3398 .
Es lrill rin blasser, fchmächk'ger Knabe
Still an den Weihnachtstisch heran;
Dort glänzt wohl manche kleine Gabe,
Daran rin Bind sich freuen kann.
Warum nur über seine Wangen
So matt ein Freudenschimmer fliegt?
Ist es rin unerfüllt Verlangen,
Was trüb auf seinen Mienen liegt?
Statt dass er nun nach Knabenmeisr
Vach jenen kleinen Gaben greift,
Steht er mrhmiilhig, seufzet leise,
Und kaum ein flücht'grr Blick sie streift.
Uiid merkt' auch Keiner, was ihm fehlte,
Und könnt es Keiner auch verstehn,
Da Alle hohe Lust beseelte:
Vas Multeraugr hat'« grsehn.
Die Maschine.
Sir hat erlauscht den Wunsch, den stillen,
Und sinnt darüber manchen Tag,
Sie must, sie ivird ihn noch erfüllen,
Wie fchwrr es ihr auch werden mag.
Sie niüht sich, dast sie es erspare,
Sie legt'« bei Pfennigen zurück,
Und zu dem Fest im nächsten Jahre
Verschafft sie ihm sein höchstes Glück.
Da strahlt verklärt des Knaben Miene,
Als niitlen aus dem Tische steht
Die kleine blanke Dampfmaschine
Und fauchend sich und schiiubrend dreht.
Seitdem ist manches Jahr entschwunden.
Der blasse Knabe ward ein Mann,
Der grübelte in stillen Stunden,
Vis er rin grostes Werk ersann.
Ein technisches Problem ergründet
Hat sein liesdringender Verstand.
Zum Weihnachtssest wird ihm verkündet,
Daß dir Erfindung anerkannt.
Da holl er glücklich aus dem Schranke
Das Spielzeug, stellt es vor sich hin,
Und riil sehnsüchtiger Gedanke
Erfüllt auf einmal seinen Sinn.
In seiiie Augen Thränen steigen,
Als er zur Wand rmporgeblickt.
Cr spricht: „Mit grünen Tannenzweigen
Hab' heute ich dein Bild geschmückt.
Ich bin am Ziel des kühnen Strebens.
Ach kvniilrst du, mein Mütterlein,
Am schönsten Tage »leine« Lebens
Mich sehen und dich mit mir fren'n!" ^
Seht Geburtstag.
Von Dellev Rokerly.
Und es begab sich, daß er wieder auf Erden
wandelte wie ehedem. Und trug ein Bettler-
gewand und hatte schlechte, zerrissene Schuhe
an feilten Füßen.
Der Abend war längst hereingcbrochen, als
er die große Stadt betrat, auf die in ununter-
brochenem Wirbel noch immer ein Meer von
weißen Flocken sich herniedersenkte. In den
breiten lichterfülltcn Straßen herrschte ein fieber-
haftes Leben und Treiben. Gleich einem end-
losen schwarzen Strome drängten die Mengen
an ihm vorüber; bald hier, bald dort vor einer
der glänzenden Spiegelscheiben sich zu einem
dichten Knäuel zusammenballend, und dann
wieder hastig auseinauderfahrend, wenn den
allgemeinen Lärm unvermuthet das laute harte
Glockensignal der Straßenbahn übertönte. Die
Mehrzahl der Leute um ihn her war mit
Packeten beladen, und Keiner schien für den
Anderen heute einen Blick übrig zu haben. Da
wurde er plötzlich unsanft zur Seite gestoßen.
„Aufpassen!" rief ihm eine rauhe Stimme zu.
Es war ein Dienstmann, der einen riesigen
TaNnenbaum unter dem Arme trug und sich
durch das dichte Gewühl rücksichtslos seinen
Weg bahnte. Er drehte sich um und schaute
dem Manne nach. Ein Tannenbaum? und
dort drüben ein zweiter, ein dritter? Da fiel
es ihm ein. Es war ja Weihnachten heute,
und die Menschheit schickte sich wieder einmal
an, seinen Geburtstag zn feiern.
Und weiter ging er, während der Schnee
immer dichter und dichter zur Erde nieder-
wirbelte. Da fing ihn an zu frieren, und er
hüllte sich fester iu sein ärmliches zerschlissenes
Kleid. Doch was nützte ihm das für seine
Füße, die von dem Schneewasser bereits wie
zu Eis erstarrt waren. Und >vie lange würden
diese abgelaufenen,, nothdürftig znsammen-
geflickten Schuhe überhaupt noch halten?
