicht zu klug werden, es
könnte sonst unsere Existenz gefährden."
Beim Löhnungsappell.
Feldwebel: Und dann sage ich Euch noch,
daß Börsenspekulationen und sonstige Wucher-
geschäfte dem Soldaten strengstens verboten sind."
-s- Thierfabel. -s-
Jüngst sah ich rinrn Igel krollen,
Ein kotoffsle» Exemplar,
Mik seinem Leib, dem stachrlvollen,
Doch harmlos ivar er offenbar.
Und eine Dogge llam gesprungen,
So stark, tote mail sie selten sieht,
Dir jeden Gegner noch bezionngen,
Der ihr vor das Webih gcriettz.
Es wollte kurzer Hand im Nacken
Der stolze, königliche Hund
Auch den besagten Igel packen —
Der aber wurde kugelrund.
Er streckte von sich seine Npiehr,
Wie es von je der Igel Pflicht,
Die Dogge aber kannte diese
Und dir Natur der Igel nicht.
Sie ahnte keinerlei Gesahrrn,
Ihr schien'» rin spielend leichte» Stück,
Doch rascher, als sie zugrsahrrn.
Fuhr sie mit blut'gcm Maul zurück.
Sie sprang davon in grohen Sähen
Und that rntschirden klug daran —
Nie soll drir Feind man untrrschähen,
Der sich doch schliehlich wehre» kann.
Die Grabrede.
Von Dr. Ludwig Frank (Lahr).
Als der Vorsteher der jüdischen Gemeinde
zu Nallingen im Schwarzwald, der bekannte
Händler Löb Goldstein, reich an Gittern und
Jahren, verstarb, ließ seine trauernde Witwe
den großen Rabbi Lewicz aus der fernen Landes-
hauptstadt kommen, auf daß er eine der Bedeu-
tung des Verblichenen würdige Leichenrede halte.
Sie hatte mit dem frommen Diener Gottes
eine lange Unterredung im Sterbezimmer, zählte
ihm der Reihe nach alle Vorzüge und Tugen-
den auf, die den Todten wie ein bunter Blumen-
kranz im Leben geschmückt hatten, und ver-
sprach schließlich, das verlangte Honorar von
hundert Mark solle gleich nach der Beerdigung
ausbezahlt werden.
Es giebt eben nur einen einzigen Rabbi
Lewicz! Einem Propheten gleich stand er mit
erhobenen Händen am offenen Grabe! Bald
rollte sein Wort wie der Donner über die
Häupter der zitternden Hörer, bald wühlte
er mit leise schmeichelndem Flüstern in den
Tiefen der erschütterten Gemüther. Die Weiber
schlnchzten und die Männer schneuzten an ihren
großen Nasen herum und rieben sich die Augen.
Er machte seine Sache meisterhaft, und Frau
Goldstein war mit seiner Leistung so zufrieden,
daß sie ihm nicht blos die blaue Banknote ohne
Abzug aushändigte, sondern ihm auch noch aus
freien Stücken anbot, sie wolle ihn im eigenen
Wagen an die mehrere Stunden entfernte Bahn-
station führen lassen.
Allein bevor der Rabbi abreiste, machte er,
einem talmudischen Gebot folgend, seinen
Besuch bei den drei angesehensten Männern
der Gemeinde, den „Aeltesten in Israel". Er
ließ sich dabei von dem Religionslehrer des
Dorfes begleiten, einem gutmüthigen, ver-
schüchterten Männlein, der in scheuer Ehr-
furcht neben ihm hertrippelte und darüber
nachgrübelte, wie er, ohne dabei zu verhungern,
für seine zwölf lebendigen Kinder die nöthigen
Kleider aufbringen könne.
Zuerst gingen sie zu dem alten Jsak Uracher,
der die Kunst verstand, aus gefälschtem Wein
echtes Gold zu machen. Er galt als großer
Geizhals, war aber wegen seines Reichthums
sehr geachtet.
Nach der Begrüßung frug der Rabbi, wie
dem Jsak die Rede gefallen habe, und hüstelnd
gab dieser zur Antwort: „Wie soll ich un-
wissender Mann urtheilen über ein solches
mächtiges Werk! Ich werde es mein Lebtag
nit vergessen, und wenn bei meinem Tode.
gerade so geredet wird, kann ich rnhig sterben.
Aber Eines möchte ich gern sagen, was
Sie nicht haben können wissen. Sie haben
gepriesen den Goldstein selig wegen seiner
Wohlthätigkeit. Es weiß aber hier jedes Kind,
daß er hat gehabt zeitlebens in seinem Hos
einen großen Hund, wo is gewesen abgerichtet
gegen die Bettler, und wer von ihm hat ver-
langt ein Almosen oder Darlehen, is mit leerer
Hand gegangen fort."
„Er wird seine Geschenke im Geheimen ge-
geben haben", entgegnete der Rabbi, „die ver-