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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0219
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— 3622

Der ungetreue Martin.

von Ignotus.

I.

Was war das für ein Jubel, ein Singen und pnrrahschrci'n!
Die feisten pfäfflein drehten sich jauchzend im Siegesreihn.
Noch liegt mir in den Ohren mißtöniges Geplärr —-
Bet-Brüder und -Schwestern fangen: „Gelobt sei Gott, der perr!

„Nun ist der Tag gekommen, der uns verheißen ward,

Nun ist das fjetl erschienen, auf das wir lang geharrt.

Es wolle uns der Fimmel nun stärken mit seiner Kraft;

Jetzt geht dir's an den Nragcn, verstnchte Wissenschaft!

„Du bist der schändliche Lindwurm, der Drache — mordbereit,
Der gegen unsre Rirche sein Gift und Jener speit,

Der statt von frommem Glauben spricht von Vernunft und Geist,
Der aus den Wtenschenherzen die heilige Dummheit reißt!

„Doch nun sind wir gerettet, nun tragen wir nimmer Sorg',
Es ist uns auferstanden ein neuer Sankt Georg;

Der Sohn des alten Peter, der kleine Martin Spahn,

Der wird dich niederwerfen, scharf geht er drauf und dran.

„Seht! wie die Heiden beben, sobald sein Name schallt!

Seht, wie die Netzer zittern vor seines Arms Gewalt!

Er wird sie nicderstoßen und treten in den Sumpf —

Nun freue dich, heilige Nirche, und jauchze und singe Triumph!"

~ II.

Ei ei! wie hat verändert das Bild sich doch so bald!

Verstummt sind die Siegstrompeten, der Jubel ist verhallt.

Die Pfaffen und Pfaffenknechte, sie singen und tanzen nicht mehr:
Sie lassen hangen die Köpfe und stöhnen laut und schwer:

„Das war der Teufel Bitru, der uns gespielt den Streich!

Der Abgesandte der pölle — ihm sieht die Bosheit gleich!

Es kam durch Satans Tücke ein frommer %lö zu Fall —
Der Wolf, der mörderische, brach in geweihten Stall!

„%it man jemals auf Erden so Schändliches erhört?

Muß nicht das Blut uns sieden, wird nicht das perz empört?
Der Sohn des alten Peter, der kleine Martin Spahn,

Spann heimlich mit dem Drachen ein Techtel-Mechtel an!

„verruchter Fürst des Abgrunds, du trafst das perz uns tief,
Nein Mitleid kann uns trösten, kein Zuspruch, kein Naiserbrief!
Nnd wenn wir gute Miene auch machen zum bösen Spiel —
Die arge Welt giebt dafür nicht einen Pappenstiel.

„Die Bösen spotten und lachen und höhnen lästerlich,

Es freut ob unsres Pineinsalls die ganze pölle sich!

Wir, die im Siegeslorbeer noch gestern einherstolzirt,

Durch Martin ward das Zentrum und Peter schwer blamirt!"

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Glückliche Lösung. Illustration. — Sieges-Allee auf Vor-
rath. Illustration. — Freiheit. Von J. W. — Katholisches.
Von J. 8. — Mißverstanden. Illustration. — In der Glas-
hütte. Von M. E. — In der eigenen Hölle. Von E. —
Gipfel der Gedankenlosigkeit. — Der Weg zum Ruhm. Illu-
stration. — Briefkasten.

jWnesischez.

üwang-sü sprach zu Ei--Bung--C$cbang:
Giebt’s ein Ende des Gewimmels
Srenider Ceufel, dass icb wieder
herrschen kann als Sohn des Himmels?

Olobl, sprach Ci--Bung--Cscbang, verschwunden
Sind die Briten und die Preussen,

Drüben in der Mandschurei nur
bUimmelt’s noch von Dikoläusen. m.k.

Der Held des Tages.

Der Mörder Mae Kinleys erhielt vor seiner
Hinrichtung täglich Blumen, Früchte und Briefe
von zarten Händen zugesandt. — Jetzt wissen
also die Amerikaner wenigstens, wie sie es an-
fangen müssen, um sich bei den Damen beliebt
zu machen. , m.k.

Ans einem Plaidoyer.

.. Meine Herren Geschworenen, wenn Sie
diesen jungen Menschen wegen Diebstahls verur-
theilen, dann haben Sie ihm seine ganze Karriere
vernichtet! Ihm bleibt nichts weiter übrig, als
Direktor einer Aktiengesellschaft zu werden ...!"

