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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0075
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3474

-hs-> Uein — so was!!

Wem fährt es nicht elektrisch durch die Knochen,
Sobald man ihm die beiden Nakta nennt:

Wit Ulrich hat ein GroßheiJog gesprochen
Und Rock ist Landtags-Vizepräsident?

And dabei soll das Deutsche Reich bestehn?

Wuß es nicht elend in die Wicken gehn?

Wer hätte noch vor einer Wandel Jahren
Än solcher Gräuel Wöglichkeit gedacht?

Run muß uns solche Schande widerfahren,

Tb deren gan) Guropa uns verlacht,

Tb deren uns die Nremden Rasen örehn
And alle Laare uns )u Rerge stehn!

Ist in Rerlin so was auch ausgeschlossen,

Dum Wundesten auf absehbare Zeit,

So machen dafür leider die Genosten
Sich in den guten kleinen Länöchen breit,

Wo man das Lanötagswahlrecht nicht kastrirt,
And diese rothen Rrüder eXkludirt.

Da hat man doch im Wusterlande Sachsen
Jur rechter! Zeit energisch vorgebaut.

Dort hört man immer noch den Grashalm wachsen,
And ist der Groll' arrch da — er wird nicht laut.
Troh allen Spotts bewährt sich weit und breit
Des Sachsenstamms bewährte Helligkeit.

Was aber soll, was kann nunmehr geschehen
In beiden Ländern durch des Reiches Wacht?
Der Null ist leider nirgends vorgesehen
Selbst Rismarck hat an so was nicht gedacht,
And alles Schimpfen ändert nicht ein Iota,

Sei es in Kesten, fei's irn schönen Gotha.

Das Rtut in meinen Ädern fühl' ich kochen
And heiße Scham in meinem Änttiü brennt -
Wit Ulrich hat ein Äroßher^og gesprochen
Und Rock ist Landtags-Vizepräsident!

Vor Kerzensjammer bin ich windelweich,

Denn alles das geschieht - im neuen Reich!

Muckenich.

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Der Glanz des Deutschen Reiches. (Jllustrirt.) — Ra,
also! Gedicht von R. D. — Berus verfehlt. — Umstürzler.
— Der Arbeiter Osterlied. Gedicht von Ludwig Lessen. —
Die neue Reichstagsfahne. Gedicht von 6. — Modern. (Jllu-
strirt.) — Biilows Bekenntnitz. Gedicht von G. — An
Dr. Eiertet und Schrempf. — Die Kanalarbeiter in Thätig-
keit. (Jllustrirt.) — Prinzenerziehung. — Zufriedenheit.
Gedicht. — König Eduard VII. und das neue Dienstmädchen.
(Jllustrirt.) — Dt- Zwischenfälle in China. (Jllustrirt.)

Mahnung

wackrer Deutscher, sei geduldig,

Thue friedsam deine Pflicht,
was du deinen Junkern schuldig,
Nimm's auf dich und maule nicht.
Mag dir auch der wagen knurren
Bei des Brotes hohem Preis,
Unterdrücke jedes Murren
Und — verdopple deinen Fleiß!

Statt der Stiefeln — Holzpantoffeln,
Statt der Federn — Haberstroh,

Statt des Roggenbrots — Kartoffeln —
Sage, geht es nicht auch so?
wird das Leben auch zur Hölle,

Legst du hungernd dich aufs Ohr —
Deine Junker brauchen Jolle
Und die Junker gehen vor.

Geht uns dieser Stand verloren,
Schwindet unser bestes Gut,

Und zum Dienen bist geboren
Du und deiner Hütte Brut.

Opfre auf dich auf der Erden,

Rebe willig deine Pflicht,

Droben wirst du selig werden,
wie's der Pastor dir verspricht.

Jj.

Die geheime Polizei.

Ueber die Thätigkeit der Spitzel können wir
unseren Lesern unter dem Siegel der Verschwiegen-
heit Folgendes mittheilen:

Der Geheimpolizist Schlitzohr stellte sich die
schmierige Aufgabe, zu erforschen, ob die Sozial-
demokraten nicht etwa der patriotischen Begeiste-
rung für den Chinafeldzug ermangeln. Er be-
suchte die Destillen, trank Weißbier mit und ohne
Strippe und fing mit allen Leuten, die in seine
Nähe kamen, Gespräche über China an. Sein
Plan gelang über alles Erwarten. Er konnte
schon nach vicrzehntägiger eifriger Thätigkeit kon-
statiren, daß die Sozialdemokraten das ganze
Chinaunternehmen in unpatriotischer Weise als
ein unsinniges Abenteuer bczeichneten. Diese
überraschende Neuigkeit kostete den Staat nur
etwa dreihundert Mark, ivelche Herr Schlitzohr
in Kümmel und Weißbier vertriuiken hatte.

Noch raffinirter ging ein anderer Geheim-
polizist, der mit dem allgemeinen Ehrenzeichen
dekorirte Herr Schielauge, vor. Er sollte er-
forschen, wie sich die Sozialdemokratie zu den
Kornzöllen stelle? Zit diesem Zwecke schlich er
sich an einen Zeitungskiosk heran, begann init
dem Inhaber ein gleichgiltiges Gespräch und
kaufte schließlich in unauffälliger Weise eine
Nummer des „Vorwärts". Diesen Fang unter
seinem Mantel bergend, eilte er spornstreichs nach
Hause, schloß sich ein und fiel über den Inhalt
der Zcitungsnummcr her. Seine Schlauheit
wurde mit Erfolg gekrönt, denn er fand in dem
Blatte unzweifelhafte Beweise dafür, daß die

Sozialdemokraten gegen die von der Regierung
beabsichtigte Zollerhöhung in schroffster Opposition
stehen.

Weniger große Erfolge hatte der Inspektor
Herr Kalbsmaul aufzuweisen, dem die Auf-
gabe zufällt, Sozialdemokraten zum Verrath von
Parteigeheimnissen zu überreden. Er hatte im
letzten Dienstjahr 3 Rippenbrüche, 14 Fußtritte
und 127 Püffe und Hiebe zu verzeichnen. Jmmer-
hin gelang es auch ihm, so manches Wichtige zu
erfahren. Zum Beispiel verrieth ihm ein Sozial-
demokrat des sechsten Berliner Wahlkreises, die
Partei gedenke ain nächsten ersten Mai größere
Feierlichkeiten zu veranstalten. Ein Anderer ver-
rieth, daß große öffentliche Versammlungen in
Berlin gewöhnlich im „Vorwärts" und nieinals
in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung"
annoncirt werden. Endlich entschlüpfte einem
Genossen die Unvorsichtigkeit, daß er die Polizei
ztir „Kirchweih" einlud. Man nahni an, daß
dies nur auf eine geheime Versamrulnng Bezug
haben könne. Die Herren Polizeispione werden
nicht verfehlen, von der Einladung zahlreich Ge-
brauch zu machen. k.

Vom Burenkrieg.

A. : Warum ist noch keine Verständigung
zwischen England und den Buren zu Stande
gekommen?

B. : Daran ist der Hofschneider Eduards
des Dicken schuld. Es gelang diesem noch nicht,
einen genialen Siegesfrack zli komponiren.

*

Redaktionsbriefkasten
der „Deutschen Tageszeitung".

Anfrage eines Abonnenten: Ein Hund
hat einen Offizier gebissen. Wer ist für diesen
Unfall verantwortlich zu niachen?

Antwort der Redaktion: Natürlich die
sozialistische Presse, welche die Achtung vor der
militärischen Autorität untergräbt.
 
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