Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0010
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3666

sich ebenfalls danach zu richten. Nur wollte
er's anders anfangen als Herr Krenkel. Er
hatte nämlich, wer weiß woher, einen Erb-
schlüssel erlangt, der bekanntlich verborgene
Schätze anzeigt und vor dem alle Thüren sich
öffnen. Es war ein sonderbarer Schlüssel,
eigentlich nur ein starker Draht, vorn recht-
winklig, hinten zu einer Oese umgebogen, aber
das unscheinbare Ding, auch Dietrich genannt,
hatte schon oft seine geheimnißvolle Macht be-
währt und seinem Besitzer viel Geld, sowie
mehrere Jahre völlig sorgenfreie Existenz aus
Staatskosten eingebracht. Er war nach dem,
was er gehört, fest entschlossen, heute Nacht
aufs Neue zu probiren, ob ihm das Glück hold
wäre. Kurz vor Mitternacht brach er auf und
Niemand achtete seiner.

Herr Krenkel ging auch, aber etwas später,
begleitet von demHalloh der Stammtischrunde,
was ihn jedoch nicht
im Mindeste» aus der
Fassung brachte. Er
hüllte sich fest in seinen
Havelock und schritt
hinaus an die Stelle, wo
der Rotschauer Kom-
munikationswegmit der
Laugfelder Straße sich
kreuzt. Es war bitter
kalt, der Wind pfiff über
die verschneiten Felder
und rauschte unheim-
lich in den Aesten und
Zweigen der einsamen
alten Linde, hinter deren
Stamm Herr Krenkel
nothdürftig Schutz fand.

Im Stillen freute er
sich über den glücklichen
Einfall, daß er ans der
„Tanne" eine Flasche
Punsch mitgenommen
hatte. Die kam ihm jetzt
gut zu statten, denn das
Warten dauerte lange.

Endlich tauchte in
einiger Entfernung ein
Mann auf, der augen-
scheinlich nach Langfeld ggj .

wollte und unter der Last
eines schweren Sackes
mühsam daherschritt.

Hochklopfende» Herzens
ließ Krenkel den nichts-
ahnenden Neujahrspro-
pheten ein paar Schritte vorüber. Dann aber,
einer edlen Aufwallung folgend, trat er vor,
steckte dem überraschten Sackträger unter einem
hastig hervorgestoßenen „Prosit Neujahr" die
noch halbgefüllte Punschflasche in die Rocktasche
und eilte beflügelten Schrittes, theils vor Kälte,
theils vor Freude zitternd, nach der „Tanne"
zurück.

Die Freunde bejubelten natürlich die will-
kommene Kunde, daß das neue Jahr allen An-
zeichen nach zu den schönsten Hoffnungen
berechtige, und da man eine derartige Freuden-
botschaft nicht ungefeiert lassen konnte, so war
es nicht zu verwundern, daß unser Freund
Krenkel erst am frühen Morgen in nicht ganz
lothrechter Haltung und mit schwerem Kopfe
— woran blos der Heringssalat schuld war,
wie er hinterher behauptete, — sein Heim er-
reichte. Er erwachte erst gegen Mittag, wodurch
er ein schönes Geld an Nenjahrsgratifikationen
ersparte, da weder der Bäckerjunge, noch die
Zeitungsfrau, noch der Briefträger, noch der
Schornsteinfeger seinen Todtenschlummer zu
brechen vermochten, trotzdem sie an der Haus-
thür förmlich Sturm läuteten.

Als Krenkel endlich sein Wohnzimmer betrat,
fiel sein erster Blick auf deu Schreibtisch, in
welchem er alles aufzubewahren pflegte, was
er an gemünztem Edelmetall, Banknoten, Pretio-
sen und sonstige» Kostbarkeiten gerade vorräthig
hatte. Ein wahrer Greuel der Verwüstung bot
sich seinem entsetzten Auge. Die Fächer waren
anfgebrochen, der Inhalt durcheinander ge-
wühlt, von Geld und Werthsachen war nichts
zu erblicken. Alles fort, alles so gründlich
ausgeräumt, daß es dem gewiegtesten Spitz-
buben Ehre gemacht hätte.

Es blieb auch alles fort, Herr Krenkel sah
nicht das geringste von seinen Schätzen wieder.
Sein Glaube an die Zuverlässigkeit der von
Alters geheiligten Orakel und Vorzeichen ist
tief erschüttert worden. Er hat es auch nie
erfahren, daß er den Räuber seines Eigenthums
persönlich mit einer halbe» Flasche Punsch be-

schenkte. Diesmal hatte der Mann mit dem
Erbschlüssel den Vortheil: das neue Jahr war
für ihn „segensreich" angebrochen. k. d.

