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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0031
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— 3687

tjaitptjnttyid) um die Fertigstellung von knnst-
h » m °”^un'ten Schlössern handele, die für
, . v QVlt? en}e§ ®rnfett bestimmt waren. Das
l. ^ dringlichste Arbeit. Die Beiden faßten
» ^"che mit Geschick an und der Werkführer
• u , ö^radezu über ihre Kunstfertigkeit. „Ja,
wir haben voriges Jahr auf der Welt-
uusstellung in Paris gearbeitet", bemerkte
Drttrich. Sie führten nur wenig eigenes Werk-
Mg bei sich, aber dieses war von allerbester
Qualität. Der Werkführer berichtete seinem
®hef, daß man es mit ganz außerordentlich
'“Jtip.&ita zu thun habe.

Als die Streikbrecher Mittags die Fabrik
verließen, »m zu speisen, da gab es eiuen

förmlichen Auflauf

«Da sind sie, die Lumpen!"

«Welche Galgenphysiognomien!"

»Prügeln sollte man sie!"

So schallte es unter den am Wege stehenden
Arbeitern durcheinander. Auch die Polizei
war stark vertreten und mehrere Personen, die
beleidigende Rufe gegen die Arbeitswilligen
"usgestoßen hatten, wurden sofort verhaftet.
Pvlizeiinspektor Schubert stellte sich den beiden
Fremden selbst zur Verfügung, um sie sicher
°urch die aufgeregte Menge zu geleiten.

Aber die Beiden erklärten, sie wollten nicht zu
rinruhen Anlaß geben, lieber kehrten sie um und
blieben de» Mittag über in der Fabrik. Damit
wandten sie sich schon dem Fabrikthor wieder zu.

Der Chef, Herr Maier, war unterdeß von
ben Vorgängen unterrichtet worden und hatte
°en beiden Arbeitswilligen in seinem eigenen
Hause ein Mahl bereit stellen lassen. Das
Wohnhaus des Fabrikanten war unmittelbar
an die Fabrik angebaut und mit ihr verbunden.
Dittrich und Schnapper wurden hinüber ge-

leitet und musterten die Oertlichkeit mit großem
Interesse. In einem Parterreranm setzten sie
sich zu Tisch. Mehrere Dienstboten gesellten
sich zu ihnen und die beiden Fremden, die sich
bisher äußerst wortkarg verhalten hatten, wurden
plötzlich gesprächig. Sie fragten die Dienst-
leute nach den im Hause üblichen Gewohn-
heiten, nach der Lage der Schlafräume u. s. w.
Der Portier zählte mit wichtiger Miene seine
Obliegenheiten auf und erwähnte beiläufig, die
Herrschaft fahre heute nach der Residenz zum
Theaterbesuch und kehre erst Nachts mit dem
sogenannten Theaterzug heim; da müsse er bis
dahin auf seinem Posten ausharren. . .

Nach Tische wurden die beiden Fremden in
das Privatkontor des Chefs berufen, das sich
im ersten Stock des Wohnhauses befand. Sie
blieben bescheiden an der Thüre stehen. Der
Chef sagte einige anerkennende Worte über
ihre Arbeitswilligkeit, auch versprach er ihnen
reichlichen Lohn.

Dittrichs Auge ruhte dabei verstohlen auf
dem halb offenen Geldschrank. Als der Fabri-
kant schwieg, bemerkte er bescheiden, es sei ihm
und seinem Kollegen zwar nicht möglich, ihre
Reise hier lange zu unterbrechen, sie wollten
aber gern die Nacht zu Hilfe nehmen, um die
Arbeit zu vollenden. Herr Maier war damit
zufrieden.

Am Abend blieb Dittrich in der Fabrik.
Schnapper entfernte sich, um, wie er sagte,
einige zurückgebliebene Werkzeuge aus seinem
Koffer im Hotel zu holen. Dann sollte die
Nacht durchgearbeitet werden.

Im Hause wurde es still. Der Werkführer
war fortgegangen, die Herrschaft im Theater,
die Dienstboten schliefen. Nur der Portier
leistete den Fremden Gesellschaft, und sie trak-

tirten ihn mit einem ganz köstlichen Liqneur,
den Schnapper von seinem Ausgang mit-
gebracht hatte. Der Portier schwätzte viel,
dann schlief er ein.

„Es ist die höchste Zeit!" raunte Dittrich
jetzt seinem Gefährten zu. Schnapper nahm
ein Kästchen mit Werkzeug, das bereit stand,
Dittrich öffnete geräuschlos die Thüre des
Ganges, der zur Herrschaftswohnnng führte
und Beide verschwanden im Dunkeln.

Am nächsten Morgen harrte der Werkführer
vergeblich auf die beiden Fremden. Er entschloß
sich, für alle Fälle dem Chef Meldung zu
machen und begab sich in dessen Wohnung.

Dort herrschte ungeheure Bestürzung. Ein
Einbruch war geschehen, der Geldschrank mit
außerordentlicher Kunstfertigkeit erbrochen, und
alles Baargeld, eine sehr hohe Summe, sowie
mancherlei Werthpapiere waren geraubt.

Wer die That begangen, darüber war man
nicht im Zweifel. Die Polizei verfolgte heute
die Arbeitswilligen so eifrig, wie gestern die
Streikenden. Allein vergeblich. Es wurde
durch die Untersuchung bald sestgestellt, daß
der Mann, der sich Schnapper nannte, erst
kürzlich aus dem Zuchthaus, entlassen war und
der Schwarzbärtige wegen verschiedener von
ihm verübter Einbrüche schon lange gesucht
wurde, aber die Thäter selbst und das ge-
raubte Geld hat man niemals wieder gesehen.

Dem Herrn Maier blieb daher nichts Übrig,
als den Streik durch Bewilligung aller Arbeiter«
forderungen zu beendigen. Von „Arbeits-
willigen" mag er nichts mehr hören, sie haben
bei ihm allzu lohnende airbeit gefunden, und
die Polizei hat sie ihm zu zärtlich beschützt.
 
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