„Vielleicht, daß ich Einen finde", dachte er,
„der zween Paar Schuhe hat uitb lässct mir
eines davon." llnd er trat in ein Haus, in
dem eine breite mit prächtigen Gaskandelabern
verzierte Treppe nach oben führte.
Aber da sah er schon einen Anderen stehen,
ärmlich gekleidet wie er.
„Brauchst Du auch ein Paar Schuhe?" fragte
er ihn.
„Nee, nee", flüsterte dieser ihm zu, „aber
mach Dich man aus dein Staube, es ist Eener
auf der Treppe. Aber Du frierst wohl, was?
Na, warte, von der Sorte haben wir noch.
Ick werd' Dir 'n Droppen geben" und damit
reichte er ihm seine Flasche hin. Er aber dankte
und nahm einen Schluck davon.
„Haste auch richt'ge Papiere?" fragte ihn
der Andere noch heimlich, als sie wieder draußen
auf der Straße standen. „Sonsten laß Dich
ja nich erwischen. Sie spinnen Dir ohne
Weiteres iun. Bist wohl das erste Mal uff
der Walze, was? Na, viel Jlick uff 'n Weg",
sagte er nach und verschwand in der Menge
der Passanten.
Im Hause des Eisenwaarenhändlers Vogel
war alles zur Bescherung vorbereitet. In-
mitten des hellerlenchteten Salons streckte ein
riesiger Tannenbaum seine breiten, mit Licht
und Flittergold geschmückten Zweige nach allen
Seiten, und ringsumher lagerte auf weiß-
gedeckten Tischen eine Fülle der herrlichsten
Gaben.
„Wenn nur die Tante endlich käme!" flüsterten
schon zum dritten Male die Kinder, die im
Zimmer nebenan um den runden Tisch ver-
sammelt waren.
Und dasselbe dachte die neunjährige Grete,
die draußen in der Küche zusah, wie Mama
das Voressen, eine große Schüssel italie-
nischen Salat, anrichtete und nebenher die
Zubereitung des Weihnachtskarpfens beauf-
sichtigte.
„Mama, ob die Tante vielleicht gar nicht
kommt?" fragte das Mädchen jetzt halb un-
gläubig, halb vertrauend.
Da klingelte es auch bereits. Jauchzend
sprang die Kleine nach der Vorsaalthüre und
öffnete. Aber das war ja gar nicht die Tante!
und stumm und verlegen blickte Grete hinauf
zu der ärmlichen Gestalt eines Mannes, der
dicht vor ihr stand.
„Nun, wer ist's denn?!" rief Frau Vogel,
indem sie selbst aus der Küche herbeieilte.
„Ein Bettler", erwiderte die Kleine zaghaft.
In diesem Augenblick hatte aber auch die
Tante stapfend und keuchend die letzte Treppen-
stufe erklommen. Aber Grete blieb noch immer
stumm und wie angewachsen stehen, während
die Mutter der Tante die Hand entgegenstreckte
und gleichzeitig heftig auf den Bettler ein-
rcdete, der der kleinen wohlgenährten Person
der Tante bescheiden Platz gemacht hatte.
„Nicht einmal am Heiligen Abend hat man
Ruhe vor diesen Leuten. Nein, nein, jetzt habe
ich keine Zeit, da kommen Sie ein ander Mal
wieder", rief Frau Vogel unwillig.
Und damit flog ihm die Thüre vor der Nase
zu, und er stand wieder allein draußen auf der
kalten Treppe und brütete vor sich hin und war-
tete und wartete. Worauf eigentlich? Daß man
die Thüre vielleicht noch einmal öffnen werde?
Da wurde drinnen ein Klavier angeschlagen
und laut ertönte das alte Weihnachtslied:
Dies ist der Tag, den Gott gemacht.
Sein werd' in aller Welt gedacht.
Ihn preise, was durch Jesnm Christ
Im Himmel und auf Erden ist.
Der Bettler draußen vor'der Thüre aber
ballte die Faust und wandte sich von dannen.
„Umsonst also, umsonst", murmelte er vor sich
hin, und hungernd und frierend, ein Obdach-
loser, schritt er hinaus in Sturm und Nacht,
dieselbe schneeverwehte Straße, die er ge-
kommen war.
