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3630

Ihr. 400.

wißt Ihr es noch, wie klein wir einst begonnen
Und wie bescheiden unser Anfang war?

Doch hundert Hände streckten sich uns dar
Und Muth und Selbstvertran'n war bald gewonnen.
Und wir gelobten, frisch und -ohne Wanken,

Dem Kampfe uns für Volkesrecht zu weihn,

Lin Streiter mehr für die Partei zu fein,

Lin Künder freier, ewiger Gedanken.

wir haben treulich unser Wort gehalten
Und nicht nach rechts und links dabei gesehn;
Gradans war stetig unser Vorwärtsgehn,

So recht zum Trotz den feindlichen Gewalten.

Und wer mit frohem Muthe sich gehauen
Durch das Gestrüpp und Dornen feine Bahn,
wie wir's in schwerer, schwüler Zeit gethan,

Dem schenkt man ungefordert sein Vertrauen.

Das Marschgepäck bestand aus wenig Stücken
Die erste Zeit, wir trugen's spielend fast;

Doch schwer und immer schwerer ward die Last,
Die sich gehäuft auf unserm breiten Rücken.

wir haben Alles frohen Muths getragen,
weil die Idee in unsrer Seele wohnt,

Die hocherhaben über jeder thront,

Von der die Bücher der Geschichte sagen.

Dafür ist uns ein schöner Lohn geworden,

An diesem Tag winkt uns ein frohes Fest;

Ls nahen Freunde heut aus Ost und West,

Vonr Fels zum Meer, aus Süden und aus Norden.
Sie stehn zu uns und viele von den Lieben
Grüßt heut' das Herz mit seinem wärmsten Schlag,
Denn auch die Feinde sind vom ersten Tag
Bis heute uns beständig treu geblieben.

Und mit des Herzens frohem Gruß verweben
Die wünsche sich, daß nicht mehr fern die Zeit,
wo alles das zu warmer Wirklichkeit
Herangereift, was sehnend wir erstreben;

Daß nah der Tag, an dem die Burg des Bösen
Mit allen Thürmen auf in Flammen loht,

Der Tag des Heils, der uns aus Schmach und Noth
Und aus der Mammons-Knechtschaft wird erlösen.

Der „"wahre Jacob."

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Schönlank. Von W. B. (mit Porträt). — Karl Vürkli.
Von h. r—t. (mit Porträt). — Zeitgemäßer Wunsch. — Im
Abzahlungsgeschäft. Von Dr. Ludwig Frank. — Junkertreue.
— Die Wandlungen der deutschen Bourgeoisie seit 1848.
Illustration. — Trost im Unglück. Illustration. — Gedankeu-
balkeu. — Plötzenseer Bilderbuch. Mit Origiual-Jlluftrationen.
Von einem schweren Jungen. — Der gestörte Liebhaber.
Illustration.

Aeichstags-Äinberusung.

„Einsteige» nach Berlin!" Ein pfiff, ein hastiges Ade,

Des Reiches Bote pffichlgelreu erklettert fein Coupee.

Er sitzt aus weichem Pfühle dann in tiefem binnen da,

Er denkt: „wie wcrd' ich finden wohl die örau

Germania?

„Gv sie inwcstmachtsträlnncn sich noch immer trunken

wiegt?

Vö ihre Zukunft immer noch wohl auf dein waffer

liegt?

Die weißer sind ja launenhaft, ihr Rurs ist wirr und

kraus,

vielleicht ift's init der Gondele! für diesen Winter aus.

„vielleicht, dasi ihre Wange kleich, dost sie init tiefen,

Schmerz

Uns klagt: die Roth der tandwirthfchaft, sie lireche ihr

das Herz,

vielleicht auch ist getröstet sie schon liker diese Roth,

Und spricht mit leiser Ironie: ich wuch're nicht niitBrol!

„Ast Bei low noch ihr Lcikhular und Möller ihr Lakai?

Zst's endlich mit der Herrlichkeit des waldcrsee »orkci?

hat noch den poladowskij nicht Lucanus eecmiltirt?

wird kei den Schlotbaronen noch das Trinkgeld ein-

kafsirt?"

So fragt der Volksvertreter sich, und sinn! und denket

nach.

„Die Zeitung munkelt mancherlei von Rrile oderRrach,

Doch eh'»,an cineZeitnng druckt, kann's wieder anders

fein,

Es tritt i» unfern, Zickzackkurs ja fchnclldie Wendung

ein.

