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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0083
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Deutscher Wonnemonat. ^

Bolde Tage, warm und licht —
Dieses ist die Zeit der Wonne,

Denn wie Bülows Angesicht
Freundlich lacht die Maiensonne.
Freundlich auch gestaltet sich
Unsres Reichstags stilles Tagen,
Der Regierung sicherlich
Rann er keinen Wunsch versagen.

Rings ein Blüthenregen sprüht,
herrlich duftet uns der Flieder,
Reich in diesem Jahr auch blüht
Der Ranonenhandel wieder.

Selbst im dunklen Rohlenschacht
Blühen lustig die Profite,

Solche deutsche Lenzesxracht
Zeigt das Glück uns im Zenithe.

Aus -er Lrde braunem Schoß
Ueppig grün die Saaten sprossen,
Reichthum, unermeßlich groß
wir- den Menschen hier erschlossen,
Und er kündet bald sich an
In den fruchtbeschwerten Aehren —
Ja, die Mutter Lrde kann
Ihre Rinder noch ernähren.

Freilich, bis zum Lrntetag
Ist es noch des Wegs ein Stücke,

Und es drohen ^agelschlag,

Mäuse und Agrariertücke.

Doch wir bleiben hoffnungsvoll,
wie sie wühlen auch und werben,
Heuer wird kein wncherzoll
Uns das Erntefest verderben.

Falter gaukeln minniglich
Um die duft'gen Blüthenwedel,

Auch die Raupen rühren sich
In der Diplomaten Schädel,

Spinnen weltmachtsträume schwer,
Schüren fremde Feuersbrünste,

Und gepanzert auf dem Meer-
Schwimmen ihre Hirngespinnste.

Dieses ist der Wonnemond,

Alles ist berauscht von Wonne,

Miguel unser Geld nicht schont,

Plätze mietherrd an der Sonne.

In dem Traum von Ruhm und Macht
würgen sich des Reichs Berather,

Bis urplötzlich über Nacht

Folgt dem großen Rausch der Rater.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Maienkönigin. Gedicht mit Illustration. — Der Völker-
mai. Gedicht. — Auf dem Blocksberg. Von K. — Die Ar-
beit hoch! Gedicht von Gr. in Halle a. S. — Maigedanken
nach Meister Böcklin. Illustration. — Maienblüthen. Erzäh-
lung von Willibald Zimmermann. — Vom alten und vom neueil
Baum. Gedicht — Gut eingedeckt! Illustration.

Oie 6anK am JTmtsgericbt.

Neugermanische nationalbytnne.

6s braust ein Ruf wie Donnerball,

Wie Scbwertgeklirr und Wogenprall:

Der Deutsche bieder, stark und fromm
Braucht, dass man ihm von hinten komm’,
j: Cieb’ Uaterland, o zittre nicht,
fest steht und treu die Bank am Amtsgericht. :|

Durch hunderttausend zuckt es schnell
Und aller Augen blitzen hell:

Dur rasch die Prügelbank herein!

Wer will des Steckens Schwinger sein?

]: Cieb’ Uaterland, o zittre nicht,

fest steht und treu die Bank am Amtsgericht. :|

Der Stecken pfeift, der Sünder schreit,

Das Blut dringt ihm durchs Biisserkleid.

So biisst er seine Sünden ab
Und ist danach ein braver Knab’.

|: Cieb' Uaterland, o zittre nicht,

fest steht und treu die Bank am Amtsgericht. :|

So lang ein Haselstrauch noch sebwält
Und man bis Uierundzwanzig zählt
Und noch 'ne Hand die Hose spannt,

Bleibt stets das Castcr aus dem Caud.

|: Cieb' Uaterland, o zittre nicht,

fest steht und treu die Bank am Amtsgericht. :[

So sind wir jetzt ein edles Uolk,

Das nicht so leicht der Ceufel holt,

Wo nur mehr Glück und Cugend blüht
Und Alles vor der Sünde flieht.

|: Cieb’ Uaterland, o zittre nicht,

fest steht und treu die Bank am Amtsgericht. :|

IC—ft.

Rußland.

