Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0037
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
—• 3435

(sine bettelnde Kundegeselllchaft.

Hovrlspälrne.

An der Pforte des Jahrhunderts
Bange Sorge mich bedrückte:

Das Vernünftige zwar langsam,
Mühevoll, doch unaufhaltsam
Ueberwindet das Verrückte.

Näher rückt und immer näher
Eine neue Weltperiode,

Wo die Narrheit, welk, gealtert,

Eine Beute wird den: Tode.

Da vernahm ich eine Stinime:

„Um die Narrheit sei nicht bange;
Wohl ist ihr Vernunft verderblich.

Doch die Narrheit ist unsterblich."

In München verweigerte ei» Manu den Eid mit der Motivirnng,
er glaube an keinen Gott. Er wurde dafür zu 200 Mk. Geldstrafe ver-
urtheilt. Das hat der Mann davon: jetzt muß er doch dran glauben.

In der Reichsverwaltung soll ein neuer Posten eines Wirklichen Ge-
heimen Reichskanzlers geschaffen werden. Ausersehen für dieses Amt ist
der Generalsekretär Bucck.

Und geht der letzte Nickel drauf,

So laßt Euch das nicht grämen,

Was Ihr im Fasching verjubelt habt,

Kann Miguel Euch nicht nehmen.

Wenn man uns schrubbt, daß die Spähne fliegen, soll mau doch
bedenken, daß Spähne leicht Feuer fangen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

JEncpcUfea.

Oer Siegesmarsch, den wir bisher vollendet
Dud den nicht List, noch Lücke abgewendet,
bat selbst, so scheint's, der Kirche imponiri.

Da jetzt Papst Leo ernstlich reagirt.

kr macht im Brund — dran ändert nichts der Paine,

Dur für sein Konkurrenzgeschäft Reklame,

Das neben uns nur kümmerlich gedieh —
ks heisst die „christliche Demokratie“.

Dje ?irrna wurde mehrfach schon gewechselt,

Dan hat sehr stark an ihr herumgedrechselt;
un stellt Papst Leo die Benennung fest,
j:le einzi9 er als richtig gelten lässt,

"°bei dagegen stark er sich verwahrt,

Dass „ch r i s 11 i d)“ man mit „S o z i a I i s m u s“ paart,
Der nach des Papstes Ansicht gar nichts tauge.

^ habe Materielles nur im Auge,

|Dobei die Büfergleichheit er erstrebe
Dud die Bemeinschaft zum Prinzip erhebe.

D'e Päpstlich approbirte Richtung sei
Don solchen bösen Konsequenzen frei,
jndem sie zwar nach einer Bess’rung trachte.

Doch auch die göttlichen Besetze achte
Dnd nicht allein mit Brot und Heisch und Kohle
beschäftigt sei, auch mit dem geist'gen (Dohle,
verwechseln dürfe man die gründung nie
D't der politischen Demokratie,

C|in sie vertrage sich nach ihren Dörmen
' allen weltlichen Regierungsformen,
t, ,e , ®s die Kirche ja in allen Landen
I, , . ,en biüsse und bisher verstanden.

<U- auf Besetz beruht,

J? 'SC) ’me Achtung stets, ist für sie gut,

-^dass der Zusatz „christlich“ Jedermann
nÜ h/eos ^"bicht konveniren kann.

dCT Papst dann die Almosenspende
jheidigt hat, kommt langsam er zu 6nde
und meint, es werde so im Lau! der Zeiten
Der soziale Friede sich verbreiten,

»er allen Uölkern und in allen Zonen.

Der alte Mann hat starke Illusionen!

Wie verschafft sich der Reichskanzler
einen willigen Reichstag?

Wenn er nach dein Grundsatz Julius CäsarS
„Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein!" den
Ministern und Parlamentariern vor jeder Sitzung
ihre Leibgerichte austragen läßt, werden die Herren
nicht nur diesen, sondern auch den Regierungs-
vorlagen Geschmack abgewinnen. Wir haben
durch unsere Leibgerichtsvollzieher den in Betracht
kommenden Persönlichkeiten auf deu Zahn fühlen
lassen und stellen dem Reichskanzler das Ver-
zeichniß ihrer Lieblingsspeisen zur Verfügung.

Kriegsminister v. Goßler: Salamilitärvorlagen
(stark gepfeffert!).

