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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0023
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— 3679

Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft.

»SJi'etrte Herren Professoren! Schimpfen Sie soviel Sie wollen, aber —
peborchen Sie!"

'vsvt? Hokelsgätzne. '©v®"

Wir Deutschen sind eine große Nation
Seit nnsern gewaltigen Siegen.

Beinahe beherrschen den Erdball wir,

Seit wir auf dem Wasser liegen.

Wir bieten Trotz der ganzen Welt,

Wer möchte den Strauß mit uns wagen? —
Nur wenn ein Pole polnisch spricht,

Das können wir nicht vertragen.

Der lange Möller bekommt in seiner Eigen-
schaft als Chromriemenleder-Fabrikant eine für
ihn sehr vortheilhafte Erhöhung des Lederzollcs
im neuen Zolltarif. Die ledernen Reden, die
der Lederfabrikant als Minister produzirt, bleiben
aber leider zollfrei.

Traut den Verheißungen nicht, die Euer Ohr oft umschmeicheln:

„Wenn und sobald der Gewinn steigt, dann vermehrt sich der Lohn!"
Schnellt der Profit auch empor, als trügen ihn Flügel des Sturmwinds,
Schleicht ihm der Lohn hinterdrein, wie eine Schnecke so lahm.

Daß man in Berlin Stndentenvcreine maßregelt, wenn sie die aka-
demische Disziplin gefährden, ist sehr unrecht. Man kann von den jungen
Studenten nicht verlangen, daß sie im Kriechen schon die Fertigkeit alter
Professoren erreicht haben.

Die Junker sich uneigennützig preisen
Und die Diäten weit von sich weisen;

Jetzt aber drohet die Obstruktion —

Da schreien sie nach Diäten schon!

Wenn Deutschland mit Venezuela Krieg führen sollte, so müßte die
Heeresausrüstung nicht mit Säbeln, sondern mit Konponscheren erfolgen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Allgenreines

Die „Volksfreunde".

Es hielten hohe Herren
Vertraulich ihren Rath,

TUelch neue Ateuerquellen
Ulan für das Reich wohl hat?

Entschieden viel zu billig
Ist noch das Bayrischbier,

Ulan kann sich drin berausche»

8ür eine Reichsmark schier.

Zu billig auch ist Tabak!

8ür eine halbe Mark
bekommt man zehn Zigarren
Echon leidlich gut und stark.

Eo paradiesisch wohlfeil
braucht kein Genuß zu sein,

?>er setze ganz energisch

Vie Steuerschraube ein. m. k.

Lieber Jacob!

3* iioobtc schon, der Winter wirde diesmal,
wie de Kanalvorlage in de Thronrede, ieberhanpt
nick) mehr zu'n Vorschein kommen. Aberst in die
letzte Tage is et doch so eklig kalt jewor'n, bet
ick nur zu meinest Schmerze bei Cohn'n uff de
Nosendhaler Allee 'n Paletot koofen mußte. Ver-
steht sich for alt, denn zu'n neien langt et nich,
nn bet Vorurtheil jejen abjclegte Sachen theile
ick meinerseits nich, wenn ick se billig kriejen
kann un kcen Unjeziefer nich drin is. Ooch bet
sc Fcilitzsch'n, den de Baiern nich mehr wollten,
in unsre jlorreiche preitzische Armee inverleibt
haben, finde ick janz ökonomisch. Der Mann
iS sicher noch 'ne jute Weile zu koloniale Helden-
tüatcn zu jebrauchen, un wir haben für die ville
Offeziere, die uns im Laufe bet Vorsichten Jahres
mit Hilfe ihrer Herrn Kameraden uff 'in Felde
der Ehre abhanden jckommen sin, jleich 'n klcenen

Ersatz. Wenn e! nämlich mit die Dneller trotz
alle „erfundene un erlogene" Verbote so lustig
iveiler jetzt, werden die lebendigen Leitnants un
Hauptleite bald zu de Ausnahmeerscheinungen in
die preitzische Armee jeheren, nn der Kricgs-
minister wird froh sind, wenn sich noch hier un
da 'n lebensmieder Jingling für bet jefährliche
Jewerbe herjiebt.

Unser Amtsrath is nu ooch wieder injetroffen.
Ick meene den konservativen Abjeornten aus Ost-
preißen, der bei meine Schwester ins Vorderhaus
zwee meblirte Zimmer hat. Er hat sich diesmal
'n bisken verspätet, weil bet Abjeorntenhaus erst
jetzt zu die Bocksaison uffjemacht is.

De parlamentarische Thäligkeit in die konser-
vative Frakzion muß furchtbar anstrengend sind.
Unser Amtsrath hat jeden Morjen Koppschmerzen
un Schleimbrechen. Er sagt ooch, er kenne sich
nich wieder wählen lassen; sein Magen verdrage
det nich inehr. Ick verstehe ieberhanpt nich, wieso
se zu sonne viehmäßige Beschäfligung noch immer
mcnsckiliche Arbeetskrüfte verwenden. Kennten se
beispielsweise in Ostpreißen nich 'n Trakehner
Deckhengst als konservativen Kandidaten nff-
stellen? Det wäre doch ooch 'ne staatserhaltende
un militärfreindliche Kraft, die det Beste von de
Landivirthschaft bezweckt un in die parlamen-

Granitbeitzen.

tarische Fähigkeiten hinter nnsern Amtsrath sicher
nicht zerickstcht.

Zu det Huldijungspräpeln for Althoff'n war
ick nich injeladen. Ick habe blos det Menü jc-
lesen. Der Hauptjang mar Speichellccken. Aberst
jewnndert habe ick mir doch, wie man een un-
jekröntet Haupt so ville Schmeicheleien kaltblictig
an'n Kopp schmeißen kann.

Der Krosigk-Prozeß hat ja nn ooch jlicklich det
Reichsmilitärjcricht passirt. Unser Amtsrath
meinte, et wäre 'ne Inhumanität, 'neu Menschen,
der zu'n Dode vernrtheilt is, 'n janzet halbet,
Jährken uff de letzte Entscheidung lauern zu
lassen. Sonne Sachen missen schneller jehn, sagt
er. Der Andrag uff Revision berste in kecnen
Fall 'ne uffschiebende Wirkung nich haben, nn
de Hinrichtung von den Anjeklagten hätte.jleich
nach det Jnmbinner Urtheil erfolgen missen. Tenn
hätten sich inzwischen de Jemiether beruhigt, un
det Reichsmilitürjericht hätte ohne Uffsehen un
in alle Freindlichkeit sein Siegel uffdricken kennen.
De konservative Partei wird demnächst 'n dahin-
zielendest Andrag uff Abänderung von die Militär-
strafprozeßordnung inbringen. Arnim isFrakzions-
redncr. Womit ick verbleibe mit ville Jrieße
Dein jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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