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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 18.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.6609#0238
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3642 —

Der lange Möller. -sb

Es giebt noch immer Leute, die die Minister schmähen,

Weil diese, wie sie meinen, nicht ihre Zeit verstehen,
weil diese, wie sie meinen, in ihren hehren Sphären
Nichts ahnen und nichts wissen von des gemeinen Volks Begehren.

Hier rang er schwer nach Athem: es drückt'ihm im Gekröse —
Er könnt' sie nicht vertragen —- die lsummermajonnaise.
„Die Roth", so sprach er weiter, „sie ist ein köstlich Gut
Für Arme, denn sie schützt sie vor Völlerei und Uebermuth.

Habt ihr vom langen Möller, so frage ich empört,

Habt ihr vom langen Möller, ihr Nörgler, nie gehört?

Als deutscher Volksvertreter fungirt' er viele Jahr',

Des Oeftern man entdeckte, daß seine Wahl ungiltig war.

Als dann zu hohen Ohren drang seiner Weisheit Ruhm,

Setzt' man den langen Möller ins Ministerium.

Hier war er ganz am Platze; er reist und redet gern,

Und ist in jeder Einsicht ein treuer Diener seines Herrn.

Jüngst sah den langen Möller gen Düsseldorf man eilen,

Der neuen Handelskammer den Segen zu ertheilen.

Und bei dem Weiheschmause — der Sekt war gut gekühlt —
Ließ es sich nicht vermeiden, daß Möller eine Rede hielt.

„Für heut' und alle Zeiten", sprach er, „bleibt dieses wahr:
Auf sieben fette folgen stets sieben magre Jahr'.

Die letztern nennt man Urisen und hält sie für ein Hebel;
Doch will es Gott so haben. Das wissen Sie schon aus der Bibel."

„Zu dulden und zu darben ist nieder,! Volkes Pflicht,

Das Massenelend kümmert den wahren Staatsmann nicht.
Und wenn Millionen hungern: ich bin kein Pessimist,

Ich meine, daß der junger der beste Volkserzieher ist."

Hier sah man, wie der Redner die weiße weste rückte,

Dieweil die Wildpastete ihm schwer im Magen drückte.

„Wir wollen gern ertragen", so sprach er, „Noth und Jammer
Der llebrigen. Es lebe die Düsseldorfer Handelskammer!"

So sprach der lange Möller. Und rings ertönt Geflüster:

„Der lange Möller ist doch die perle der Minister.

Wie kam ein solcher volksfreund ins Ministerium?

Traun! der Minister Möller ersetzt uns noch den Rönig Stumm!"

Und als die neue Botschaft in stille Hütten drang,

Da ivar's, als ob ein Jauchzen sich inancher Brust entrang,
Die trüben Augen blitzten, die pulse flogen schneller:

„Der Düsseldorfer Rede woll'n wir gedenken, langer Möller!" .7.8.

Inhalt der Unterhaltungs-Beilage.

Staatsweisheit. Illustration. — Stadtverordnetenwahlen.
Illustration. — Sachsen und Schwaben. — Zukunftsbild aus
dem Zeitalter des Zolltarifs. Von F. — Berechtigte Frage.
Von F. — Arbeiterschutz im Gastwirthsgewerbe. Illustration.

— Kontraste. Von R. L. — G'schwütz elendes! Illustration.

— Entwurf zu einer Reichseinheits-Postmarke. Illustration.

— Prinzen-Erziehung. Von F. — Daher der Name. —
66 Orden. — Agrarische Sentenzen. — Aus den Tagen des
französisch-türkischen Konflikts. Illustration.

Inr rothen Hause.

Des Rückschritts Melden faßt ein Graus,
Sie können es nicht wehren.

Daß in Berlin im „Rothen Baus"

Die Rothen sich vermehren.

Auch Heuer zur Gemeindewahl
Trat auf den plan die Masse,

Und wuchtig stimmten radikal
Die Wähler dritter Rlasse.

Sie schielen nicht nach Mben hin,
wie wadelstrüinxfler pflegen,

Sie treten mit geradem Sinn
Dem Schranzenthum entgegen.

Und wenn der Mirbach sie beehrt
Mit seinem ganzen Basse, .

Das halten keiner Sorge werth
Die Wähler dritter Rlasfe.

Sie tragen ihre Stirnen hoch,

Und ungekrümmt den Rücken,

Statt „unten durch" sich in das Joch
Zu fchiniegen und zu bücken.

Und hat der Leisetreter Thun
Gelähmt die Furcht, die blasse,

Dann greift zum Worte der Tribun
Der Wähler dritter Rlasse.

