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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0013
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3411

3H,^VclVij*C^C$ Xicßß$lPCt*I)CH. Sie tanzen um den schönen Bernhard, wie die Juden um das goldene Ralb.

Am Sylvesterabend.

Janos von Pritzscheff, der allgewaltige Polizei-
hauptnmnn, saß in seinem Arbeitszimmer und
starrte trübe vor sich hin.

Das Herannahen des Jahresschlusses stimmt
nachdenklich; auch Pritzscheff dachte nach. Und
es waren keine angenehme Gedanken, die ihn be-
schäftigten. In der That, er hatte es toll getrieben
in diesem Jahre, er hatte seine Position ernstlich
erschüttert.

Da war zunächst die Affaire mit dem Lem-
berger, dem berüchtigten Halsabschneider. Dieser
hatte ihm, dem Polizeihauptmann, in einer An-
wandlung von edler Uneigennützigkeit tausend
Gulden geschenkt, die gerade dringend gebraucht
und mit Herablassung angenommen wurden. Um
diese Zeit schwebte zufällig ein schlimmer Prozeß
gegen Lemberger; er ging gut ans, aber wer weiß,
was ans der Sache geworden wäre, wenn der
Polizeihauptmann nicht so günstig für den An-
geklagten nusgesagt hätte.

Dann die unverhoffte Kassenrevision! Das
hätte schlimm ausfallcn können ohne die Geistes-
gegenwart Pritzscheffs. Er unterbrach die Arbeit
der Revisoren durch eine Einladung zu einem
Frühstück, entfernte sich unauffällig und borgte
bei einer bekannten Dame eine namhafte Summe,
die sonst am Kassenbestand gefehlt haben würde.

Bei solcher Gelegenheit kann man hinsichtlich
des Gläubigers natürlich nicht wählerisch sein.
Frau Kunkel, Besitzerin eines Thcesalons, die ihm
das Geld gegeben, stand nicht im besten Rufe.
Zu ihren: Hause mar — so sagte man — Spiel-
hölle und Venustempel dicht bei einander, Und
der Polizeihauptmann, der früher schon gern ein
Auge ^ zudrückte, mußte nun dieser alten Hexe
gegenüber auf beiden Augen blind sein. Ihr
Treiben wurde daher immer nngenirter.

Eines Tages erhielt er direkt Anzeige davon
und es wurden ihm Namen genannt — Namen

von hochgestellten Herren, die jenes Haus fre-
quentirten.

Auch diesmal wußte sich Pritzscheff noch zu
helfen. Er ließ den Angeber verhaften und wegen
Beleidigung jener hochgestellten Herren dem
Gericht überliefern. Aber die Presse hatte sich
der Sache bemächtigt und ihn als feilen, par-
teiischen Beamten entlarvt — diese verwünschte
Presse!

Eine Disziplinaruntersuchung war das mindeste,
was ihn erwartete — vielleicht Amtsentsetzung,
vielleicht sogar ein Prozeß wegen Amtsmiß-
brauchs. Der Polizeidirektor hatte schon geheimniß-
voll gemunkclt, es stände ihm etwas bevor. . .

Heute war er, durch Krankheit entschuldigt,
nicht ins Bureau gegangen, um wenigstens nicht
vor den Augen seiner Untergebenen Demüthigungen
zu erleiden.

Das Sylvestcrgelänte klang ihm wie ein Armen-
sünderglöckchen in die Ohren.

Da schlug die Korridorglocke an — hell und
scharf. Man fragt nach ihm — herein tritt der
Herr Polizeidirektor in eigener Person...

„Mein lieber Herr von Pritzscheff, es macht
mir ein Vergnügen, Ihnen persönlich die freudige
Nachricht zu überbringen" - - Beförderung, Ge-
haltszulage, die Verdienstmedaille.

Der Polizeihauptmann glaubte nicht recht ge-
hört zu haben. Es flimmerte ihm vor den Augen,
das Ziinmer drehte sich im Kreise um ihn. Die
Verdienstmedaille schimmerte im goldenen Glanze;
sie nahm bald die Größe eines mächtigen Schweizer-
käses an, dann wuchs sie sich aus zu der vollen
Mondscheibe, die ihn höhnisch lächelnd ansah.
Endlich sank der Herr Polizeihauptmann in seinen
Sessel, eine wohlthätige Ohnmacht umfing seine
Sinne, die es nicht fassen konnten, daß er, ein
ausgemachter Lump, statt ins Zuchthaus zu kommen,
nun so herrlich belohnt werden sollte.

Als er erwachte, bemühte sich seine Frau um
ihn. „Es war die Freude, die den braven Mann
überwältigte", sagte gerührt der Herr Direktor.

„Der Staat kann sich glücklich schätzen, solch
ausgezeichnete Beaintc zu besitzen."

Frau von Pritzscheff wischte sich eine Thräne
aus dein Auge.

Schadenfreude.

Schrilze und Lehmann, zwei Berliner, machten
einst eine Orientreise. Neben mancherlei anderen
Fährnissen passirte ihnen eines Tages das Miß-
geschick, in den Harem des Großveziers zu ge-
rathen. Sie wurden sofort von den Eunuchen
ergriffen und dem Herrn vorgeführt.

„Ihr frechen Gianrs", herrschte dieser sie an,
„ich werde an euch ein Exempel statuircn. Geht
in den Garten und sucht Früchte!"

Nach einiger Zeit wurde Schulze wieder herein-
geholt. Er hatte inzwischen Kirschen gcpfliickt.

„Dieser Berliner wollte in meinem Harem
verbotene Früchte naschen", so sprach gestrengen
Tones der Großvezier zu seinen Eunuchen, „gebt
ihm die Kirschen, aber befördert sie auf um-
gekehrtem Wege in seinen lüsternen Leib."

Und es geschah also. Schulze wurde auf den
Bauch gelegt und die Kirschen in ihn hinein-
gestopft.

Aber zum großen Erstaunen des Großveziers
lachte Schulze dabei aus vollem Halse.

„Aber warum lachst du so vergnügt", fragte
ihn endlich der Großoezier, „macht dir die Sache
denn Spaß?"

„Ach", stieß Schulze lachend hervor, „ick freu'
mir bloß uff Lehman», der sammelt Kür-
bisse!"
 
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