Gezeichnet von O. E. Lau.
Sie tommen!
Äuf dem Blocksberg.
Dem ersten Mai geht immer die Walpurgis-
nacht voraus, damit sich die Mächte der Finster-
niß noch einmal tüchtig austoben können, che
Glanz und Licht des ersten Maientages den tollen
Spuk vertreibt.
Das Hexen- und Teufelsfest findet auf dem
Blocksberg um Mitternacht noch annähernd in
derselben Weise statt, wie Goethe, der alte Heide,
in seinem gottlosen „Faust" es beschrieben. Nur
reiten die Hexen nicht mehr auf Besen, sondern
kommen per Zweirad; heuer mußten sie oben-
drein Feigenblätter tragen und die Teufel mußten
ihre Schwänze in Regenschirmfutteralen bergen,
was ihnen sehr unbequem war. Aber Se. Hoch-
würden Beelzebub hatte angeordnet, daß die Sitt-
lichkeit in teuflischen Kreisen respektirt werde, zu
Ehren des hochwichtigen höllischen Lasters der
Heuchelei.
Die Auffahrt des Höllenfürsten vollzog sich
in der hergebrachten Weise. Er wurde mit drei-
maligem Hurrah begrüßt und brachte später einen
Trinkspruch auf die Zwietracht der Völker aus,
wobei er betonte, daß das schönste und vor-
nehmste Laster der Menschheit, nämlich der Krieg,
trotz aller fluchwürdigen Humanitätsbestrebungeu
noch immer in Blüthe stehe. Der Vernichtungs-
kampf Englands gegen die Buren und der Krieg
in China beweisen es; die Rüstungen der Groß-
staaten zu Wasser und zu Lande berechtigten für
die Zukunft zu den schönsten Hoffnungen.
Es wurde dann dem jüngsten Teufel, der
bis vor Kurzem noch als Mensch auf der Erde
weilte, das Wort erthcilt, damit er über die Fort-
schritte der Teufelei unter den Menschen berichte.
Bocksbart, so hieß dieser neue Teufel, strich
mit Würde seine laugen weißen Bartkoteletten
und verbreitete sich über die Fortschritte der reaktio-
nären Staatskunst. Er kannte diesen Rummel,
denn er war selbst einstmals ein kleiner Staats-
mann gewesen und hatte die tollsten Reaktions-
streiche verübt. Aber an einem Hindcrniß war
er gescheitert, und dieses Hinderniß schilderte er
auch jetzt in den schwärzesten Farben. Es war
die Sozialdemokratie, welche — wie Bocksbart
mit zitternder Entrüstung betonte — immer Alles
durchkreuzt, was schlaue und dumme Teufel an-
zubahnen suchen. Sie bekämpft die hervor-
ragendsten menschlichen Laster, die Ausbeutuugs-
sucht, die Herrschsucht, die Heuchelei und vor
Allein bekämpft sie die große Schutzmacht aller
Finsterlinge, die Dummheit. „Eben rüstet sie sich,
für Völkerverbrüderung und gegen die Ausbeuter
und Unterdrücker ihre große Demonstration vor-
zunehmen", schloß der Redner. „Was Menschen
dagegen thun konnten, wurde gethan; ich, Bocks-
bart, Staatsminister a. D., kann es bezeugen.
Es hat nichts geholfen — nun möge der Teufel
dreinschlagen, sonst siegt die Sozialdemokratie
und der Menschheit stärkste Laster werden uns
rettungslos vernichtet."
Der Höllenfürst erhob sich in seiner ganzen
Herrlichkeit. Aber er schlug nicht drein — es
ging ein Rauschen und Flüstern über den Berg,
aus dem Thale klang eine Glocke-Bocks-
bart hatte zu lange gesprochen, die Mitternachts-
stunde war vorüber, der Teufelsspuk zerstob, da-
für dröhnten feste Männertritte auf dem harten
Felsboden.
Zwei männliche Gestalten tauchten aus den
wogenden Nebeln empor ... ein seltsames Un-
geheuer schienen sie hinter sich her zu schleifen.
„Hier ist der rechte Ort", rief der Eine.
Hammerschläge klangen, dann hob sich ein Etwas
riesengroß empor, es wallte rothschimmcrnd über
junge Tannen und Felsblöcken, und als nach
kurzer Frist die Morgenröthe im Osten empor-
flammte, fand sie ihren Widerschein auf dem
einsamen Gipfel des Hexenberges.
Arbeiter hatten dort ein nichtiges rothes
Banner erhöht, zu Ehren und zur Feier des
ersten Mai. _____ K'
Die Arbeit doch!
Dach der Melodie des Körnersd)en Lieder: „Triscl) auf, mein
Uolk, die Aammenreichen rauchen!"
