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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 17.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.8185#0202
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— 3346

-s« Neue deutsche Nationalhymne.

Deutschland, Deutschland, über dieses
Geht kein Land doch auf der Welt;

Und weh' Jedem, der noch künftig
Frech sich in den weg uns stellt.

Unsrer Rache Flammenfackel
Dann den Erdenrund erhellt,

Bis wir kurz und klein gehauen
Alles, Alles in der Welt.

Deutsch allein ist wahre Sitte,

Deutsch nur wirkliche Kultur;

Alle anderen Nationen
Sind ja doch Barbaren nur.
Lnglishman, Franzos' und Russe,

Jingo — falsch und wetterwend'sch,
Gierig, grausam, — mit dem Deutschen
Erst beginnt der wahre Mensch.

Doch wird Deutschland uns zu enge,
wo es Keinem mehr gefällt,
wozu hat inan auch Soldaten
U,ld wozu das viele Geld?

(yuatfcht nicht von den alten Grenzen,
Maas und Memel, Etsch und Belt;

Uns gehört, von Rechtes wegeil,
Längsteils schon die ganze Welt.

Darum laßt uns Flotten bauen
Ueber Alles in der Welt,

Laßt uns stechen, laßt uns haueil,
was uns in die Klauen fällt,
wenil nur der chinesische Drache
Blutend erst am Boden liegt,

Dann wird England, Rußland, Frankreich
Und die neue Welt bekriegt.

wenn erst vom Lhineseilkucheil
wir das beste Stück errafft,
wird sogleich der deutsche Krieger
Nach Amerika geschafft.

Und noch binnen vierzehil Tageil
Stecken wir Loluinbia ein, —

Ja — deiln Deutschland muß noch ville,
Dille, ville größer sein.

Deutsches Recht und deutsche Freiheit,

Ach, was schert uns solcher Taild;

Drüber lachen wir die neuen
Deutschen mit der Lisenhand.

Nein, im Glanze der Kanonen
Blühe küllftig ilur die Welt,

Bis All-Deutschland mächtig krachend
Linst in Schutt und Trümmer fällt. D.K

Inhalt der Unterhaltungsbeilage.

Tagediebe. Illustration. — Auf der Alp. Gedicht von
Robert Schmeichel. — Kampfstimmung. Gedicht von Cato. —
Vor der Stadt. Preisnovelle von Kurt Grottewitz. (Jllu-
strirt.) — Ein armes Hascherl. Gedicht von Ernst Kreowski.
(Jllustrirt.) — Missionsaufgabe. — Ein unverschämtes Ver-
langen. — Ein Momentbild. Ein venezianisches Erlebniß
von M. M. (Jllustrirt.) — Gedankenbalken. — Des Goethe-
bundes Glück und Ende. Gedicht nebst Illustration. — Das
Einsperrungsgesetz.

Etwas mehr Bescheidenheit.

Zerreißen wie rin Spinnennetz
Wvllk ihr der Diplomaten Treiben
Und Kur; und biindig das Gesetz
Den Mächten dieser Erde schreiben?

Ihr glaubt, daß Reiner euch belügt
Von denen, die nrit euch verbündet»

Und daß es jederzeit genügt,

Wenn euren Willen ihr verkündet?

Ihr handelt, dünkt uns, gar nicht schlau,
Ls könnte bitter euch mißglücken.

Dir Andern wissen ganz genau,

Wv euch daheim die Schuhe drücken.

Ihr tauscht sie nicht durch Pomp und Pracht;
Sie wissen, daß in eignen Landen
Euch längst schon eine Gegenmacht,

Die unbezwinglich ist, entstanden.

Sie wissen, daß vvn Fall;u Fall
Euch kritisch svlgt der Blick der Massen,
Die sich durch keinen Phrasenschivall
Bethvren und berauschen lassen,

Und ob ihr noch so trotzig prahlt,

In eurem kriegerischen Feuer —

Sie wissen, Deutschland« Volk bezahlt
Mit Rnirschrn nur dies Abenkeuer.

Sie wissen, dieses Volk ist arm
Und abgeneigt Phantastenzirlen, —

Es will durchaus nicht den Gendarm
Der Mächte fern in China spielen.

