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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 19.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.8186#0035
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Masken.

Hobelfpähiir.

Nus der politischen Kinderstube.

Der kleine Bernhard: Aber Eugen, ich bin's ja nicht
gcivesen, die Krone hat's doch gethan!

Pritschenschlag und Schellenklang,
Rarneval in allen <£denl
Jedes Bürschchen hat den Drang,

Sich in fremde Haut zu stecken.

Fürchte nicht, daß man verlacht
Ihn und sein vermummtes Schätzchen;
Auf der Weltenbühne macht
Man bei weitem toll're Mätzchen.

Träger der Sozialreform
wollen die Minister spielen;

Der Effekt ist ganz enorm,

Den die Herrn damit erzielen.

Unser Junkerthum erscheint
wie erdrückt von tiefem Trauern,
wenn es große Thränen weint
Um das Loos des kleinen Bauern.

Lhamberlain düpirt sein Land
Bei deni weh'n der Britenfahnen,
Mit der Bibel in der Hand
In der Rolle des humanen.

Reiner aber gleicht dem Zar,

Der sich giebt als Friedensengel,
wie er einst uns sichtbar war
In der Hand den Lilienstengel.

Stroinweis läßt der edle Mann
Von den Lippen Honig träufen. ..
Lästige Chinesen kann
Man deswegen doch ersäufen.

Jedes Volk bis jetzt ertrug
Solche Heuchler sonder Sühne!

Alles Maske, Alles Trug
Auf der großen Weltenbühne!

Arme Narren! plagt der Neid
Euch da mehr nun oder minder —

Im Vergleich mit Jenen seid

Ihr die reinen Waisenkinder! R. L.

Groß ist die Noth!

Wer schafft uns Brot,

Ihr Herren im Neichstagssaal?

Der Eine rief
Nach dem Tarif,

Der Andere nach dein Kanal!

Ein Armer, der
Von ungefähr

Das Hörle, sprach voll Groll:

's ist doch famos!

Die wollen blos,

Daß ihnen man helfen soll!

Die Regierung fordert die Gctreidezölle zum
Schutze der nothleidenden Landwirthschaft, die
ihr die besten Rekruten liefert. Sie scheint gar
nicht zu ahnen, wie viel Rekruten sie uns mit
ihrer Forderung liefert.

Ein Dichter in die Saiten schlägt

Und singt: ivenn heut' die Kunst ihr pflegt,

Müßt Ordre ihr pariren.

Renn Musen, Achtung! stellt euch ein!

Die Brust heraus, den Bauch hinein!

So wird die Kunst floriren.

Eine ungemein tröstliche Nachricht kommt aus
Berlin: Trotz der schlechten wirthschaftlichen Lage
sind Ministerentlassungen nicht in Aussicht ge-
nommen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Lieber Jacob!

Neilich hat doch der Kriegsminister in'n Reichs-
dag zu Südekum'n jesagt, er wäre noch ville zu
jung, um ieber bet Milletär schimpen zu dersen,
dazu misse er erscht unsere jroße Zeit mitjemacht
haben. Det hat mir sehr jcfallen. Ick habe
stämlich unsere jroße Zeit mitjemacht, un nu derf
>ck schimpen, so ville wie ick will, un der Kriegs-
minister findet det bejreislich. Wahrscheinlich denkt
sr sich, det zu dem Jranitbeißcn schon stärkere
-"ackzähne jeheren, als wie se de zarte Jugend
blitzt. Un nu verstehe ick ooch dee Jcschichtc,
die neilich in Waudsbeck passirt is. Da is doch
Husarenleitnant uff de Straße von 'n kleenen
Zungen ieberfallen un mit die infamen Worte:
Kiek mal, det is'n Leitnant! in seine Ehre je-
trankt wor'n. Er hat denn det klceue Wurm
verhaften lassen un ihm in de Kaserne mit Hilfe
ierw,*enen ünteroffezir jemißhandelt. Det Kriegs-
Kerve ^ hat dem Husarenleitnant nich wejen
fvciieWn^refeurta belangt, sondern ihm jänzlich
Nolhiveln^r"'- er sich doch in'n Zustand der
icsickits w ° ""ben hätte. Det scheint mir an-
aus zeitiemäs^^^^nen Friedensplempen durch-
b un vom Standpunkt der Jugend-

erziehung aus zweckentsprechend. Unser Amls-
rath, der konservative Abjeornte aus Ostpreißen,
der bei meine Schwester in't Vorderhaus zwei
meeblirtc Zimmer hat, eißerte neilich oochj det
in de Jugenderziehung 'ne Wandlung intreten
misse. De schweifwedelnden Bestien, wie der Hof-
prediger Ohly sagt (er nicente damit nich de
Pfaffen, sondern de Sozialdemokraten), muß schon
in't Kindcsalter der Fuß uf'm Nacken jeseht
werd'n, un rven de nadierliche Zuneijung zu't
Milletär aus Versehen nich anjeboren is, den
muß se iujeivaufft werd'n. Jbrigens solltest mir
bei solche jemeinjefährliche Ausschreitungen — ick
mcenc selbstverständlich den kleenen Jungen —
nich wundern, wenn nächstens 'n Schutztruppe
vor unsere Leitnants injerichtct wirde, bnmit de
bewaffnete Macht jejen Anjriffe von klcene Kinder
bewahrt bleibt.

In de andern allerneisten Ehrenhändel finde
ick mir noch immer nich janz zurecht. Jänick'n,
der de Dachdcckerfrau Rühlicke ermordet hat,
hab'u se zu'n Tode verurtheelt, un Falkenhagen,
wo dem Landrath Bennigsen abmurkste, wollen
se man bloß 'n paar Monate uff 'ne fidele Festung
schicken. Ick habe mir bei unfern Amtsrath er-

kundigt, un der sagt, det läse daran, det Jäuicke
sich nich so jeuau an die Vorschriften von
den Ehrenpodex jehalten habe, 'u Ehrenrath
zwischen Jänickc rin seinen Fremd habe zwar
richtig stattjefunden, aber bei die Sache selbst sei
der Sekundant nich zujezogen worden, sondern
habe uff de Straße Schiniere jestanden. Ick
mccne ooch, wenn unsere Ludes 'n bisken mehr
in den Ehrenpodex Bescheid ivißten, denn kennten
se sich manche Unannehmlichkccten ersparen. Iber-
Haupt de hchere Bildung! De „Kreizzcitung" is
ja mt allerdings dajejen. Se hat neilich jeschrieben,
wat de Bildungswuth is, die sichre mit teetliche
Sicherheet in det sozialdemokrat'sche Lager 'rin
un de Jillotiue werde schließlich dem Strich da-
runner ziehen. Ick meene aber, se sollte doch
nich so ängstlich sind, denn in de konservative
Kreise is de Bildung noch nie nich epidemisch
jeword'n un wat insbesondere de Herrschaften
von de Kreizzeitung anbelangt, so haben die st
noch nie zu de Jillotiue, sondern hecchstcns zu'n
paar Jährkcn Zuchthaus jebracht.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße

Dein jetreier Jotthilf Rauke,
an'n Jörlitzer Bahnhof, jlcich links.
 
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