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3Seim Deseukinöer Ehrlich.
„Ich war o in die Karche gihn, vielleicht
traff ich Bauer Hort'ge, dar ließ uns amende
an Zentner Arbarn ob!"
„Jo, Du Monn", erwiderte die Frau rasch,
hob den Kopf in die Höhe und athmete auf,
„jo. Du Monn, dos konnste machen, dar Hotter
genung un vielleicht thät er werten, ich hob'n
ju den ganzen Summer gehulfen un hob nich
väl verlangt derfür!"
Der Mann war bald fertig mit Anziehen
und ging. Eine ruhige, eisige Kälte erwartete
ihn in der Kirche, die Heizung konnte die kleine
Gemeinde nicht erschwingen. Auf den breiten
Bänken rechts und links saßen die Bauern,
auf den Schultern breite, braune Pelzstreifen
und die Füße im Pelzsack. Der Häusler suchte
sich einen Platz an der Säule, vor dem kein
weißes Schild angebracht war, welches besagte,
daß der oder jener den Platz als Eigenthum
erworben habe. Bitter empfand er die Kälte.
Mitsingen konnte er nicht, gerade diese Seite
fehlte im Gesangbuch; das mußte für die Jungen
auch schlecht sein in der Schule. Dafür hörte
er die Predigt. Der Herr Pfarrer machte es
sehr schön heute. „Und wer zwei Röcke hat,
der gebe dem, der keinen hat; was ihr den
Geringsten unter meinen Brüdern gethan habt,
das habt ihr mir gethan, spricht der Herr."
Die Bauern saßen da, falteten die gut be-
handschuhten Hände und senkten die Köpfe tief
herab. Unter ihnen der reiche Bauer Hartig.
Die Predigt war zu Ende, man sang noch
einen schönen Vers, dann kam ein stilles Gebet
und die Bänke leerten sich langsam. Dem
Häusler waren die Füße steif geworden. Er
eilte, so gut es gehen wollte, dem Bauer nach.
„Guten Log, Herr Hort'g!"
„Tog o. Ehrlich!"
„Herr Hort'g, ich wullte fragen, ob sie mer
nich könnten an Zentner Arbarn oblossen?"
Hartig überlegte. „Ich hob sie in der Feime,
Ehrlich, do konn ich itz nich neireißen!"
Der Häusler wurde kleinlaut. „Ich thät
sie rächt nuthwend'g brauche», Herr Hort'g!"
Hartig hatte ausüberlegt. „Nee, Ehrlich,
vielleicht schpäter, itz reiß ich nich in die Feime!"
Der Häusler ging und zum Hartig trat sein
Nachbar.
„Wos wullte denn dar Ehrlich vun der?"
„Arbarn wullter koofen", erzählte Hartig,
„ich reiß nich in die Feime!" Und als der
Nachbar schwieg, platzte er heraus: „'s konn
mer doch Niemand verdenken, die warn doch
immer theurer!"
Der Herr Pfarrer hatte eine sehr schöne
Predigt gehalten.
Die Hampelmänner.
Weihnachtsabend.
Ein buntes Gedränge in den Marktreihen,
tausendfältiges Lichterflimmern, ein sanfter
Schneefall — ganz wie es zur Weihnachts-
poeste gehört.
Und auch die Weihnachtsprosa fehlt nicht.
Da steht ein kleines Mädchen frostzitternd an
ihrem Berkanfstischchen und bietet den Vor-
übergehenden Hampelmänner an — komische
Figuren, aus Pappe geschnitten, die groteske
Bewegungen machen, wenn man unten an der
Schnur zieht.
Aber Niemand will die Ungeheuer kaufen;
das Geschäft geht schlecht, trotz der Menge
von Menschen, die gaffend vorüberdrängen.
Zwei stattliche vornehme Gestalten tauchen
im Menschenstrom auf. Man erkennt den
Grafen Roßner mit seiner noch jugendfrischeu
Gemahlin. Roßner . . . ehemals als toller
Sportsmann stadtbekannt, jetzt alternd, solid,
Mitglied des Herrenhauses.
„Kaufen Sie Hampelmänner!"
Der Graf will vorüberschreiten, aber seine
Gattin hält ihn zurück.
„Hampelmänner verkaufst Du? .. . das ist
schön . . . zeig' mal her." Sie versucht, die
Schnur zu ziehen, sie entledigt sich wahrhaftig
des Handschuhes, um die Mechanik besser in
Bewegung zu setzen. Es geht noch immer
nicht recht. Mit diesem Hampelmann ist etwas
nicht in Ordnung. Sie untersucht . . . „aha!
siehst Du, Kleine, diese Schnur ist falsch ge-
knüpft ... der macht ja Bewegungen, als hätte
er Rheumatismus im linken Beine!"
Der Graf trippelt neben ihr ungeduldig im
Schnee.
„Welche bizarre Laune! Ich verstehe absolut
nicht —"
Ja, der Herr Graf konnte auch nicht verstehen.