Finanzminister v. Miquel: Bauerngoulasch mit Li-
mo n e t e n.

Graf Posadomsky: Buecklinge.

Ballestrem: Präsidenten braten mit gedämpften Pe-
rigordn ungs rufen.

Frege: Grüne junge Scholen.

Kardorff: Lauradieschen.

Kanitz: Ostelbische Strohdachhaseu als Liebesgabelfrühstück.

Stöcker: Antisemittelstückchen von Jsraelenthieren.

Liebermann v. Sonnenberg: Juten Häpp-Häppchen.

Oertel: Ochsenmaulsalat.

Roeren: Maulschellfisch und Dasbachforellen.

Auer: Hu Morcheln mit Paprika lauern.

Bebel: Hohenzollerntopp.

Lieber Jacob!

In Berlin is Allens verschnuppt. Posa is ver-
schnuppt, weil se iber sein Jehalt 12 Tage lang
jequasselt haben; der Eene meente, so ville is 'n
Kommis von Bucck jar nich wcrth; aber de
Ajrarier woll'n von 'n Abzug nischt wissen. Da-
bleiben soll Posa, scheene Handelsverträge soll er
machen un wenn se dann ihr Hei rinn haben,
ja, dann kann Posa ihretwejen jeh'n.

Brcfeld is ooch verschnuppt von wejen den
ueieften Bueckbrief. Schließlich hat inan ja ooch
als Handelsminister nich nöthig, eenen so juten
Bekannten jejenüber, wie et Herr Bneck is, aus
sein Herz eene Mörderjrubc zu mach'», noch dazu
wo't sich um eenen verfloss'uen Amtsvorjänger
handelt; aber man will doch nich, bet sonne

Herzcnserjüsse in die jroße Oeffentlichkeit jelangen.
Un nu soll Brefeld „iberflissig" sind, wie „Tante
Voß" sagt, die um Lichtmeß herum ooch mal 'n
scheenen Jedanken hat.

Ooch Johannes von Miquel soll verschnuppt
sind un sich mit'n Jedanken rumtragen, bet Je-
schäft uffzujeben. Man muß et ihn lassen, er
hat die preiß'sche Finanzkarre ordentlich in Jang
jebracht. Die Steierschraube funktionirt jetzt wie
jeschmiert, un et is keen Wunder, wenn sonne
anjestrengte Thätigkeit schließlid) amtsmüde macht.

De Invaliden soll'» jetzt Zulage kriejen. Bilow
hat's jesagt un der Schatzsekretär hat dazu je-
nickt. Langsam wer'n unsre Helden von 1870,
uff die wir immer sm stolz sind, weniger, un
wenn der Letzte davon jestorben sein wird, denn
kommt ooch die Zulage.

Un iberhaupt, wat det Stolzsein anbelangt,
da haben wir uns an 'n achtzehnten Januar ehr-
lich jefihlt, indem det wir ja an den Tag zwee-
hundert Jahre lang keeniglich preißisch jewescn
sind. Det is 'ne Sache, lieber Jacob! Janz
Berlin in de nächste Umjebnng von die Linden
'rum schwamm bei Tage in Wonne un Abends
in clekrischet Licht. Un de Scheinwerfer von 't
Schloß schmissen janze Strahlenbindel von Licht
uff den ollen Willem, der noch immer keenen
Säbel nich hat, aber Finfmarkscheine haben se
nich jeschmissen, dafür jing aber een jroßcr Stern-
schnuppenfall uff leere Knopplöcher nieder un
bei Aujust Scherl, der seit lange Jahre de
öffentliche Meinung so erfolgreich mit sein'»
Lokalanzeiger bcarbeet't, blieb ooch 'ne Schnuppe
kleben.

Es jiebt ooch Leite in Berlin, die uff 'ne
sojenannte Amnestie jehofft haben. Ick muß
sagen, det ick die Erwartungen komisch jefunden
habe. Sonne Amnestie hätte doch 'n janz fremden
Zug in die so harmonisch verloosenen Krönungs-
feicrlichkeiten 'rinnjcbracht, der da jar nich 'rinn-
jepaßt hätte. Det Volk is schon so verwöhnt

jeung. Dein treier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzcr Bahnhof, jleich links.
 
Annotationen