Durch Hochmuth kommt man auf den Hund
Zuletzt trotz Singen und trotz Beten —
Ihr hättet wirklich allen Grund
Viel, viel bescheidner auszutrelen!

Die Woche des deutschen Vmpgilisters.

Montag.

Und so fordere ich Sie denn auf, meine
Herren, mit mir einzustimmen in den Ruf: Unsere
Heldentruppen, die in China auf dein Felde
der Ehre ihr Blut fürs Vaterland vergießen —
hoch, hoch, hoch!"

Dienstag.

„Gehen. Sie weiter mit Ihren Nörgeleien! Sol-
datenmißhandlungen? Was ist denn weiter dabei,
wenn mal so ein Bancrnli'nnmel ein paar an seinen
Dickschädel kriegt? Das wird ihn nicht gleich um-
bringen! Was sagen Sie, sein Ehrgefühl würde
dadurch verletzt? Ra tut bitt' ich Sie, ivas soll
denn so ein ganz gewöhnlicher Soldat für
eine Sorte „Ehrgefühl" haben? Wie denken Sie
sich das?"

Mittwoch.

„Es giebt eben nur einen Bismarck! Wie
der noch am Ruder war, da waren wir stets
im Recht und die Anderen allemal ini Un-
recht - mochten die Sachen im klebrigen liegen,
wie sie wollten. Da hieß es für die Anderen
blos: 's Maul halten! Ja, der wußte, was er
wollte! — Wie es eben in dem großartigen eng-
lischen Worte heißt, das unser Bismarck selbst
ja auch gern zitirte: Right or wrong — my
country! Recht oder llnrecht — ntein Vaterland!"

Donnerstag.

„Für den Chamberlain habe ich nttr einen
Ausdruck: Schweinehund! Damit er und seine
sauberen Herren Landsleute um ein paar
Kröten reicher werden, sollet! die armen, braven
Buren vom Erdboden verschtvinden. Himtnel-
kreuzmillionenclement, dem verfluchten Kerl muß
doch faktisch alles Gefühl für Recht imd Unrecht
rein abhanden gekommen sein!"

Freitag.

„Die Geldspende für die armen, hungernden
Indier war doch wirklich eine edle, hochherzige
That! Es ist doch etwas Schönes um das Mit-
leid und die Menschenliebe!"

Sonnabend.

„Ja, meine Herren, es ist traurige Wahrheit:
In Leipzig hat ein Universitätsprofessor alle seine
Pflichten als Staatsbürger so vergessen, daß er
streikende Arbeiter unterstützte. Na, Sie können
sich das peinliche Aufsehen denken! — Das ist
eben die jämmerliche Humanitätsduselei! Und
dabei sind es doch blos lauter »SoziO "

Sonnkag.

„Natürlich, wir Reichsdeutschen müssen fest und
treu zu unseren Landsleuten in Oesterreich halten!
Wir müssen in jedem Deutschen den Lands-
mann achten — das ist mein Standpunkt! —
Kellner, Sie Rindvieh, kriege ich denn jetzt bald
mein Bier oder soll ich Ihnen Beine machen?"

Einer, der es selbst mitangehört hat.

Was darf ein Soxialdemokrak tlzun?

Auiebeuge, Ltechschritt darf er üben,
Parademarsch, Lchießprügelei.

Aus seiner Tasche darf er füttern
Den Fiskus, den gefräß'gen Hai.

Er darf in den Fabriken schwitzen.

In dumpfen Räumen ohne Licht,

Jedoch — in Zensburg sagt's der Landrath! —
Thausseen walzen darf er nicht!

Der Abgeordnete Müller-Fulda soll darüber
tiefsinnig geworden sein, daß er bei seinen Luxus-
steuervorschlägen den Zoll auf Bücher ver-
gessen hat. * *

Aus Nan-king-Ho-Se wird unterm 1. Oktober
gemeldet, daß dort Alles ruhig sei. (In der Zeit
der Pflaumenernte dürste das fraglich sein. D. Red.)
*

Der Waldersee-Parademarsch, für 6000 Mund-
harmoniken in Musik gesetzt, hat die Wirkung
gehabt, daß die entsetzten Boxer sich sämmtlich
übergeben haben.
 
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