Nus der Sitzung

des Kriegervereins „Mucke-Nich!'

Vorsitzender D n ck e d i ch (die Versammlung schließend);
Un nn gcdrcie Gameraden un Gampfgcnossen,
auch diejenigden, die dazemal nich dabei warn,
was ja freilich de mehrschden sein dhun. Da
mer nu also am Schluffe unsrer heit'gen Sitzung
angelangt sein, inechte ich Sie noch einial ineinen
allerscheensten Dank sagen, fier die dcligate Art,
ivie Se diese Schehmberleehnsche Angelegen-
heit erled'jgt hani. Eens ist ja gewiß. Dieser
englische Golonialminister is un bleibt ein
Schweinehund. (Stürmische Zwischenruse wie: Schweine-
hund, Lump, Verbrecher, Lausejunge.)

Vorsitzender (fortfahrend): Nur nich ze laut,
Gameraden! dricben im Lohgal sitzen noch Gäste.

— Aber da's nu amal oben nich gewinscht ward

— was will mer machen? — Denn, das gann
ich Se sagen: Wenn mer Helle etwa'n zu en
andern Beschlüsse gegomm' warn, ei du griene

Reine, da hätt'n mer oben eeklich derinit ange-
stoßen. (Sehr richtig.)

Un was die rotheu Bricder bedrifft, die liier
da neilich glicklich aus unfern Verein rausgeeegelt
Ham. Wenn die nu ulken un sagen, mer hätten
wohl nich fer finf Reigroschen Mark mehr in de
Knochen un so. — Ä laßt se doch reden. Mir
sein nu eemal for Gaiser un Geenig; un mir
sein Soldaten. (Bravo!) — Un da giebt's nur
Eens: Bariercn. (Bravo, Bravo!) Un heißt's denn
nich auch in Liede:

Wer sich selbst bezwingt.

Den greeßten Sieg erringt?

Un dadrilin mecne ich, wemni'r de Sache nur
bei» richtigen Lichte besieht, genn' mer uns zu
unfern heil'jen Beschlüsse nur gratuliren. Unser
Verein hat sein Namen wieder inal alle Ehre ge-
macht: uu so fordere ich Sie denn auf, mit
mir einzestimmcn in den Ruf:

Der Verein aldcr
Gampfgenossen: Mucke-
I Nich, er lebe hoch, hoch,
un nochmals hoch! v. u.

von Serenüsinmz.

Einem Schlächter, der
in der Nähe des Schlosses
sein Geschäft besaß, ging
ein Ochse durch. Er lief
durchs Schloßthor in den
Garten. Serenissimus,
der dort eben spazieren
ging, erschrak nicht wenig,
aberdieDienerschaft hatte
den ungebetenen Gast
bald dingfest gemacht.

Am nächsten Morgen
fragte Serenissimus:
„Nun, was macht man
denn... äh... in der
Stadt für Witze... äh...
überden durchgebrannten
Ochsen?"

„Serenissimus", er-
widerte ein Höfling, „inan
sagt."

„Nur hergus damit!...
Äh. .. will es wissen!"

„Serenissimus, ,im».
sagt, das sei das erste
Rindvieh, das ohne Pro-
tektion ins Schloß ge-
kommen sei."

Lebensregeln für Leutnants.

An dem Spieltisch darfst du hocken,
Schulden machen darfst du auch,
Darfst dem Zivilisten stoßen
Deinen Säbel in den Bauch.

Darfst bei wüsten Sektgelagen
Dich betrinken voll und schwer,
Aber beim Nachhausetorkeln
Denke deiner Standesehr'.

wenn dich Uameraöen führen,
weil du schwankest so enorm,

Dann entlade deinen Magen
Nicht auf ihre Uniform.

Stoß' und schlage nicht nach ihnen
In des Rausches blinder wuth,
Denn was ein bezechter Leutnant
Strampelt, das erfordert Blut.

Müßtest sonst am andern Morgen
In des Uatzenjammers Noth
Zum Duell dich pünktlich stellen
Und man schießt dabei dich todt.

Und in einem schönen Nachruf
wird dann ehrend dein gedacht:
„Dieser brave Leutnant wurde
Gänzlich schmerzlos umgebracht."
 
Annotationen