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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0017
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Altustvirte

UirtirrhaLtAirgs-VerLaar

des wahren Jacob

Zuverzicht.

kin König an dem Strand der - doch nicht so!
ich will den Damen seines Reichs nicht nennen,
Vnmuthig ward er, dass man seine Hauptstadt
Verunziert bab’ mit plumpen Monumenten;
Hiebt mehr will er gestatten, dass man fürder
Die Strassen seiner Residenz geschmacklos
Mit Denkmälern bepflanze!-Dies sein Veto!

Ob ibm wobl vorgesebwebt Jfugustus’ Bild,
Des Kaisers aus dem fernen JRtertbum,

Der sieb gerühmt, er bab’ ein Rom aus Cebm
gefunden, - und es marmorn binterlassen ? -

Sei wie dem sei! - ich weiss, es wird in Bälde
So manche dumpfe alte IDietbskaserne,

Gin Mittel zwischen Pferdestall und Zucht-
haus,

So mancher Steinkoloss, dess Jensterböblen
Das Brau’n bewohnt, ganz unerbittlich
Der Grde gleicbgemacbt. Und merket wohl,
Mas ich Gueb prophezei’: aus ihrem Schutt
Grstehn dann phönixgleich anmutbig helle
Behände, würdig, dass sich freie Menschen
ihr Beim drin suchen. Dicht wie Böblentbiere,
UJie Sträflinge in finstern Lochern kauern,
Mit Laster, Schmutz und Glend im Befolge,
Die Bürger jener Stadt. - Binweggetilgt
UJird solche Schmach auf den Befehl des

Königs!

ihr staunt? ihr zweifelt, lacht darüber gar,
Mas für unglaubliche Phantastereien
Gin einzig Jürstenwort oft zaubern kann??
Meint lieber, dass der Blaube Glich verloren
Begangen an der Brossen Macht und (Vollen!

Das verhütete Attentat.

In den Annalen des Marktfleckens Klein-
Schnipstng wird die dreiundzivanzigste Minute
der fünften Nachunttagsstnnde des 1. April 19..
für ewig mit rothen Lettern verzeichnet stehen.
Zu Beginn derselben fuhr nämlich der Hof-
zug, in dem Serenissimus die Rundreise durch
sein Ländchen unternahm, in die Station Klein-
Schnipfing ein, und erst zu Ende derselben
fuhr er mit seiner unschätzbaren Fracht wieder
hinaus. Bolle sechzig Sekunden hatte also der
Klein-Schnipfingsche Landesboden das Glück,
seine Hoheit tragen zu dürfen, und kaum konnte
er, wie aufmerksame Beobachter wahrgenommen
haben wolle», ein freudiges Erdbeben darob
unterdrücken. Sämmtliche marktfleckigen offi-
ziellen Persönlichkeiten, die Jungfrauen ein-
begriffen, waren unter der Leitung des Herrn
Bürgermeisters Querkopf herbeigeeilt und hatten
in der blumen- und guirlandengeschmückten
Wartehalle Aufstellung genommen. Im Hinter-

grund drängten sich die sonstigen Einwohner
des Ortes bis auf vier Unglückliche und noch
Einen. . . Doch halt, hier heißt es, etwas
weiter ausholen.

Dem H errn Bürgermeister w ar keinen M om ent
lang das Bewußtsein der mit seiner Würde ver-
knüpften Pflichten abhanden gekommen. Durch
die fleißige Lektüre seines Kreisblättchens und
der „Woche" hatte er sich nach und nach mit
geradezu großstädtischen Anschauungen voltge-
sogen, deren sich kein Polizeipräsident hätte zu
schämen brauchen. Zu diesen gehörte einmal
die unerschütterliche Ueberzeugung, daß Vor-
sichtsmaßregeln nicht früh genug getroffen werden
können und daß andererseits in jedem Italiener,
wie durch zahllose Attentate erhärtet, ein Königs-
mörder stecke, der nur auf die günstige Gelegen-
heit lauere, um in Aktion zu treten. Alls ihm
nun der unverhoffte Wink zutheil wurde, daß
Serenissimus anläßlich seines Regierungsan-
tritts auch in Klein-Schnipfing eine Minute
Aufenthalts zu nehmen geruhen werde, ver-
fügte er zunächst die Jnternirung von vier Indi-
viduen italienischer Herkunft, die bisher unter
der harmlosen Maske von Kanalarbeitern sich
verborgen hatten, in das Gemeindespritzenhaus,
vor das sich zwei Nachtwächter, mit alten Helle-
barden bewaffnet, aufpflanzen mußten.