„Rur Eines weih ich: was auch n,ag gefchehn in,

,hohen hausfi

Zur vosti und Freiheit springet dort nicht leicht etwas

heraus,

Doch gilt's oft, schweres Ungemach von, Volk zu

wenden aö —-

wie gut, daß ich mein Rückgrat nicht zu Haus ge-
lassen hak."

M. K.

Suum cuigue.

Man hört fo häufig über die Unbescheidenheit
der Agrarier klagen, und man muß leider im
Allgemeinen den Nörglern Recht geben. Um so
freudiger waren wir bewegt, als wir jüngst in
de», Jnseratentheil einer pommerschcn Bündter-
zeitung folgende Annonce lasen: „Ein Landwirth
sucht für seine Kinder eine Erzieherin, Gehalt
150 Mark, gleichzeitig sucht er eine Schweine-
inagd, Gehalt '200 Mark."

Wenn diese Werthschähung der agrarischen
Jugenderziehung in den Kreisen des Bundes der
Landwirthe zur Norm werden sollte, so können
wir mit frohen Hoffnungen in die Zukunft
blicken. Die Unbescheidenheit und das über-
triebene Selbstbewußtsein der heutigen agrarischen
Generation wird sich — dessen sind wir gewiß —
auf die kommende nicht übertrage». DerAgrarier-
jüngliug, der sich sagt, daß seine Erziehung von
den liebenden Eltern geringer gewcrthet wurde,
als die Pflege der väterlichen Mastsau, muß
durch dieses Bewußtsein unbedingt zur Bescheiden-
heit gemahnt werden. Und wenn das Heran-
wachsende Agrariergeschlecht Vergleiche zwischen
der heimathlichen Kinderstube und dem heimath-
lichen Schweinestall anstellt, so werden sich ge-
wisse Neidgefühle, mit denen der nothleidcndc
Junker heutzutage die angeblich besser situirtcn
Mitbürger verfolgt, auf seine bevorzugten und
jedenfalls besser erzogenen vierbeinigen Zeit-
genossen ablenke». Wir dürfen also getrost sein.
Die Zukunft sowohl des agrarischen Nachwuchses
als des pommerschen Landschweins ruht in guten
Händen. Einem Jeden wird zu Theil, was ihm
zun, Wohle des Vaterlandes gebührt. j. s.

IDoderne Kleiber.

„moderne Kleiber! Klar ist denn das für eine
Spezies? Das sind Kreaturen ohne weibliches 6e-
fühl, ohne weibliche Cugend, verbildet in höheren
Cöchterschulen, verzogen in unchristlichen Fami-
lien, mit Romanen gefüttert, klapperdürr, unge-
niessbar, geifernd wie Nattern, gründlich elend
und bedauernswert!) — moderne Kleiber. 6ott be-
wahre ein Land vor solchen Raupennestern.“

(Kanonikus ßuerber im „ßlsässcr“.)

0 wie unsäglich
Kraftlos »nct Kläglich
Sind doch die modischen Weiber!
vorn wie gehobelt und hinten wie 'n Brett,
Waden und Hütten ohn' Reisch und ohn'Jett,

0 wie so überglatt,

Mager und überplatt
Sind ihre dürftigen Leiber.

Und wie der Mägdelein
Jfrm, Lüsen, hilft' und Lein
Lar jeder rundlichen Julie:

JTIso im sündigen, brünstigen Leib

ist auch das Herr von dem modischen Weib.

Dur für perverse Lust
Schlägt's in der flachen Lrust,

Würdig der reizlosen hülle.

Reh und im hohlen Kopf
hat so ein Modetropf
€itel Marotten und Mucken!

Statt an Craktätcben den Geist zu erbau'n,

Lesen Romane die modischen Jrau’n.

Heine und Zola und

Colstoi und andern Schund

Sieht man voll Gier sie verschlucken.

Hab' drum Erbarmen, Herr,

Kette mich Rrmen, Herr,

Gnädigst vor modischen Damen!

Schenke uns Weiber mit wenig Oerstand,

Jrei von des Wissens verderblichem Land.

Mache sie rund und nett,

Strotzend in Jleisch und Jett,

Ons zu ergötzen, Herr. Urnen!

Uno.
 
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