Es lrill rin blasser, fchmächk'ger Knabe
Still an den Weihnachtstisch heran;
Dort glänzt wohl manche kleine Gabe,
Daran rin Bind sich freuen kann.
Warum nur über seine Wangen
So matt ein Freudenschimmer fliegt?
Ist es rin unerfüllt Verlangen,
Was trüb auf seinen Mienen liegt?
Statt dass er nun nach Knabenmeisr
Vach jenen kleinen Gaben greift,
Steht er mrhmiilhig, seufzet leise,
Und kaum ein flücht'grr Blick sie streift.
Uiid merkt' auch Keiner, was ihm fehlte,
Und könnt es Keiner auch verstehn,
Da Alle hohe Lust beseelte:
Vas Multeraugr hat'« grsehn.
Die Maschine.
Sir hat erlauscht den Wunsch, den stillen,
Und sinnt darüber manchen Tag,
Sie must, sie ivird ihn noch erfüllen,
Wie fchwrr es ihr auch werden mag.
Sie niüht sich, dast sie es erspare,
Sie legt'« bei Pfennigen zurück,
Und zu dem Fest im nächsten Jahre
Verschafft sie ihm sein höchstes Glück.
Da strahlt verklärt des Knaben Miene,
Als niitlen aus dem Tische steht
Die kleine blanke Dampfmaschine
Und fauchend sich und schiiubrend dreht.
Seitdem ist manches Jahr entschwunden.
Der blasse Knabe ward ein Mann,
Der grübelte in stillen Stunden,
Vis er rin grostes Werk ersann.
Ein technisches Problem ergründet
Hat sein liesdringender Verstand.
Zum Weihnachtssest wird ihm verkündet,
Daß dir Erfindung anerkannt.
Da holl er glücklich aus dem Schranke
Das Spielzeug, stellt es vor sich hin,
Und riil sehnsüchtiger Gedanke
Erfüllt auf einmal seinen Sinn.
In seiiie Augen Thränen steigen,
Als er zur Wand rmporgeblickt.
Cr spricht: „Mit grünen Tannenzweigen
Hab' heute ich dein Bild geschmückt.
Ich bin am Ziel des kühnen Strebens.
Ach kvniilrst du, mein Mütterlein,
Am schönsten Tage »leine« Lebens
Mich sehen und dich mit mir fren'n!" ^
Seht Geburtstag.
Von Dellev Rokerly.
Und es begab sich, daß er wieder auf Erden
wandelte wie ehedem. Und trug ein Bettler-
gewand und hatte schlechte, zerrissene Schuhe
an feilten Füßen.
Der Abend war längst hereingcbrochen, als
er die große Stadt betrat, auf die in ununter-
brochenem Wirbel noch immer ein Meer von
weißen Flocken sich herniedersenkte. In den
breiten lichterfülltcn Straßen herrschte ein fieber-
haftes Leben und Treiben. Gleich einem end-
losen schwarzen Strome drängten die Mengen
an ihm vorüber; bald hier, bald dort vor einer
der glänzenden Spiegelscheiben sich zu einem
dichten Knäuel zusammenballend, und dann
wieder hastig auseinauderfahrend, wenn den
allgemeinen Lärm unvermuthet das laute harte
Glockensignal der Straßenbahn übertönte. Die
Mehrzahl der Leute um ihn her war mit
Packeten beladen, und Keiner schien für den
Anderen heute einen Blick übrig zu haben. Da
wurde er plötzlich unsanft zur Seite gestoßen.
„Aufpassen!" rief ihm eine rauhe Stimme zu.
Es war ein Dienstmann, der einen riesigen
TaNnenbaum unter dem Arme trug und sich
durch das dichte Gewühl rücksichtslos seinen
Weg bahnte. Er drehte sich um und schaute
dem Manne nach. Ein Tannenbaum? und
dort drüben ein zweiter, ein dritter? Da fiel
es ihm ein. Es war ja Weihnachten heute,
und die Menschheit schickte sich wieder einmal
an, seinen Geburtstag zn feiern.
Und weiter ging er, während der Schnee
immer dichter und dichter zur Erde nieder-
wirbelte. Da fing ihn an zu frieren, und er
hüllte sich fester iu sein ärmliches zerschlissenes
Kleid. Doch was nützte ihm das für seine
Füße, die von dem Schneewasser bereits wie
zu Eis erstarrt waren. Und >vie lange würden
diese abgelaufenen,, nothdürftig znsammen-
geflickten Schuhe überhaupt noch halten?