Jrisd) auf, mein üolk! Gs ist der Jrübling wieder
gezogen ein aufs neu’ in Wald und Jlur;
€$ keimt und sprosst, es sendet ihre Lieder
Der Uögel Schaar von Baum und Strauch hernieder,
Und holdes Leben spendet die Datur.
Sie lässt die Mensehenherzen neu erglühen,
Uon schweren Sesseln sich zu fühlen frei,
Die Blicke hoffnungsfroh ins UJeite sprühen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
JTIl’ das Uerfloss’ne in des Winters Lagen,
Was dir das Herz betrübt, die Brust beengt,
Was du an Sorgen und an Doch ertragen,
Du wirst dich dessen muthig nun entschlage»,
Dach Jreibeif sei dein Sinnen stets gelenkt.
Was hilft dir, Uolk, denn auch ein nutzlos Klagen?
Gin frischer Keim des Geist s, vom Zwange frei.
Muss neu bewurzeln sich und Blütben tragen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Der Strahl des Lichts, der jetzt in allen Landen
Geistig geeint das Proletariat,
Das in dem Kampfe mit des Molochs Banden,
Uns tiefer Schmach und Dothen ist erstanden, —
Beleuchtet hell auch ihm den ridjt’gen Pfad,—
Den es zu wandeln fürder unverdrossen
Crotz aller Hindernisse Willens sei,
Das Heer der Arbeit zeige dies entschlossen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Zu brechen gilt es jene schwere Kette
Kuhlosen Schaffens, voller hast und Qual;
Doch liegt der Cerberus an jeder Stätte
Der Arbeit, wo tagtäglich um die Wette
Profit erzeugt wird für das Kapital.
Acht Stunden Arbeit sind das Ziel des Kampfes,
Gin Lohn, auskömmlich, eure Losung sei
ln unsrer Zeit des Fortschritts und des Dampfes:
Am Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Jrisd) auf, mein Uolk! hörst du den Ruf erklingen,
Durch Stadt und Land, durch Berge, Wald und Jeld 1
Gr tönt und rauscht einher auf Sturmesschwingen,
Lass tief ihn dir in Geist und Herz eindringen,
Gs ist das Gcho einer neuen Welt!
Jreiheit und Brot! — Gin gleiches Recht für Alle! —
Die Arbeit hoch! — hinweg die Sklaverei! —
So jauchzt es laut mit jubelnd Hellem Schalle:
Zum Weltenfeiertag, am ersten Mai!
0r. in Halle a. $.
Sie tommen!
Äuf dem Blocksberg.
Dem ersten Mai geht immer die Walpurgis-
nacht voraus, damit sich die Mächte der Finster-
niß noch einmal tüchtig austoben können, che
Glanz und Licht des ersten Maientages den tollen
Spuk vertreibt.
Das Hexen- und Teufelsfest findet auf dem
Blocksberg um Mitternacht noch annähernd in
derselben Weise statt, wie Goethe, der alte Heide,
in seinem gottlosen „Faust" es beschrieben. Nur
reiten die Hexen nicht mehr auf Besen, sondern
kommen per Zweirad; heuer mußten sie oben-
drein Feigenblätter tragen und die Teufel mußten
ihre Schwänze in Regenschirmfutteralen bergen,
was ihnen sehr unbequem war. Aber Se. Hoch-
würden Beelzebub hatte angeordnet, daß die Sitt-
lichkeit in teuflischen Kreisen respektirt werde, zu
Ehren des hochwichtigen höllischen Lasters der
Heuchelei.
Die Auffahrt des Höllenfürsten vollzog sich
in der hergebrachten Weise. Er wurde mit drei-
maligem Hurrah begrüßt und brachte später einen
Trinkspruch auf die Zwietracht der Völker aus,
wobei er betonte, daß das schönste und vor-
nehmste Laster der Menschheit, nämlich der Krieg,
trotz aller fluchwürdigen Humanitätsbestrebungeu
noch immer in Blüthe stehe. Der Vernichtungs-
kampf Englands gegen die Buren und der Krieg
in China beweisen es; die Rüstungen der Groß-
staaten zu Wasser und zu Lande berechtigten für
die Zukunft zu den schönsten Hoffnungen.
Es wurde dann dem jüngsten Teufel, der
bis vor Kurzem noch als Mensch auf der Erde
weilte, das Wort erthcilt, damit er über die Fort-
schritte der Teufelei unter den Menschen berichte.