?

In einer Festrede hat sich, jüngst der preußische
Landmirthschaftsminister v. Podbielsli gegen das
„Schmatzen in der Politik" geivandt. „Es würde
um Deutschland" — so äußerte sich der verdiente
Staatsmann — „besser bestellt sein, wenn an
die Stelle der Schwätzer die Männer der That
träten, die zur Arbeit anpacken."

Wir haben uns vergeblich den Kopf zerbrochen,
gegen wen wohl die scharfen Worte Sr. Exzellenz
gerichtet sein könnten. Das deutsche Volk ist
ans Mundhalten doch so sehr gewöhnt, daß man
ihm politische Schwatzsucht unmöglich zum Vor-
wurf machen kann. Und was die leitenden Männer
unserer Regierung anbetrifft, so haben sie noch
vor Kurzem bei Gelegenheit des Hunnenzuges
bewiesen, daß sie durchaus Männer der That
sind, die sich rüstig und wohlgeinuth in die Ge-
fahren eines kostspiestgen Krieges stürzen, ohne
den Vertretern des deutschen Volkes auch nur
eine Silbe von ihrem Vorhaben schwatzhaft zu
verrathen. Wir fragen daher auf's Neue: Wen
in aller Welt kann Herr v. Podbielsli gemeint
haben? ——-— j. s.

Denkschrift

des Hoshistoriographen Pros. Lebrecht Muckenich Langohrius,
fürstlichen Archivarius und wirklichen Geheimschreibers,

zum Erweise dessen:

daß die durchlauchtigste Uebung Se. Hoheit des
Herzogs Damian XXXVIII.
jenen Kindern, welche von wegen einer Missethat
Strafe verwirket, aber dank einem allerhöchsten
Gnadenaktusse hievon losgezählet worden, anstatt
besagter Exekution wohlmaßen zugedachte Fünf-
undzwanzig ans den dekolletireten Hintertheil aller-
höchsteigenhändig zu verabreichen

ein unanzweifelhaftes
und unantastbares Kronrecht sei!
Sintemalen selbiges Reservatrecht wurzelt in

fünf verschiedenen verfassungsmäßigen fürstlichen
Reservatrechten und also aufgelöset werden kann:

Primum: In das Reservatrecht auf einen Stock.

S e k u n d u m: In das Reservatrecht, diesen Stock
zu schwingen.

Tertium: In das Reservatrecht auf eine Bank.

Quartum: In das Reservatrecht, den Landes-
kindern Gehorsam zu befehligen.

Quintum: In das Reservatrecht, bis fünf-
undzwanzig zu zählen.

Für Kriminalstlldenlen.

Der Rittergutsbesitzer v. Rochow auf Plessow
bei Werder a. H. wurde jüngst wegen unberech-
tigter Ausübung der Jagd auf fremdem Jagd-
gebiet zur Anzeige gebracht. Die Staatsanwalt-
schaft lehnte jedoch die beantragte Verfolgung ab,
da sie der Versicherung des Edelmannes, er habe
durch die auf fremder Jagd abgegebenen Schüsse
nur seiner Frau mittheileu wollen, wo er sich
aufhalte, vollen Glauben schenkte.

Wie wir hören, hat die Methode v. Rochow-
Plessow bereits in weiteren Interessentenkreisen
Beifall und Nachahmung gefunden. „Pocken-
Emil" ist gestern aus der Untersuchungshaft ent-
lassen worden, nachdem er dem Staatsamvalt auf
Ehrenwort versichert hatte, daß er die gewaltsame
Oeffnung des Geldschrankes beim Bankier Cohn
nur zu dem Zwecke unternommen habe, um dem
Besitzer mittheileu zu können, daß der diebessichere
Verschluß des Möbels nicht ganz zweckentsprechend
konstruirt sei. Ferner wird uns aus Gumbinnen
telegraphisch gemeldet, der Mörder des Rittmeisters
v. Krosigk habe sich dem Militärgericht freiwillig
gestellt, sei aber alsbald außer Verfolgung gesetzt
worden, da er erklärte, er habe durch den Kara-
binerschuß seinem ordnungsliebenden Vorgesetzten
nur mittheilen wollen, daß in der Reitbahnthür
ein Loch sei. j. s.
 
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