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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0026
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3682

Zm ißamen des Königs!

In der Strafsache gegen den 31 Jahre alten,
verheiratheten Redakteur Berthold Heymann
in Stuttgart, wegen Beleidigung durch die Presse,
hat die II. Strafkammer des Königlichen Land-
gerichts zu Stuttgart in der Sitzung voni
7. November 1901, an welcher theilgenommen
haben: 1. Landgerichtsdirektor Fetzer, 2. Land-
gerichtsrath Schneider, 3. Landrichter Sarwey,
4. Landrichter Or. Zimmerte, 5. Anitsrichter
Rammenstein als Richter, Oberstaatsanwalt
Herrschncr als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Köhler als Gerichtsschreiber, für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen
eines Vergebens der Weleidigung
durch die Dresse zu der Geld-
strate von Lwethundert /Dark
und tür den Fall der Uneinbring-
lichkeit zu der Getängnissstrate
von zwanzig Tagen, sowie zur
Tragung der Kosten des Ver-
fahrens bezw. des Strafvollzugs
verurtheilt.

Zugleich wird in Gemäßheit des §200 St.G.B.
dem Königlich Preußischen Kriegsminister die Be-
fugniß zugesprochen, den verfügenden Theil des
Urtheils in der hier erscheinenden periodischen
Druckschrift „Der wahre Jacob" und zwar im

selben Theil und mit derselben Schrift, wie der
Abdruck des beleidigenden Gedichts, Nr. 3901-
Seite 3538, den2.Juli 1901, überschrieben „Heim-
kehr" geschehen ist, sowie im deutschen Reichs-
anzeiger binnen vier Wochen vom Tage der auf
Kosten des Verurtheilten zu ertheilenden Aus-
fertigung des Urtheils einmal öffentlich bekannt
zu machen.

Endlich wird nach § 41 St.G.B. verfügt,
daß die noch vorhandenen Exemplare der Nr.390,4
der genannten Druckschrift „Der wahre Jacob"
vom 2. Juli 1901, sowie die zu ihrer Herstellung
bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu
machen seien.

(gez.) Fetzer, Schneider, Sarwey, Dr. Zimmerte,
Rammenstein.

Wer den Spott nicht vertragen kann, verdient
ihn schon deshalb, weil er ihn nicht verträgt.

Der kleinste Pfeil des Spottes verwundet mehr,
als die heftigsten Keulenschläge der Vernunft.
Darum hassen die Großen den Spott, weil sie
diese edle und zierliche Waffe nicht zu gebrauchen
wissen.

Wie wenige Richter denken daran, daß sie zu-
erst Menschen waren, ehe sie, Richter wurden!

Die Härte mancher Gesetze entschuldigt die Härte
mancher Richter nicht.

Der Lohn manches Wohlthäters der Menschheit
ist der Hungertod. Der Lohn manches faulen
Lumpen — ein Ehrengrab I

Alle Schriftgelehrten und Pharisäer der Gegen-
wart haben den Namen dessen im Munde, der
ein Feind aller Schriftgelehrten und Pharisäer
war.

Das Glück ist eine feile Dirne. Am liebsten
verkehrt es mit Tagedieben, Glücksrittern und
all dem lichtscheuen Gesindel, das selbst nicht
darnach frägt, mit ivem es verkehrt, iven es heute
umarmt und morgen verrüth.

Größenwahn und Verfolgungswahn sind ein
schlimmes Zwillingspaar: wen der Eine mit seinem
falschen Flitter bethört hat, den stürzt der Andere
in den Abgrund der Verzweiflung.

Wenn man, statt die Verbrechen zu sühnen
die Ursachen der Verbrechen beheben wollte, dann

-ja, dann käme die Welt um das moralische

Schauspiel! Scotus.

Die voraussehrmgslose Forschung.

(Frei nach 8oethes „Faust").

Personen: Lin Schüler und ein Professor.

Schüler?

Ich bitt'Luch, nehmt Luch meiner an!

Ich komm' mit allem gutem Math,

Leidlichem Geld und frischem Blut:

Möchte gern was Rechtes bei Ihnen lernen
Und es bringen zu Titel und Grdenssternen.

Professor:

Das ist nicht so schwer, mein lieber Freund,
Wie's auf den ersten Blick erscheint.

Doch sagt, was wollt Ihr denn studiren.
Dann will ich gern Luch informiren.

Schüler:

Ich weiß nicht recht, wohin ich neige;

Ls giebt so viele Wissenszweige.

Wie ist es denn, was meinen Sie,

Nit Rationalökonomie?

Professor:

Die ist jetzt sehr beliebt geworden, —
Nationalökonomen giebt's allerorten, —

Doch bietet sie Gefahren viele
Dem Menschen, der hat höhere Ziele.

LH' er es merkt und stch's versieht.

Sie oft ihn hin zum Umsturz zieht.

Wollt werden Ihr eine Lxzellenz,

Dann meidet vor Allem die Konsequenz!
Kommt zu 'nein Schluß Ihr, der gefährlich,
verschweigt ihn klug, sonst wird's beschwerlich.

Schüler:

Luer Gnaden, ich versteh' die Sentenz.

Doch wie ist's mit der Jurisprudenz?

Professor:

Hier wird erst recht ein weiser Mann
Nichts thun, was unterwühlen kann
Den hohen herrlichen Bestand
Bon unserm theuren Vaterland.

Die zukünftige Uniform der deutschen
Professoren.

verhüllet keusch des Volkes Misere
Und stützt euch auf die Millionäre.

Ueber Staatseiurichtungen vermeidet den Tadel
vertheidigt den Thron und den hohen Adel.

Schüler:

Und, Luer Knaben, entschuldigen Sie,

Wenn ich noch frag' nach der Theologie?

Professor:

Wer sich der Theologie ergiebt
Und dabei gute Gehälter liebt.

Der muß mit dem lieben Gott charmiren
Und überall ihn respektiren;

Dem Volke die Religion erhalten

Ist wichtig, das Andere bleibt beim Alten.

Schüler:

Darf ich noch Luer Gnaden bemühn:

Was halten Sie von der Medizin?

Professor:

Wird Jemand ein Jünger des Aeskulap,

So weiche er nie von dem Wege ab.

Den die Herrn Professoren als richtig preisen,
Gehört er auch lang schon zum alten Lisen.
Drum rath' ich klüglich einem Jeden:

Ducke er sich vor den Autoritäten!
von volkeselend und ähnlichen Dingen
Darf er nur im stillen Kämmerlein singen.

Schüler:

Ich möchte mein Stammbuch Luch überreichen,
V gönnt mir von Lurer Gunst ein Zeichen!

Professor:

Sehr gern.

<Er schreibt und giebt's zurück.)

Schüler (liest):

„Oujus panis, ejus carmen.“ Zu Deutsch:
„Wessen Brot ich ess', dessen Lied ich sing'!"

(Macht das Buch ehrerbietig zu und verschwindet.)

R. K.
 
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