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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0058
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Zltrrsti-irte

UntÄröaLtrmgS'B^llagr

des wahren Jacob

Den Opfern.

Das war im Sturm des Märzen:
Da fiel ein wetterstrahl
Flammend in tausend Kerzen
Nach winterlanger Oual;

Da ging ein Frühlingswehen
Durchs neu erwachte Land. —

Da glomm von allen Höhen
Lin loher Oxferbrand!

Die fielen langsanr nieder
Mit seltsam dumpfem Klang -
Ich grüß' Luch, todte Brüder,
Mit meinem tiefsten Sang:

Ihr seid das Mark der Wälder,
Drin unser Tempel steht,

Ihr habt der Zukunft Felder
Mit rother Saat besät!

Und aus dem Oualnr der Städte
— Versklavt, verrußt, verstaubt —
Lrhob die Morgenröthe
Der Freiheit kühn das Haupt.

Sie hielt die starken Schwingen
Au stolzem Flug gespannt,

Doch blutige Tropfen hingen
An ihrem Schleppgewand.

Ich bring' Luch keine Rosen
Zu diesem frühen Tag
Noch pfeift des Sturmwinds Tosen
Durch blätterlosen Hag,

Noch gehn im Joch der Lrden
wir hart, in Lurer Spur,

Und wachen ob dem werden,

Dem wachsen auf der Flur.

wenn einst die Sicheln klingen
Durch goldigreife Saat
Und hell die Schnitter singen
Das Hohelied der Mahd:

An jenem Tag voll Segen
will ich im Mittagsglanz
Auf Lure Hügel legen

Den vollen Garbenkranz! &t«a sramer.

Proletariers Vrautgefang.

liiin bist Du mein! - wenn auch die Andren schelte»
Und nicht begreife» uns'ren trotz'gen Sinn, —

An meinem Arni fuhr' ich Dich durch die Welten,

An denen Freiheit herrscht als Rönigin! —

Du! - die ich Dich aus tausend Deinesgleichen
Aus freier Neigung habe anserkürt;

Die Flannnenkrone bringe ich als Zeichen,

Das Dir gebührt. . .

Ach bin die Sehnsucht, die mit Grgelkrausen
Den weite» Fing nimmt über Zeit und Rann,! -
Ach bin der Streit, der mit des Sturmwinds Sausen
Zur Blülhe reist der Menschheit gold'nen Traum!
Das Ccßcn bin ich, das mit zähen Drallen
Den, Tod entreiht, was er sich feig erschlich! -
Du bist der Frühinigssoniie erstes tasten —

Und Dein bi» ich •. .

dU>d nun so weit des tekens öde teere, -
Und nnn so fern der letzte, bange Schmerz!

Acht weih ich es, dasi ich zu Euch gehöre
ohr Priester, die Ahr deutet himmelwärts!

bnrd' ich stolz auf meinen jungen Rücken
Des Lebens tasten: ein gereifter Mann!

Und wag- es kühn ins Antlitz Euch zu blicken:

'»ist und kann! -

Leils

Wohl weih ich es, dasi unsren weg »mkreise»
Das Elend wird, gekrümmt zum Todessprung!
Doch wist ich freudig nach den Sterne» weisen
hoch über aster Leöensdäminerung!

Mit Dir vereint zieh' ich durch taufend Rothe
Den steilen Pfad, als war' es nur ein Spiel! -
Der neuen Menschheit junge Morgenröthe
Ruft »NS zum Ziel! — Ludwig Lessen.

Schsch — eine Kalle Douche.

Bekanntlich hat das Gebäude des deutschen
Reichstags durch die Einrichtung zweier Bade-
zellen mit den nöthigen warmen und kalten
Douchen jüngst einen iveiteren Komfort er-
halten.

So sehr diese Neuerung nun auch allgemein an-
erkannt morden isU so müssen mir doch sagen:
weniger wäre mehr gewesen. Denn hatte nian
einmal die Absicht, den Abgeordneten Gelegenheit
zu einer bcqueinen Erfrischung und Abkühlung
zu geben, so wäre dieser Zweck doch viel ein-
facher und nebenbei billiger zu erreichen gewesen,
wenn man sich auf eine einzige — kalte Douche
beschränkt und dieselbe gleich im Sitzungssaal,
und zwar direkt über der Rednertribüne an-
gebracht hätte.

Man denke nur eimnal, Liebermann von
Sonnenberg hübe soeben einen seiner berühmten
Inden-Speechs vollendet. — Wieder ist er eine

Stunde lang in hcißdampfcndem Christenblut
gewatet, das dem blinden Aberglauben eines
fremden Volkes fließen mußte. — Sein Auge
sprüht, seine Wange glüht — da, nur ein ein-
facher Hebeldruck und — schsch, ergießt sich eine
kalte Douche und kühlt wohlthätig die erhitzte
Denkerstirne. —

Oder aber Herr von Stunim hat eine seiner
aufreizenden Reden gegen die Sozialdemokraten
gehalten. Ein Schauergemälde der Revolution
hat er kühn entrollt. Blut fließt an allen Ecken
und Enden; mit glühender Lohe schlagen dein
Redner bereits die Flammen der brennenden
Häuser ins Gesicht — da wieder ein sanfter Hebel-
druck und schsch rauscht es hernieder und löscht
den ungeheuren Brand.

Oder aber Herr Roeren, des Zentrums keuscher
Sohn, hat wieder einmal eine Lex-Heinzerede glück-
lich beendigt; schaurig-wolllüstige Bilder hat er mit
glühenden Farben ausgemalt. Noch umtanzt —
wie den heiligen Antonius — ein wüster Haufe
lüsterner, nackter Frauenzimmer lockend seine
Phantasie. Er zittert vor Erregung, seine Pulse
klopfen — da nur ein Druck und schsch kühlt
eine reiche Douche schnell und sicher das empörte
Blut.

Wäre es nach diesen wenigen Beispielen nicht
angebracht, trotz der vorhandenen Badezellen
unseren Vorschlag noch einmal gründlich in Er-
wägung zu ziehen?

‘8* rum..Wahren Jacob" Är. 382s, ZSOl.
 
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