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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0009
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Dein Proletariat.

Zun, Neuen Jahre.

Noch breitet ihre dunklen Schwingen
Die Nacht aus alle Gassen aus;

Des Jahres erste Glocken klingen,

Gin Grüßen geht von 6aus zu 6aus:
Versinken soll, was schwach und trübe,

Gesunden soll, was elend war-

Viel fromme Wünsche bringt die Liebe,
Viel frischen Muth die Hoffnung dar.

Das neue Jahr bringt keine wende, —
wenn ihr nicht selbst die Helfer seid:

In eurem wollen schläft das Ende,

In eurem Hirn die neue Zeit!

Erwacht aus dumpfen Sehnsuchtsträumen,
Euch ruft der Tag, euch ruft die That —
Schon schwillt der Lenztrieb an den Bäumen,
And unter Schneelast grünt die Saat!

Doch alles wünschen, alles hoffen
Ist machtlos wider eure Noth;

Der Zukunft Thore stehen offen:

Sie deckt den Tisch euch ohne Brot.

Sie füllt mit wermuth euch den Becher
And höhnt der Armuth bittres Leid,

Das nach dem Richter, nach dem Rächer
Dem neuen Jahr entgegenschreit!

Das neue Jahr bringt keine wende,

Rein Ruf erreicht ein gnädig Ohr:

Auf Bruderrecht und Segenspende
Vertraut der hoffnungsvolle Thor.

Nur wer sich regt, dem wird es glücken,

Die Freiheit hat, Iver sie sich schafft-

Erhebt das Haupt: auf eurem Rücken
Tragt ihr die Welt! Ihr seid die Kraft!

Elara Müller.

Der Ertzs'chlüflel.

Line Lylvestergeschichte.

¥

§ war Sylvesterabend; Herr Krenkel saß in
der „Tanne", natürlich im Honoratorien-
stübchen, und hielt seinen Freunden eine Rede,
in der er die Behauptung aufstellte, man könne
in der Sylvesternacht erfahren, ob das kommende
Jahr ein gutes oder ein schlechtes, ein mageres
oder ein fettes sein werde. Man brauche sich
zu diesem Zwecke nur an einen Kreuzweg zu
stellen und den ersten Mann, der in der Milter-
nachtsstunde vorübergeht, ins Auge zu fassen.
Komme er aufrecht und leichten Schrittes daher,
so sei von dem neuen Jahre nichts Besonderes
zu erwarten; wenn der Mann aber schwerbe-
laden unter irgend welcher Last daherkeuche,
so werde auch das neue Jahr mit allerlei Gaben
und Gütern sich einstellen.

Ob er's schon versucht hätte, fragte man ihn.

Gewiß, und er werde es auch heute thun.
Es sei noch immer eingetroffen und man wisse
dann wenigstens, woran man sei.

Das alles hatte im Nebenzimmer ein fremder
Mann, dessen echt germanisches Aeußere noch
durch eine Binde über das rechte Auge verschont
war, mit angehört. Der beschloß im Stillen,

Bcüagc zum „Wahren Jacob« Ar.-z03l, ,962.
 
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