Die behördlichen Erhebungen „nach übrigem
italienischen hierorts befindlichin Gesindel",
wie es in der amtlichen Note hieß, ergaben
aber, daß noch außerdem ein fünftes durch
seine Abstammung gebrandmarktes Individuum
innerhalb der Mauern Klein-Schnipfings weile,
nämlich eine Frau. Dieselbe befand sich aller-
dings zur Zeit in einer kläglichen, beinahe
mecklenburgischen Verfassung. Sie lag am
Morgen des denkwürdigen Tages in den Wehen,
jede» Augenblick konnte bei ihr ein sechster
Italiener eintreffen — und alle Vorsichtsmaß-
regeln des marktfleckigen Oberhauptes über
den Haufen werfe».

Das durfte um keinen Preis geschehen! Wie
weiland der kaiserliche General Tilly bei der
Erstürmung Magdeburgs nicht einmal das
Kind im Mutterleibe schonte, so verfolgte auch
das kleinschnipfingsche Oberhaupt besagte» Ita-
liener vor seinem Eintritt ins Dasein. . . .

Herr Querkopf scheute nicht die Mühe und
begab sich schleunigst in die Wohnung der
Wöchnerin, um mit der daselbst geschäftig hin
und hereilende» Frau Meier — einer unge-
mein würdigen Person, der einzigen im Orte,
die auch im bürgermeisterlichen Hause oft genug
zu thu» gehabt hatte, — Rücksprache zu nehmen.

„Frau Meier", diktirte er mit seiner strengsten
Amtsmiene, die keinen Widerspruch zuließ,
„Sie werden dafür sorgen, daß der Knabe
nicht eher das Licht der Welt erblickt, als
bis der königliche Hofwagen die Grenze ver-
lassen hat! Verstanden?"

Frau Meier war starr vor Schrecken. Eine
solche Weisung halte sie während ihrer ganzen
umfangreichen Praxis noch nicht erhalten. Müh-
sam gewann sie die Sprache wieder.

„I — a — a — wenn aber ein Mädchen
draus wird — man kann ja nie wissen!"
stotterte sie händeringend.

„Ganz richtig, man kann nie wissen", fiel
ihr der Bürgermeister ins Wort. „Vorsicht ist

die Mutter der Weisheit. Der Knabe darf
nicht früher geboren werden, als bis Sere-
nissimus abgereist ist."

Sprach's und kehrte der Krankenstube den
breiten Rücken und schritt beruhigten Herzens
die Treppe hinunter.

Während des Festmahls, mit welchem der
überaus gelungene Empfang gekrönt wurde,
kam der Gemeindediener und meldete, daß das
Kind — ein Knabe — von dem Eintritt ins
Leben Gebrauch gemacht habe und sich ivohl-
befinde, die Mutter jedoch bei der Entbindung
gestorben sei.

„Da haben wir's!" rief der Herr Bürger-
meister Querkopf, „so ein Scheusal, das im
ersten Augenblick seines Lebens die eigene Mutter
umbringt! Danach bemessen, wäre dieser An-
archist auch vor einem Anschlag ans das ge-
weihte Haupt unseres allergnädigsten Landes-
valers nicht zurückgeschreckt. Unser Allerdurch-
lauchtigster, der vor solch' großer Gefahr durch
mich behütet worden ist, lebe hoch — hoch — hoch!"

Die Staatsstütze.

Graf Hosa saß am frühen Morgen
Am grünen Tische noch allein
Und grübelte ob seiner Sorgen,

Da trat Freund Langohr leis herein.

Lr kam herein mit wonnethränen,

Bot freudig ihm den Vorderhuf:
„Gestillt wird nun mein heißes Sehnen!"
So tönte froh des Esels Auf.

„V} — a", schrie er, „ich mutzte kommen,
Zu dir als froher Gratulant.

Du wirktest uns zu Nutz und Frommen,
Nachdem du unfern Werth erkannt.

„Dieweil du uns vom Zoll befreit Haft,
Nimm hin den Zoll der Dankbarkeit;
wie du dich unferm Dienst geweiht hast,
So dienen wir dir allezeit.

„Und willst dies lvxfer du verschmähen,
Ls hilft dir nichts, dir wird dein Lohn
Und blaue Wunder sollst du sehen
In wenig kurzen Monden schon.

„Die feinsten Fäden der Verwaltung,
wir lenken sie nach deinem Sinn
Und gar in puncto ,Staatserhaltung'
Gehn wir mit dir durch Dick und Dünn.

„vertrau auf uns, wir werden wirken
In Stadt und Land, wie sonst noch nie,
Obwohl in deines Amts Bezirken
Manch Esel seine Uraft dir lieh.

„So lang wir in dem Drang des Lebens
Zusammen halten fest und treu,

So kämxfen Götter selbst vergebens
Stets gegen uns — ich sag' es frei..

Allmälig that der Graf sich fassen
Und dankte voller Innigkeit:

„Bann man auf Lsel sich verlassen,

So ist das gut in schwerer Zeit!" m. e.

Beilage zum „wahren Jacob" Nr. 4042/ 1902.
 
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