Und hält auch des Besitzes Macht
Die Berrschaft noch in Bänden,

Der Arbeit Posten steht auf wacht.

Bis sich das Spiel wird wenden.

Ls brechen, ihres Siegs bewußt.

Der Freiheit eine Gaffe

Mit ungestümer Kampfeslust

Die Wähler dritter Klasse. m. ic.

Perpetuum mobile.

D«S Aeich tzak je Ist rin Defizit,

Die Einxelstaaten auch;

Irl; glaub', es bleibt für alle Zeit
Bei diesem schönen Brauch.

Denn sehlt's im Neich, so wird die Kaff'
Des Einxelffaats geleert,

Und fehlt's im Einxelstaat, fo geht
Die Sache umgekehrt.

Und wenn es nun so weiter geht,
wird Jedermann es klar:

Die ,.ewige Bewegung" ist
Geschaffen ganz und gar.

Zur Abwehr.

Bekanntlich wird jetzt von Studenten und Mili-
tärvereinen lebhafter Protest dagegen erhoben, daß
Mister Chainbcrlain die südafrikanischen Kriegs-
greuel durch einen Hinweis auf die glorreichen Feld-
züge von 1870/71 zu entschuldigen gewagt hat.

Um diesen schimpflichen Vergleich sofort zu wider-
legen, wendete ich rnich an einen alten Reichs-
invaliden — ein lebendes Zeugniß der durchaus
menschenfreundlichen Kampfmcthode jener Zeit —,
der einen völlig unverletzten Mittelfinger und ein
noch gebrauchsfähiges und sogar bewegliches linkes
Ohr besaß, und befragte ihn, ivas er aus eigener
Erinnerung zu unseren Gunsten anzuführen wisse.

Der ehrwürdige Knabe genoß zuerst einen
tüchtigen Schluck Nordhäuser, ein Beweis für
die trotz der angeblichen „Greuel" unversehrte
Schlundröhrc, und bestätigte mir gerne, daß jener
Krieg eigentlich nur ei» Spiel um einen Einsatz
von fünf Milliarden gewesen sei, wobei der
Franzose einiges Pech gehabt habe. Blut sei über-
haupt kaum geflossen, außer wenn inan zu arg
von Flöhen und Wanzen geplagt wurde. Ge-
schossen wurde nur mit sogenannten Kapselpistolen,
womit die kleinen Kinder zu spielen pflegen.

Tief befriedigt und voll Stolz darüber, daß
wir doch die „besseren Europäer" seien, legte ich
dem wackeren Krieger ein neues Fünfzigpfennig-
stück auf die undurchlöcherte Stelle seiner Hand-
fläche und entfernte mich.

Pechdraht, Schuhmachcrmeister.

Lütows Alonotog.

Frei nach Hamlets „Zein oder Nichtsein".

Brolwucher oder nicht, das ist die Frage!

Ob's edler !m ©eiitüfl), die Pfeil' und ächtender»
Oer Ranitze zu trage» oder, sich ivastnend
Gegen ächwiegcrmutters Grimm, denAbfchied nehmen.
Nichts weiter wirklich nur als Abschied-Neymen
Gder -Ariegen? Doch was dann? vielleicht gar
Nach Venedig wandern, Fremdenführer
Zpielen für alle Protzen, reifelust'gen
pankces dort, und feinen Witz verschwenden
An spleenige Banausen? — 3a, da licgl's!

Oa tönt ein halt mir zu, da steckt die Rücksicht,

Die Minister lähl zu Jahren kommen.

Denn wer ertrüg' der Veiten Zpott und Geihel,
verschmähter Liebe Pein, des Zentrums Zchacherlust,
Den Ueöcnnuly der Ramarilka und der
Depeschen unberechenbares walten,
wenn's nicht so trostlos war, a. D. zu fein!
wer trüge wohl des Ranzleramles Lasten
Und stöhnt' und schwitzte tut Ministerjoch,
Zchreckl'nichtdieFurchl ihn vor dein Nichts derZuknnsi.
Ja, diele Furcht! Sie treibt uns alle

Zu kleben fest, bis einst Lukanus-Stiff,

Man kommt, am Ende ist cs gar der Grimme selbst!
Ach nein! Diesmal ist's nur mein Ramuierdiener!

——„— HK.

Müllers Standpunkt.

Bül 0 w: Sagen Sie, lieber Möller, geben
Sie in Zollsachen der Industrie oder der Land-
mirthschaft den Vorzug?

Möller: Beiden, Herr Graf. m, ic.

Dir Bourgeois in Deutschland.

Großartig ist das Reich, das wir bewohnen,
Es schuldet uns dreitausend Millionen.
 
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