Aus der Kasan-Kathedrale
Schlug empor der erste Brand . . .
Blutig glühn die Feuermale
Uebers ganze Zarenland.

Springt im Zickzack der Gewitter-
Funke bis zum Nerva-THal,

Aengstlich ruft der Moskowiter
Die Kosaken vom Ural.

Hilft es, wenn in FeuersglutHen
Blaue Bohnen man verschickt?

Hat man jemals schon mit Knuten
Lines Kraters Zorn erstickt?

Roth im Morgensonnenstrahle
Flammt der leichte Wolkenflor;

Aus der Kasan-Kathedrale
Stieg der erste Brand emxor. m. e.

Frohe Botschaft.

Die Friedensverhandlungen Kitcheners mit
Lonis Botha sind, wie nicht anders zu erwarten
war, gescheitert. Besseren Erfolg verspricht man
sich jetzt in Londoner Finanzkreisen von einem
neuerdings anfgetauditen Projekt, welches nichts
Geringeres bezweckt, als die Umwandlung der
beiden Bnrenrepubliken in eine Aktiengesellschaft
mit Ohm Paul als Direktor und Präsident
Steijn als Vorsitzendem des Aufsichtsraths an
der Spitze. Als Zweck des Unternehmens wird
im Statut die Verwaltung und planmäßige
Ausbeutung der beiden Länder bezeichnet. Die
statutengemäß cinberufene Generalversammlung
gilt gewissermaßen als Parlament und ihre Be-
schlüsse haben Gesetzeskraft. Jedem noch lebenden
volljährigen Burgher soll der Werth seines im
Kriege zerstörten Eigenthums in solchen Aktien
vergütet werden, der Rest wird an der Londoner
Börse zu einem angemessenen Kurse aufgelegt.

Auf diese einfache wie geniale Weise wird
dem nutzlosen, alle Mehrwerthe zerstörenden Blut-

vergießen ein Ziel gesetzt. Sobald Transvaal
gegründet ist, macht man sich an China, Persien,
Rußland, Oesterreich, Mecklenburg und andere
Staaten. Dort, wo bisher eine Verfassung fehlte,
wird sie durch die Aktiengesellschaft eingeführt
und handelsrechtlich sichergestellt. d—r.

Dss putsch süchtige Berlin.

Wie bekannt, sind die Baudenkmäler Berlins
durch eine Kaserne mit Schießscharten in der
inneren Stadt vermehrt worden. Es wurde da-
durch einem dringenden Bedürfniß abgeholfen,
denn wer nicht in Berlin wohnt, kann sich gar
keine Vorstellung davon machen, wie putsch-
süchtig die Berliner Bevölkerung ist. Als z. B.
neulich Abends der Schutzmann an der Ecke der
Friedrichs- und Französischen Straße durch einige
Raufbolde beschäftigt wurde, benutzten die Passan-
ten diese Gelegenheit sofort, um auf der momentan
unbeanssichtigten Friedrichstraße eine Barrikade
zu errichten, von welcher sie dann gemüthlich auf
vorübergehende Hofmarschälle Feuer gaben. Die
Omnibusse werden häufig umgeworfen, mit
Pflastersteinen gefüllt und als Barrikaden be-
nutzt. Manchem Staatsanwalt, der so unvor-
sichtig mar, von Moabit zu Fuß nach der Stadt
zu gehen, ist es schon passirt, daß ihm unter-
wegs der Kopf abgeschmiten wurde. Ans die
Leutnants wird im Thiergarten am Hellen Tage
geschossen. Es ist sogar vorgekommen, daß Minister-
Hotels über Nacht mit Petroleum in Brand ge-
steckt wurden. Zur Besserung dieser bedauer-
lichen Zustände wird hoffentlich die Alexander-
kaserne kräftig beitragen. ic.

Bewährte Methode.

Hofmarschall: „Herr Landgerichtsrath, Sie
haben in diesen Tagen einen Majestätsbeleidiger
abzunrtheilen. Selbstverständlich werden Sie nach
bestem Wissen und Gewissen urtheilen, soviel sei je-
doch gesagt: Man will, daß der Kerl - schuldig ist."
 
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