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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0019
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3675

Das Existenz-Minimum.

wir geht ein Lied im Kopf herum
von „Existenz" und „Minimum";

Kein Kerl, und mär' er hundeschlecht,
Bestreitet dieses Menschenrecht.

Ls nimmt der biedre Zreistnnsmann
Sich seiner voller Wärme an,
verficht und schützt mit Eloquenz
Das „Minimum an Existenz".

Der Landmirth, der so bitter Nokh
Muß leiden, sinkt im Preis das Brot,
verargt's ihm mer, daß er wie toll
Sich heiser schreit nach höhrem Zoll?
Trägt ihm sein Gut nur zehn Prozent,

Er gleich in Königstreu' entbrennt,

Tr will ja nur, — wer nimmt's ihm krumm?
An Existenz — dies Minimum!

Die edle Zierde der Nation,
vom Grafen auswärts und Baron,

Sie schwärmt für Weiber, Pferd und jeu,
Ballet und chambre separee.

Schafft ihnen nur die Mittel her,

Dann wollen sie — bei Gott — nicht mehr.
Das ist für sie — und wer mißgönnt's —?
Das Minimum an Existenz!

Der Rentner fordert in der That
Nicht mehr, als seine Reis' ins Bad,

Zm Winter ein Vpern-Abonnement,
Und Mitgift für den Tochtermann,
pro Woche einen kleinen Zour —:
Dann steht sein Himmel in Azur,

Das ist das ganze Auf und Um:

Des existenzlichen Minimum!

So hilft man auch dem Arbeitsknecht
Zn seinem heiligen Menschenrecht,
Gewährt ihm gern sein bischen Stroh,
Aus daß er seines Schlafes froh.

Und fehlt's auch daran, - fordert man
So warm als man nur eben kann,
Dies Minimum an Existenz,
potz Hölle, Tod und Pestilenz! m. e.

Dreiviertel aller Verbrechen würden nicht be-
gangen werden, wenn die Welt nicht nach den
Gesetzen Derjenigen regiert würde, die gar keine
Verbrechen zu begehen brauchen.

Der Hunger hat manchen Leib zu Grunde ge-
richtet, aber manchen Geist — gespeist!

Wenn man auch alle Statuen und Bilder der
Welt mit Feigenblättern überdeckte, würde die
Sittlichkeit der Moralisten doch nicht größer.

Menschen, die alle Rechte besitzen, schauen mit
den argwöhnischsten Angen ans die Pflichten der
Anderen. „

Warum soll ein Volk seinem Herrscher mehr
Zutrauen entgegenbringen, als der Herrscher dem
Volke? Und welcher Herrscher traut seinem Volke?

„Stützen der Gesellschaft" werden meist Die-
jenigen genannt, die gleich der überhängcndcn
Wucherpflanze den ragenden Fruchtbaum be-
decken. ,

Man sagt: Wer ein An>t hat, braucht keinen
Verstand zu haben. — Nein! Er darf keinen
haben!

Ein bedeutender und überzeugungstreuer Mann,
der eine hohe Stellung int Staate erreicht, hat
sie gewiß nicht seinen guten Thaten zu verdanken,
sondern wahrscheinlich den paar unbewußten
Fehlern, die er zufällig begangen hat.

Was hilft es viel, daß sich tausend Stimmen

gegen das Unrecht erheben?-Das Unrecht

hat keine Ohren. Scotus.

Der Löbel Hersch hatte sich in betrunkenem Zustande an einer Prügelei mit tödtlichem Ausgang betheiligt und wird dafür zu einem
Fahre Gefängniß verurtheilt. Alsbald erhebt er sich und sagt: „Möcht ich bitten den Herrn Gerichtshof, ßu sehen an die Zach als ainen
standesgemäßen Zzwaikampf un ßu verwandeln de Ztraf in Festungshaft mit nachfolgender Begnadigung?"
 
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