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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0216
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3619

Affjestanben! Del is keen Diwan!

Es auch die letzte Handlung ist des Tages,
Das Messer zu entfernen, daß es nicht
Den Einsame» zur Nacht verführe zu
Erproben schlimm die Wirkungskraft des —
Stumpfen!

Nach dem gehegten Messer füllt man dir
Den Wasserkrug mit nächtlich lauem Trank
Und reicht dir einen Flammendocht in Oel,
Daß du entfesseln kannst des Gases Leuchten;
Denn selbst ein Sicherheitsstreichholz scheint hier
Allzubedrohlich für die Sicherheit. . . .

Gruß aus Hkötzenfee.

Und ich Hab' es doch getragen; —
Aber fragt mich nur nicht: wie?

Die Klappe schließt sich
knackend,

Und eilig stürmst du
mit des Wassers Rinn-
sal,

Wie es geboten, über
Hand und Antlitz,
Und stehst nun fertig in
der blauen Pracht.
Alsbald thut wieder sich
die Klappe auf;

Ein Stücklein Brot,
„Knle" genannt, wird
dir

Gereicht und deinen
Eßnapf, den du hin-
hältst,

Bekommst zurück mit
bräunlich-weißem
Wasser,

Genannt „Kaffee" du.
Knack! — schließt sich
die Klappe,

Und mit dem Löffel spülst
hinunter du

Die Labung und ver-
tilgst das Brot zum
Rest.

Jetzt rutsche knieend mit
der Schippe und
Dem Handfeger auf-
wirbelnd durch die
Zelle,

Sie reinigend von Staub und all den Spuren,
Die deines Daseins Thätigkeit gezeugt.
Verwandle schnell die Waschschüssel zum Spiegel,
Mit ems'ger Kraft und Pulver blank sie putzend;
In frischem Wasser spüle deinen Eßnapf
Und setz' die andern Utensilien in
Den Stand der unberührte» Unschuld wieder.
Während die Schuhe dn noch strahlen machst,
Sagt „Knack!" die Klappe, der Kalfaktor
„Müll!"

Und deine Schippe wird der Last entledigt.

Inzwischen ward es sieben und die Arbeit
Beginnt. Nun spute dich; den» Morgenstunde
Hat Gold im Munde — für den Unternehmer.
Der Ober-Aufseher, der deine Zelle
Mit kritisch-strengen Blicken revidirt.

Erscheint auf 'ne Minute; sonst vergeht
Der Vormittag in einsam-fleiß'ger Arbeit.

Die zwölfte Stunde kommt. Der „Essenholer"
Treppenklappernde Schaar schleppt längs der
Zellen

Den Suppenkessel, und mit mächt'gem Schwung
Gewalt'gen Löffels füllt dein Eßnapf sich.
Mit gier'ger Mühe tilge schwitzend den
Mont Everest von Hülsenfrüchten, dann
Den Eßnapf reinige und eine Stunde
Magst du in süßem Dämmern faul verträumen.

Ein Uhr! „Fertig machen zur Freistunde!"
Tönt des Aufsehers Heldenbariton;

Die Thüren öffnen sich und alles fluthet
Aufathmend, redeselig hin zum Hof,

Wo in der Runde, zwiegepaart, der Trupp
Sechzig Minuten lang die Freiheit — ahnt!...

Zurückgekehrt! Ein Krüglein frischen Wassers
Und frisches Brot erquickt zum Vesper dich.
Dann nähe, hoble, flicke und polire
Dein Pensum ab . . . Die Sonne steigt zur
Tiefe,

Das schmälend Oellamp-Fenerzeug erscheint

Nochmals im Viereck deiner Klappe, bis
Wenig nach sechs die Abendsuppe Schluß
Vom Tag der Arbeit kündigt. Wiederum
Wirst deines Napfes Wölbung nebst dem Löffel
Im reichen Wasserstrahl du läutern für
Das Werk des nächsten Tages. Dann begehrt
Der Aufseher das Messer, schiebt den Riegel
Vor deine Klappe und dreht noch einmal
Den Schlüssel um und um, damit du sicher
In deiner Zelle feist vor allem Angriff
Auf deines Friedens wohlumhegten Hort.

Nun sinkt die Stille übers weite „Hans",

Der Nachbar schlägt den Abendtrommelinarsch,
Und zwei erfahrene Gesellen suchen
Am Fenster Zwiesprach anzuspinnen, bis
Die Aufsicht barsch den Geistesnnstausch wehrt.
Dann bei des Gases tanzlustiger Flamme
Jagst mit den Augen du den schwarzen Zeichen,
Die auch wohl tanzen, nach im Lesebuch!
Doch plötzlich, während grad du liest, wie —
hu! —

Der fromme Emil grausam wird gewiesen
Von seines wohlverlobten Vräutchens Brust,
Als wenn nun aus sein Glück und alle Hoffnung,
Während du athemlos die Blätter fliegst.

Ob gute Wendung doch noch mag sich zeigen, —
Da dröhnt ein gräßliches Gewimmer durch
Die tiefe Ruhe, gleich als wenn Gerippe
Im Todtentanze ihre Knochen wirbeln. . .
Hier nennt man's einfach: „Es wird ab-
geklopfl".

Das Zeichen, schnell das Licht zu löschen und
Das Lager — ausgekleidet! — zu besiedeln.

Halb neun Uhr! Hinter allen Gittern schwindet
Sofort das Licht, von Abklopfgeistern wie
Mit einem Schlage aus der Welt geschreckt.
Schwarz starren nun die traur'gen Fensterreihen
Und tolle Träume, aufgepeitschtes Wachen
Zerren einander durch die lange Nacht. ...

Die Geschichte vom frommen Ämik.
 
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