Bocksbart, so hieß dieser neue Teufel, strich
mit Würde seine laugen weißen Bartkoteletten
und verbreitete sich über die Fortschritte der reaktio-
nären Staatskunst. Er kannte diesen Rummel,
denn er war selbst einstmals ein kleiner Staats-
mann gewesen und hatte die tollsten Reaktions-
streiche verübt. Aber an einem Hindcrniß war
er gescheitert, und dieses Hinderniß schilderte er
auch jetzt in den schwärzesten Farben. Es war
die Sozialdemokratie, welche — wie Bocksbart
mit zitternder Entrüstung betonte — immer Alles
durchkreuzt, was schlaue und dumme Teufel an-
zubahnen suchen. Sie bekämpft die hervor-
ragendsten menschlichen Laster, die Ausbeutuugs-
sucht, die Herrschsucht, die Heuchelei und vor
Allein bekämpft sie die große Schutzmacht aller
Finsterlinge, die Dummheit. „Eben rüstet sie sich,
für Völkerverbrüderung und gegen die Ausbeuter
und Unterdrücker ihre große Demonstration vor-
zunehmen", schloß der Redner. „Was Menschen
dagegen thun konnten, wurde gethan; ich, Bocks-
bart, Staatsminister a. D., kann es bezeugen.
Es hat nichts geholfen — nun möge der Teufel
dreinschlagen, sonst siegt die Sozialdemokratie
und der Menschheit stärkste Laster werden uns
rettungslos vernichtet."
Der Höllenfürst erhob sich in seiner ganzen
Herrlichkeit. Aber er schlug nicht drein — es
ging ein Rauschen und Flüstern über den Berg,
aus dem Thale klang eine Glocke-Bocks-
bart hatte zu lange gesprochen, die Mitternachts-
stunde war vorüber, der Teufelsspuk zerstob, da-
für dröhnten feste Männertritte auf dem harten
Felsboden.
Zwei männliche Gestalten tauchten aus den
wogenden Nebeln empor ... ein seltsames Un-
geheuer schienen sie hinter sich her zu schleifen.
„Hier ist der rechte Ort", rief der Eine.
Hammerschläge klangen, dann hob sich ein Etwas
riesengroß empor, es wallte rothschimmcrnd über
junge Tannen und Felsblöcken, und als nach
kurzer Frist die Morgenröthe im Osten empor-
flammte, fand sie ihren Widerschein auf dem
einsamen Gipfel des Hexenberges.
Arbeiter hatten dort ein nichtiges rothes
Banner erhöht, zu Ehren und zur Feier des
ersten Mai. _____ K'
Die Arbeit doch!
Dach der Melodie des Körnersd)en Lieder: „Triscl) auf, mein
Uolk, die Aammenreichen rauchen!"
Jrisd) auf, mein üolk! Gs ist der Jrübling wieder
gezogen ein aufs neu’ in Wald und Jlur;
€$ keimt und sprosst, es sendet ihre Lieder
Der Uögel Schaar von Baum und Strauch hernieder,
Und holdes Leben spendet die Datur.
Sie lässt die Mensehenherzen neu erglühen,
Uon schweren Sesseln sich zu fühlen frei,
Die Blicke hoffnungsfroh ins UJeite sprühen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
JTIl’ das Uerfloss’ne in des Winters Lagen,
Was dir das Herz betrübt, die Brust beengt,
Was du an Sorgen und an Doch ertragen,
Du wirst dich dessen muthig nun entschlage»,
Dach Jreibeif sei dein Sinnen stets gelenkt.
Was hilft dir, Uolk, denn auch ein nutzlos Klagen?
Gin frischer Keim des Geist s, vom Zwange frei.
Muss neu bewurzeln sich und Blütben tragen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Der Strahl des Lichts, der jetzt in allen Landen
Geistig geeint das Proletariat,
Das in dem Kampfe mit des Molochs Banden,
Uns tiefer Schmach und Dothen ist erstanden, —
Beleuchtet hell auch ihm den ridjt’gen Pfad,—
Den es zu wandeln fürder unverdrossen
Crotz aller Hindernisse Willens sei,
Das Heer der Arbeit zeige dies entschlossen:
Um Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Zu brechen gilt es jene schwere Kette
Kuhlosen Schaffens, voller hast und Qual;
Doch liegt der Cerberus an jeder Stätte
Der Arbeit, wo tagtäglich um die Wette
Profit erzeugt wird für das Kapital.
Acht Stunden Arbeit sind das Ziel des Kampfes,
Gin Lohn, auskömmlich, eure Losung sei
ln unsrer Zeit des Fortschritts und des Dampfes:
Am Weltenfeiertag, am ersten Mai!
Jrisd) auf, mein Uolk! hörst du den Ruf erklingen,
Durch Stadt und Land, durch Berge, Wald und Jeld 1
Gr tönt und rauscht einher auf Sturmesschwingen,
Lass tief ihn dir in Geist und Herz eindringen,
Gs ist das Gcho einer neuen Welt!
Jreiheit und Brot! — Gin gleiches Recht für Alle! —
Die Arbeit hoch! — hinweg die Sklaverei! —
So jauchzt es laut mit jubelnd Hellem Schalle:
Zum Weltenfeiertag, am ersten Mai!
0r. in Halle a. $.