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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0064
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3463

-cm? Hobelspälrne.

Was Spree-Athen noch fehlte,

Man hat es jetzt entdeckt:

Ein richt'ger Präsidente,

Ein forscher Spree-Präfekt.

Der soll Berlin nun führen
Zur Tugend mit Gewalt,

Er macht das siindige Babel
Zur Korrektionsanstalt.

Der Hausbesitzer Schulze in Schlettstadt
petitionirte an den Reichstag, daß ihm auf
Reichskosten sein baufälliges Haus neu aUf-
gebaut werden möge. Er fügt hinzu, die Kosten
würden sich weit geringer stellen, als der Neu-
bau der Hohkönigsburg-Ruine.

Für eine Landtagswahlreform
Sorgt jetzt in Hessen eine Norm;

Im lieben Sachsen freilich
Erscheint so etivas greulich.

Von ultramontaner Seite wurden Erzeugnisse der Preußischen Porzellan-
Manufaktur als untugendhaft bezeichnet. Das Porzellan gleicht nämlich
der Tugend der Schwarzen — es ist leicht zerbrechlich.

Parlamentarismus in Oesterreich,

Das ivill doch noch etivas heißen,

Denn dorten wird man überzeugt
Mit „schlagenden" Beiveisen.

Es giebt eine perutanente Hungersnoth, das ist der Profithunger der
Kapitalisten, welcher den Armen ihr Brot stiehlt.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Dir Pest in Kapstadt.

Und wenn die Throne fremd und kühl das tapf're Burenvolk verlassen,
Ls naht die Pest voll Mitgefühl, John Bull vor Thorschluß abzufassen.

Fromme Klage.

Das ist eine jammervolle Leit,

Die Welt wird täglich schlechter,

And immer kühner erbebt das Danpt
Der beiligen Ikircbe Verliebter.

Ls bat der vsrklucbte moderne Geist
Gar grosse Macht bekommen;

Der Teutel bat ibn uns gebracbt
Lum Scbinerze aller Frommen.

LLIie war's im Mittelalter so sebön,
LAie konnten vergnügt wir bausen!

Die Ikircbe sass am gedeckten Tiscb
tllnd durtte wacker scbmausen.

O berrlicbe Leit» die den Arbuez
Lind Torqucmada geboren!

Da durtte man nocb ungenirt
Die Iketzer braten und scbmoren.

Das ist vorüber tür immerdar.

Der Derr besebütze die Seinen!

Acb könnte, wenn icb gedenke dran,
Die blutigsten Tbränen weinen.

LAobtn wir scbauen, der Satan ist
Ln scbaden uns bctlissen;

Lr bat sogar im beiligen Ikom
Die Macht an stcb gerissen.

An Frankreich siebt man der „todten
Jetzt aut die frommen Finger» flband"
An Spanien stürmt das Oöbelvolk
verblendet die Iklosterzwtngcr.

Docb was am meisten mied betrübt
— Acb kann's nocb immer nicbt lassen: —
An Gesterrelcb bört man „Los vonIKom!"
Jetzt scballen aut allen Gassen.

Das scbmerzt mich tief - icb war dem
Lind seinen Völkern gewogen; lLand
Die Ikircbe bat von dort allzeit
Abre besten Scbate bezogen.

© webe! Acb höre im Geiste schon
Die Säulen der Ikircbe krachen!

LLlcnn cs in Oesterreich wird bell.
Dann ist nichts mehr zu machen!

Agnolus.

Lieber Jacob!

Det sojenannte dicke Ende von den Winter
scheint ja nn wirklich vorbei zu sind, die linde»
Lüfte sind erwacht un die Straßen werden
sachteken wieder uffjerissen, wat man hierzulande
buddeln nennt, un det Militär fährt un mar-
schirt zwee- un vierbeenig uff't Tempelhofer Feld,
um sich dort an 'n Amsel- un Wachtelschlag zu
amisiren; so wat is immer det sicherste Zeichen
dafor, det der Winter abjedankt hat. In die Prole-
tarier-Sommerfrischen, die sojenannten Lauben-
kolonien, wird ooch schon feste uff'n Frihling hin-
jearbeet't. Blos uff die Baute» sieht's noch mieß
aus, da steckt der Krach von die Hypothekenbanken
noch drinn, den nu hauptsächlich die Bauarbeeter
auszubaden haben. Wie et iberhaupt uff den je-
sammten Arbeetsmarkt verflucht faul aussieht.
Ob in'n kommenden Sommer der Arbeetslohn 'n
Stand kriegen wird, der sich mit die anjcdrohten
erhehten Kornzölle vereinigen läßt, darieber kann
der scheene Bernhard ooch keenc Auskunft nich jeden.

Bilow spielt mit scheenen Redensarten Fange-
ball. Erst verbeugt er sich in'n Reichstag vor
Rußland un dann vor England un endlich vor
die Industrie un ooch vor die Arbeeter: „Meine
Herrn, jlooben Sie ja nich, det ick keen Herz for
die Arbeeter nich habe!" Un zuletzt un am tiefsten
lnixt er vor die nothlcidende Landwirthschaft. Die
Ajrarier hat denn ooch det Herz im Leibe jelacht un
jedet Mißtrauen, wat se noch jcgen Bernhard jehabt
haben, is verschwunden. Bernhard is jetzt Trumpf.

Wie jesagt, et sind scheene Aussichten. Aber
nich blos die Ajrariernüchlen mahlen. Die neien
Zölle sind doch schließlich ooch Wind uff unsre
Miehlen, womit wir die Jesellschaft kleene kriegen.
Uffjeschütt' is mechtig un Wind un Wasser sind
jinstig!

Wenn wir nu jute Patrioten wär'n, denn
wirden wir ja alleene schon von de Jlorie satt
werden, die wir uns in China erworben haben.
Ick mit meinen beschränkten Unterthanenverstand
habe ja nn freilich nich ville davon jemerkt, aber
dafor kann ja doch Waldersce nich, det ick so
dämlich bin. Un dafor kann er ooch nischt, det
heite von sein Oberkommando nischt weiter ibrig
jeblieben is, als der scheene Titel. Et jiebt jetzt
fast jar nischt mehr zu besiegen in China, außer
die eijene Langeweile, un um die zu vertreiben,
hält der Wcltjen'ral eene Parade um die andere ab.
Eene Beschäftigung muß der Mensch doch haben.

Neilich loofe ick an'n „Lokalanzeiger" vorbei,
da schreit mir Scherln an: „Weeßte schon, Jott-
hilf, det Stumm dodt is?" „Nanu wird's Tag",
sag' ick, „da haste ja wieder Stoff for de,Woche',
die man immer klappriger wird." Lieber Jacob,
da hettste mal Aujusten sehn missen, wie der sich
jiftete; janz jrin is er jewor'n un de Dhiere hatt'
er hinter sich zujeschmissen, als wollte er sagen:
Du kannst nnch ...! Ick als anständiger Mensch
bin aber hinjegangen un habe mir 'n Trauerflor
um'n Arm jelegt: ick weeß, wat ick so'n juten
Mitarbeeter von'» Jacob schuldig bin. Wenn ick
Stumm, der nu woll 'n Skat mit Bismarck kloppt,
estimire, cstiniire ick mir selbst.

Womit ick verbleibe

Dein treier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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