3Seim Deseukinöer Ehrlich.
„Ich war o in die Karche gihn, vielleicht
traff ich Bauer Hort'ge, dar ließ uns amende
an Zentner Arbarn ob!"
„Jo, Du Monn", erwiderte die Frau rasch,
hob den Kopf in die Höhe und athmete auf,
„jo. Du Monn, dos konnste machen, dar Hotter
genung un vielleicht thät er werten, ich hob'n
ju den ganzen Summer gehulfen un hob nich
väl verlangt derfür!"
Der Mann war bald fertig mit Anziehen
und ging. Eine ruhige, eisige Kälte erwartete
ihn in der Kirche, die Heizung konnte die kleine
Gemeinde nicht erschwingen. Auf den breiten
Bänken rechts und links saßen die Bauern,
auf den Schultern breite, braune Pelzstreifen
und die Füße im Pelzsack. Der Häusler suchte
sich einen Platz an der Säule, vor dem kein
weißes Schild angebracht war, welches besagte,
daß der oder jener den Platz als Eigenthum
erworben habe. Bitter empfand er die Kälte.
Mitsingen konnte er nicht, gerade diese Seite
fehlte im Gesangbuch; das mußte für die Jungen
auch schlecht sein in der Schule. Dafür hörte
er die Predigt. Der Herr Pfarrer machte es
sehr schön heute. „Und wer zwei Röcke hat,
der gebe dem, der keinen hat; was ihr den
Geringsten unter meinen Brüdern gethan habt,
das habt ihr mir gethan, spricht der Herr."
Die Bauern saßen da, falteten die gut be-
handschuhten Hände und senkten die Köpfe tief
herab. Unter ihnen der reiche Bauer Hartig.
Die Predigt war zu Ende, man sang noch
einen schönen Vers, dann kam ein stilles Gebet
und die Bänke leerten sich langsam. Dem
Häusler waren die Füße steif geworden. Er
eilte, so gut es gehen wollte, dem Bauer nach.
„Guten Log, Herr Hort'g!"
„Tog o. Ehrlich!"
„Herr Hort'g, ich wullte fragen, ob sie mer
nich könnten an Zentner Arbarn oblossen?"
Hartig überlegte. „Ich hob sie in der Feime,
Ehrlich, do konn ich itz nich neireißen!"
Der Häusler wurde kleinlaut. „Ich thät
sie rächt nuthwend'g brauche», Herr Hort'g!"
Hartig hatte ausüberlegt. „Nee, Ehrlich,
vielleicht schpäter, itz reiß ich nich in die Feime!"
Der Häusler ging und zum Hartig trat sein
Nachbar.
„Wos wullte denn dar Ehrlich vun der?"
„Arbarn wullter koofen", erzählte Hartig,
„ich reiß nich in die Feime!" Und als der
Nachbar schwieg, platzte er heraus: „'s konn
mer doch Niemand verdenken, die warn doch
immer theurer!"
Der Herr Pfarrer hatte eine sehr schöne
Predigt gehalten.
Die Hampelmänner.
Weihnachtsabend.
Ein buntes Gedränge in den Marktreihen,
tausendfältiges Lichterflimmern, ein sanfter
Schneefall — ganz wie es zur Weihnachts-
poeste gehört.
Und auch die Weihnachtsprosa fehlt nicht.
Da steht ein kleines Mädchen frostzitternd an
ihrem Berkanfstischchen und bietet den Vor-
übergehenden Hampelmänner an — komische
Figuren, aus Pappe geschnitten, die groteske
Bewegungen machen, wenn man unten an der
Schnur zieht.
Aber Niemand will die Ungeheuer kaufen;
das Geschäft geht schlecht, trotz der Menge
von Menschen, die gaffend vorüberdrängen.
Zwei stattliche vornehme Gestalten tauchen
im Menschenstrom auf. Man erkennt den
Grafen Roßner mit seiner noch jugendfrischeu
Gemahlin. Roßner . . . ehemals als toller
Sportsmann stadtbekannt, jetzt alternd, solid,
Mitglied des Herrenhauses.
„Kaufen Sie Hampelmänner!"
Der Graf will vorüberschreiten, aber seine
Gattin hält ihn zurück.
„Hampelmänner verkaufst Du? .. . das ist
schön . . . zeig' mal her." Sie versucht, die
Schnur zu ziehen, sie entledigt sich wahrhaftig
des Handschuhes, um die Mechanik besser in
Bewegung zu setzen. Es geht noch immer
nicht recht. Mit diesem Hampelmann ist etwas
nicht in Ordnung. Sie untersucht . . . „aha!
siehst Du, Kleine, diese Schnur ist falsch ge-
knüpft ... der macht ja Bewegungen, als hätte
er Rheumatismus im linken Beine!"
Der Graf trippelt neben ihr ungeduldig im
Schnee.
„Welche bizarre Laune! Ich verstehe absolut
nicht —"
Ja, der Herr Graf konnte auch nicht verstehen.