„Vielleicht, daß ich Einen finde", dachte er,
„der zween Paar Schuhe hat uitb lässct mir
eines davon." llnd er trat in ein Haus, in
dem eine breite mit prächtigen Gaskandelabern
verzierte Treppe nach oben führte.
Aber da sah er schon einen Anderen stehen,
ärmlich gekleidet wie er.
„Brauchst Du auch ein Paar Schuhe?" fragte
er ihn.
„Nee, nee", flüsterte dieser ihm zu, „aber
mach Dich man aus dein Staube, es ist Eener
auf der Treppe. Aber Du frierst wohl, was?
Na, warte, von der Sorte haben wir noch.
Ick werd' Dir 'n Droppen geben" und damit
reichte er ihm seine Flasche hin. Er aber dankte
und nahm einen Schluck davon.
„Haste auch richt'ge Papiere?" fragte ihn
der Andere noch heimlich, als sie wieder draußen
auf der Straße standen. „Sonsten laß Dich
ja nich erwischen. Sie spinnen Dir ohne
Weiteres iun. Bist wohl das erste Mal uff
der Walze, was? Na, viel Jlick uff 'n Weg",
sagte er nach und verschwand in der Menge
der Passanten.
Im Hause des Eisenwaarenhändlers Vogel
war alles zur Bescherung vorbereitet. In-
mitten des hellerlenchteten Salons streckte ein
riesiger Tannenbaum seine breiten, mit Licht
und Flittergold geschmückten Zweige nach allen
Seiten, und ringsumher lagerte auf weiß-
gedeckten Tischen eine Fülle der herrlichsten
Gaben.
„Wenn nur die Tante endlich käme!" flüsterten
schon zum dritten Male die Kinder, die im
Zimmer nebenan um den runden Tisch ver-
sammelt waren.
Und dasselbe dachte die neunjährige Grete,
die draußen in der Küche zusah, wie Mama
das Voressen, eine große Schüssel italie-
nischen Salat, anrichtete und nebenher die
Zubereitung des Weihnachtskarpfens beauf-
sichtigte.
„Mama, ob die Tante vielleicht gar nicht
kommt?" fragte das Mädchen jetzt halb un-
gläubig, halb vertrauend.
Da klingelte es auch bereits. Jauchzend
sprang die Kleine nach der Vorsaalthüre und
öffnete. Aber das war ja gar nicht die Tante!
und stumm und verlegen blickte Grete hinauf
zu der ärmlichen Gestalt eines Mannes, der
dicht vor ihr stand.
„Nun, wer ist's denn?!" rief Frau Vogel,
indem sie selbst aus der Küche herbeieilte.
„Ein Bettler", erwiderte die Kleine zaghaft.
In diesem Augenblick hatte aber auch die
Tante stapfend und keuchend die letzte Treppen-
stufe erklommen. Aber Grete blieb noch immer
stumm und wie angewachsen stehen, während
die Mutter der Tante die Hand entgegenstreckte
und gleichzeitig heftig auf den Bettler ein-
rcdete, der der kleinen wohlgenährten Person
der Tante bescheiden Platz gemacht hatte.
„Nicht einmal am Heiligen Abend hat man
Ruhe vor diesen Leuten. Nein, nein, jetzt habe
ich keine Zeit, da kommen Sie ein ander Mal
wieder", rief Frau Vogel unwillig.
Und damit flog ihm die Thüre vor der Nase
zu, und er stand wieder allein draußen auf der
kalten Treppe und brütete vor sich hin und war-
tete und wartete. Worauf eigentlich? Daß man
die Thüre vielleicht noch einmal öffnen werde?
Da wurde drinnen ein Klavier angeschlagen
und laut ertönte das alte Weihnachtslied:
Dies ist der Tag, den Gott gemacht.
Sein werd' in aller Welt gedacht.
Ihn preise, was durch Jesnm Christ
Im Himmel und auf Erden ist.
Der Bettler draußen vor'der Thüre aber
ballte die Faust und wandte sich von dannen.
„Umsonst also, umsonst", murmelte er vor sich
hin, und hungernd und frierend, ein Obdach-
loser, schritt er hinaus in Sturm und Nacht,
dieselbe schneeverwehte Straße, die er ge-
kommen war.