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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0016
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3414 —

(Zs ist doch neti, baß wir aus Remyebnbunderi
Ins Mausigste Jahrhundert einen fetten
Bestand an hübschen Dingen übernehmen,

Die für das Reich der Gottesfurcht und Kitte
Röchst rühmlich find und höchst bezeichnend auch.
Man wird an ihnen noch geraume Meile
Zu kauen haben: grobe Rissen stnd's,

An denen die Gesellschaft noch erstickt.

Zum Gaudium des Vlebs steht uns bevor
Zn nächster Zeit ein großes „Reinemachen"

Zm Allerheiligsten der Voltzei.

In allen Gcken hat sich Kchmuß gesammelt
Und ehe man die Winket rein bekommt,

Die Dielen blank und säuberlich die Wände,
Wird ungezählte Spülicht-Kübel man
Vor Aller Augen auf die Straße gießen,

And dafür wissen wir Lerrn Sternberg Dank,
Der von dem Haupte unsrer Volhei
Die unverdiente Gloriole streifte.

And nun kommt Kunden, jener Tugendbold, -
Gin Areunö von dem Rhinozeros-Mirbach,
Der alle Welt verblüffte durch den Spruch,

Daß des Jahrhunderts mächtigste Bewegung
Getragen werde vom Rhinozeros!

Der fromme Krösus nun, der's Kirchenbau'n
Als Sport betrieb, der sich in seine Villa
Die stilvoll-fferlichste Vrivatkapelle
Hat eingebaut und dessen Mannesbrust
Die Adler stch ?utn Ruheplätze wählten,

Die nach wie vor für den loyalen Rürger
Das höchste find, der Ghre Inbegriff, -
Der schwindelte in kolossalem Stile
And raubte was nicht niet- und nagelfest!

And daß in Sicherheit er diesen Raub
Rechtzeitig brachte, das gehört wohl auch
Zur Signatur der Zeit, M den Symptomen
Der großen Aüulniß, die ins Manffgste
Jahrhundert wir zunächst herübernehmen?

InlMlk der Unlerlraltungs-Beilage.

Trau, schau, wem! (Illustration.) — Sozialismus. Ge-
dicht von Robert Seidel. — Rechenexempel. — Neues von
Serenissimus. — Ich bin ein deutscher Bürger. — Das
Schulhaus. Von Emil Noseuow. (Mit Illustration.) — Die
Potsdamer Zauberflasche. (Illustration.)

Die Aadlen in Lippe.

Da; ist der Teutoburger Wald,

Der so historisch geworden;

hier schlugen einst Deutsche voll wilder Kraft

Der Römer stolze Kohorten.

Und lang genossen die Deutschen die Srucht
(Ion diesem grossen Siege;

6s wurde der Ceutoburger Wald
Germanischer Freiheit Wiege.

geizt hat im Ceutoburger Wald
Getobt der Kampf um die Wahlen;

„Die Bückeburg und hie Biesterfeld!“
hiess es mit Drohen und Prahlen.

Doch beide Parolen waren verfehlt,

Hebst allen Ränken und Eisten;

6s haben die Eippeschen tapfer gewählt,
Hier UollbluKSozialisten.

0 alter Ceutoburger Wald
[Hit deinen Wären und Sagen,

Du lässt den alten Jreiheitsbaum
Doch wieder Jriichte tragen! b.

Ungleiche Gesellen.

Der Hauptmann stand vor dem Spiegel und
machte sich zum Weg in die Kaserne fertig.
Alles war tadellos und blank an ihm, das
verstand sich von selbst und war eigentlich
die Sache des Burschen; nur die letzten Voll-
enduugsstriche au seinem äußeren Menschen
leistete der Hauptman» höchst eigenhändig. Er
bürstete die Enden seines Schnurrbartes struppig
nach oben, daß sie den Augenlidern als Spreizen
dienen konnten und hielt dabei in Gedanke»
folgendes Selbstgespräch: Wieder einmal Be-
sichtigung, wieder einmal der Abschluß des
alljährlichen Rekruten-Einexerzirens mit dem
vielen Schwitzen und Schimpfen und dem weisen
Nichthinsehen, wenn der Unteroffizier sich mit
den blöden Kerls nicht mehr anders zu helfen
weiß, als daß er sie pufft und maulschellt.
Wieder dieselbe Vorführung vor dem gestrengen
Befehlshaber, der Mücken seiht und Kameele
schluckt; wieder dieselbe Ansprache nachher an
die Herren Offiziere — etwas gnädiger, etwas
unwirscher, je nach Laune und Wetter. Es
ist doch ein Hundeleben, einförmig und leer.
Hol's der Teufel! Und älter wird man alle

Tage und das Avancement-Und

was kommt bei der ganzen Plackerei heraus?
MitNichtigkeiten, zu Wichtigkeiten aufgebauscht,
wird die ganze Zeit ausgefüllt. Ja, wenn
man das Maul aufthun dürfte!

Der Professor der Geschichte am Staats-
gymnasium klopfte ein Stockwerk höher seine
Frühstückspfeife aus und rüstete sich zum Schul-
gang. Bitter lächelnd wiederholte er im Geiste
den heutigen Lehrstoff. Er hatte den Primanern
allerlei Erhebendes von des derzeitigen Regenten
unmittelbaren beiden Vorgängern zu erzählen,
von denen der eine grundschlecht, der andere
erzdumm gewesen war. Ja, wenn man die

Wahrheit sagen könnte — aber da wär's um
die Futterkrippe geschehen gewesen.

1- *

*

Noch ein Stockwerk höher stellt ein National-
ökonom und Statistiker den Baud, in welchem
er soeben gelesen, in den Bücherschrank zurück,
ehe er in die Redaktion der Zeitung geht,
deren volkswirthschaftlicher Mitarbeiter er ist.
Wichtige Fragen der Besteuerung und der
Zollpolitik lagen augenblicklich vor. Und er?
Pfui, er war gezwungen, seiner innersten Ueber-
zeugung entgegen Maßnahmen zu vertheidigen,
deren Schädlichkeit in jedem Schulbuch aus-
einandergesetzt war. Gezwungen? Ja, erwar's.
Um Brot zu haben, hatte er sich der Zeitung
verdungen. Ach, wenn man könnte, was man
sollte! * * *

So haderten alle drei mit ihrem Schicksal.
Selbstverständlich konnten sie sich gegenseitig
nicht leiden. Der Professor hielt den National-
ökonomen für ein Preßreptil und den Haupt-
mann für einen Gecken; der Statistiker nannte
in Gedanken den Professor nie anders als den
Hirnverblöder und den Hauptmann einen be-
treßten Tagedieb; der Hauptmann verachtete
die beiden Anderen unsäglich, ohne sich über
die Gründe Rechenschaft zu geben — wahr-
scheinlich aber, weil er während des ganzen
Jahres am helllichten Tage in so bunten Ge-
wändern herumsteigen durfte, wie die beiden
Anderen nur in Faschingsnächte» zu tragen
befugt waren.

Aber über Eines waren die sonst so un-
gleichen Gesellen vollkommen einig, lieber
den soziale» Staat. Sie hatten zwar — den
Nationalökonomen nicht ausgenonunen — von
demselben nur sehr unklare Vorstellungen, aber
sie verabscheuten ihn, weil sie befürchteten, er
könnte ihnen ihre „Individualität" rauben.

Fritz.
 
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