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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0223
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Die Köpfe werden nach öe^^etligcn Bedarf aufgesetzt

krcihcll.

Der spricht, die Freiheit kommt geritten
Aut einem wilden, stolzen pterd —

Der spricht, die Freiheit kommt geschritten,
Lin herrlich 'Meid, rein und verklärt —

Der spricht, die Freiheit kommt gefahren,

Am Viererzug fährt sie durchs Land -
Der spricht, sie kommt init reisigen Sehaaren
And schwingt die Geissci Ln der Dand —

Katholisches.

Die ultramontane „Germania" euipftehlt ihren Lesern Tanzunterricht
unter Leitung eines katholischen Tanzlehrers. Sic berichtet über einen
derartigen Lehrkurs und sagt: „Der erste Tag dieses Unterrichts zeigte,
daß es wirklich ein Bedürfniß für die Berliner Katholiken war, Tanz-
und Anstandsstudium unter katholischer Aufsicht und Leitung einzu-
sühren."

Wir stimmen der „Germania" durchaus bei. Seit den bekannten
Reigentänzen, die der heilige Vater Alexander VI. von unbekleideten
Glaubensgenossinncn aufsührcn ließ, haben speziell katholischer Anstand
und katholische Tanzkunst in der ganzen Welt eine besondere Werth-
schätzung genossen.

Aber — so fragen wir — wird ein wahrhaft ultramonraner Sinn
sich damit begnügen können, den bisher leider konfessionslosen Rund- und
Kontretänzen, den Quadrillen, Kotillous re. ein streng katholisches Ge-
präge zu verleihen? Wird man nicht vielmehr darnach trachten müssen,
die ganze bürgerliche Geselligkeit, soweit sic sich in katholischen Kreisen
abspielt, mit konfessionellem Geiste zu erfüllen? Katholische Diners und
Soupers zu veranstalten, würde einer geschmackvollen Köchin sicherlich
keine Schwierigkeit machen. Katholische Spielkarten, die an Stelle der
bisherigen Buben, Damen und Könige die Bildnisse lieber Heiliger und
frommer Märtyrer trügen, könnten zur Befestigung des rechten Glaubens
manches beitragen. Der Bierkommcnt wäre nach den Satzungen der
alleinseligmachenden Kirche umzngestalten und ultramontane Kegelbahnen,
auf denen jüngere Kapläne als Kegeljungen fungirtey, würden eines regen
Zuspruchs aus strenggläubigen Kreisen sicher sein. j. s.

Feudales Bsllgespräch.

von Knaxenwitz: „Aeh, theuerste Fifi, wird endlich Papa mit Mit-
gift heransrücken wollen?"

Komtesse Fifi: „Nur Geduld, Karl, wenn der Schweinctarif noch
etwas steigt, ist unser Liebesglück gerettet. Für den Fall aber, daß das
Rindvieh zurückgeht, habe ich bereits km Grafen mein Jawort gegeben."

Der neugierige Barbier.

Baron (der beim Nähren geschnitten wird): „Kerl, das haben Sic natürlich
absichtlich gethan, wollten 'mal blaues Blut sehen, he?"

Der spricht, sie ist 'nc arme Dirne,

Adr sedt sie nicht und sie ist da —

Der legt ihr Schwcrmuth auf die Stirne
And der nur Glanz und Gloria —

Mie glaub' ich wohl, dass sie erscheine?

iDil Santtmnth oder mit Gewalt?
Gleichviel! Ach wünsche nur das Line,
Dass sie erscheine bald, recht bald! j. w.

Mißverstanden.

Pfarrer: Und vor Allem, Michel, laßt nie die Fleischeslust an
Euch herantreten.

Michel: Soans unbesorgt, Herr Pfarra, bei dene schlechte Zeiten
müsse mer uns halt imnier mit Kartoffeln begnügen.

In der Glashütte.

Der junge Bläser stehk am Herd,

Die Gase kochen und zischen;

Cs xfauchl und züngelt und leckt und fährt
Rus allen Feurrnischrn.

Lr bläst in rin metallenes Rohr,

Roth glühen Stirn und Wange,

Und stehe, schon quillt ein Bläschen hervor
Fm Ende der glühenden Slange.

Dir leuchlrnde Kugel wächst und schwillt,
Die Funken sprühen vom Glase;

Sie kommt vor ein Mullrrgotlesbild —

O junger Bläser, blase!

Sie kommt in eine Kapelle, das merk',
Und brennt dort mit ewigem lichte,

Und knien wird man vor deinem Werk
Mit gläubigem Gestchle. .. .

Ruf daß deine Rmpel mit frommem Schein
Das Iesuherze erhelle,

Drum blase du Leinen Rlhrm hinein —

V blase — du junger Geselle!

Mir ist, als läs' ich von seiner Stirn
Ein tiefes Brüten und Sinnen —

Rls sähe er gar die gläserne Virn'

Schon nullen im Kirchlein drinnen ...

Als hört' er den andachtsvollen Chor
Der Heuchler, die in der Klause
Dein Herren winseln Gebeie vvr
Und ihn verleugnen zu Hause . ..

Und liegen dvrt vor dem Gölte des Gelds;
Es keuchten seine Lungen —,

Da ist die Kugel im Farbenschmrlz
Blihsunkrn stiebend zersprungen. m. e.

P

Schon möglich.

Bauer <der einen Offizier mitMonocle sieht): „Da
schaug hi, Sepp, bei dem langt's Geld net für
a Brill mit zwoa Gläsern."

In der eigenen Hölle.

Der alte Kommerzienrath Zitterrochen, Besitzer
des größten Glashüttenmerkes auf dem Kontinent,
war kariin gestorben, da packte ihn der Teufel,
der schon ungeduldig auf ihn geivartct hatte, und
sauste mit ihni drei Nachkreisen tief in sein feuriges
Quartier hinab.

„Holla, Satanas", empfing ihn seine Groß-
mutter. „Wen bringst du da wieder?"

„Einen alten Sünder", grinste der Gottseibeiuns
zur Antwort, „der Kerl war längst überreif für
uns."

Großmutter schlug im Sündenregister, Band Z,
nach und fand richtig, daß sein Konto ein Dutzend
Großfolioseiten ausmachte. „Stimmt", sagte sie,
„aber wozu hat denn der Bursche seine eigene
Hölle?" Marsch hinauf mit ihm und steck' ihn
in den Ringofen der Aktiengesellschaft -Zitter-
rochens Nachf. mit b. Hll Wir haben hier
Wohnungsnoth genug!

Zum ersten Male seit Millionen Jahren hat
der Teufel eine arme Seele zurückschleppen müssen.
Aber er konnte es mit reinem Gewissen thuu;
der Hölleubraten würde es um keinen Grad
weniger warm haben, als bei ihm selber da unten.

Da saß also der alte Zitterrochen mitten im
Flammenmeer des Ringofens, der zu seinen Leb-
zeiten ihm selbst gehört hatte.

Von allen Seiten wurden die Eisenstangcn
hereingereicht, an deren Spitze alle möglichen
Glasdingcr staken: weitbauchige Krüge, Flaschen,
Lampen, Kugeln. In ohnmächtiger Wuth griff
er in beit weichen Glasteig, der schon die ver-
schiedensten üppigen Formen angenommen hatte.

Jedes Champagnerspitzglas, jede Karaffe, jedes
Lüstreschmuckstück, das in weißglühendem Zustand
hereinkam, erinnerte ihn an die herrlichen Soireen,
die er noch vor wenigen Monaten in seinem
Spiegelsaal gegeben hatte. Wie waren seine Gäste
entzückt gewesen über die kunstvollen Services,
die sämmtlich aus seiner eigenen Fabrik stammten!

Daran mußte Zitterrochen denken, als er in
seiner eigenen Hölle briet — das Einzige, was
jetzt sein „eigen" war — und dem Werden des
Reicbthums — seiner Erben von innen aus
zusah-

„Friede!, guck nur mal hinein, mir scheint, da
sitzt der Alte drin", sagte eines schönen Tages
ein Geselle zu seinem Nachbar.

Friede! nahm die Schutzbrille und starrte in
die Flammcnwogen. ... „Er ist's, er ist's!"

Die klebrigen schauten jeder in sein Feuerloch
und erkannten ihn ebenfalls. Das gab ein fröh-
liches Wiedersehen!

Sie heizten ihm nun zur Feier desselben ein,
daß die Ziegel roth wurden und die Eisenbänder,
die um die Ringmauer herumliefen, zu krachen
begannen und sich lockerten. Auch in der Hütte
stieg die Temperatur ins Unerträgliche, obwohl
Alle ohnehin mit nacktem Oberleib arbeiteten.
Sie hielten's aber mit Vergnügen aus, wußten
sie doch, daß Zitterrochen zehntausendmal heißer
sieden mußte.

Zitterrochen betete zum Teufel, er möchte ihn
erlösen und in die echte Hölle einlassen. Der
Teufel hat manchmal Erbarmen, und so fischte
er ihn mit einer glühenden Gabel aus dem Ring-
ofen heraus, um ihn in einen mittlerweile vor-
bereiteten Kessel mit geschmolzenem Glase ju setzen.
Dort war er wenigstens die beständigen irdischen
Erinnerungen los. e.

Gipfel der Gedankenlosigkeit.

(Wörtlich vorgekommen.)

Untersuchungsrichter: „Wie heißt Ihre
Mutter?"

Angeklagte: „Ist gestorben — bei meiner
Geburt."

Untersuchungsrichter: „So — und Ihr
Vater?"

Angeklagte: „Ich kenne ihn nicht, ich bin
außer der Eh' geboren."

Untersuchungsrichter: „Sie sollen Ihrer
Dienstgeberin ein Portemonnaie mit fünf Gulden
gestohlen haben?" (Angeklagte schweigt.)

Untersuchungsrichter: „Seien Sie wenig-
stens geständig." (Angeklagte fingt zu schluchzen an.)

Untersuchungsrichter (nach einer Pause): „Ja,
ja, dös hat man von die Kinder...! Da plagt
man sich sein ganzes Leben lang mit ihna, thuat
ihna alles z'liab, opfert ihna, was man nur kann,
und das is dann der Dank dafür .. . nachher
gcngans hin und thun ei'in die Schaud' an
und stehlen .. . Pfui Teufel!"

Vom jungen Serenissimus.

Erzieher: Durchlaucht geruhen zu schreiben
„ohne dem Glück" und dabei allergnädigst zu
übersehen, daß „ohne" den vierten Fall regiert.

Serenissimus: Das stimmt nicht. Sie sagen
mir doch selbst immer: ohne Ihnen schmeicheln
zu wollen, Hoheit — ?
 
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